Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB  . CHEFREDAKTEUR  : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

15 Jahrgang

Deutschland  

und die Sanktionen

In der Pariser Presse sind in mißverständ­

Freitag, 8. November

1935

Genosse Dr. Heller in der Senatsdebatte:

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 260

Fascismus bedroht die Republik  

licher Auslegung gewiffer handelspolitischer Ver­fügungen Deutschlands   Gerüchte über eine Betei­ligung Deutschlands   an den Sanktionen aufge- Die wahren Absichten Deutschlands   und der SdP

taucht.

Die offizielle Deutsche diplomatisch- politische Korrespondenz erklärt dazu, daß Deutschland   wei­ter an seiner Neutralität festhalten werde, aber auch nicht die Absicht habe, an dem Kriege zu profitieren. Es habe die Waffenausfuhr nach bei­den kriegführenden Ländern verboten und dies schon vor den Genfer   Beschlüssen.

Pra g. In der gestrigen Senatssitzung sprach Genosse Dr. Heller unsere vollständige Zustimmung zum Exposé des Außenministers aus und ging dann dazu über, einmal offener, als der zünftige Diplomat es tun darf, darüber zu reden, ob unsere Beziehungen zu den fascistischen Staaten, vor allem zu Deutschland  , überhaupt über den Rahmen kühler Korrekt= heit hinausgehen können. Was er über die von offiziellen deutschen   Kreisen gegen die Tschecho= flowakei betriebene systematische Heze ins Treffen führte, genügt vollauf, um die gestellte Frage zu verneinen.

Wenn man vom Dritten Reiche spricht, so ist natürlich auch ein näheres Eingehen auf unsere SdP und ihre wahren Ziele direkt natur gegeben. Genosse Dr. Heller wich auch diese Problemen nicht aus, sondern befaßte sich mit der SdP ganz gründlich. An die tschechischen Parteien richtete sich vor allem sein dringender Appell, der Not im deutschen   Gebiet zu steuern und so der Henlein  - Agitation am sichersten und leichtesten den Boden zu entziehen. Genosse Dr. Heller befaßte sich zunächst Daraus erwächst unsere Befürchtung, daß die Sank­tionen das angestrebte Ziel nicht erreichen werden. Diese Sorgen werden noch vergrößert durch die Politik der uns umgebenden ta a ten.

Das deutsche Waffenausfuhrverbot hat na­türlich ganz andere Gründe als die deutsche  Friedensliebe, die in der zitierten Erklärung wie­der betont wird. Es soll verhindern, daß Deutsch­ land   seine eigene Rüstung schädigt. Für die Wir­fung der Sanktionen aber ist es von entscheiden- mit der gestrigen Rede des Kommunisten& rei­der Bedeutung, ob Deutschland   Kohle und bich. Wir begrüßen es natürlich, daß ein Erpose Eisen nach Italien   liefern und gewisse Güter des Außenministers von den Kommunisten zur im Zwischenhandel vermitteln wird. Das scheint Kenntnis genommen wird. Kreibichs Angriffe gegen borläufig sehr wahrscheinlich, wenn es auch nicht den Ministerpräsidenten stüßen sich jedoch auf die an Anzeichen dafür fehlt, daß Deutschland   bereit Ausführungen eines österreichischen Generals, also eine nicht unbedingt verläßliche Quelle. Und ist, unter gewissen Bedingungen Lösung des schließlich, Herr Kollege( zu Kreibich gewendet), Sie Bölkerbundpaktes von dem Versailler Vertrag vor sind heure e in re uiger Sünder, Sie allem Genf   in der Sanktionenfrage entgegen haben Ihren Standpunkt gewechselt. Das können zukommen. Die Lücke im Ning der Sanktions  - auch die andern! Die Befürchtungen, daß infolge der mächte, die sich durch Deutschland   dank der ver- Ernennung Dr. Hodžas ein fascistisches Regime ein­räterischen Haltung Desterreichs und Ungarns   für treten fönnte, hält Dr. Heller für unbegründet, so­Stalien öffnet, ist immerhin so groß, daß sie die lange die drei sozialistischen   Parteien und auch die 28irkung der Sanktionen verschleppen und Sta- bürgerlich- demokratischen Parteien ihre Vertreter im

lien retten kann.

Freie Mitbestimmung"

im fascistischen Oesterreich

Kabinett haben.

Wir stimmen mit dem Außenminister überein, daß das Interesse der Tschechoslowakei   seine beste Wahrung im Völkerbund   findet. Daraus resultiert naturgemäß auch unsere Stellung zum italienisch- abessinischen Konflikt.

Der Krieg als Sicherheitsventil

Der Herr Minister kann sich offiziell nicht in die inneren Verhältnisse anderer Staaten ein­mischen. Aber wir haben wohl das Recht, die inneren Verhältnisse anderer Staaten einer Kri­tik zu unterziehen. Uns kann es durchaus nicht gleichgültig sein, ob in den anderen Staaten eine fascistische oder demokratische Politik gemacht

wird!

Was wir seit dem Sieg des Fascismus in Italien   immer behauptet haben, hat sich voll be wahrheitet: daß nämlich der Fascismus zum Seriege führen mu B. Im Wesen ieder fascistischen Politik liegt eben die Aggres­Der Standpunkt, der heute in Eng I and sivität. In fascistischen Staaten stüßt sich das Ein Minister bestreitet die Diktatur zum Durchbruch gekommen ist, wurde ja schon im Regime vor allem auf die bewaffnete Wien  . Bundesminister für soziale Fürsorge Jahre 1924 im sogenannten Genfer   Proto Macht, auf Militär und Polizei. Da nun die Be­Dr. Dobretsberger sprach Donnerstag vor den info II zum Ausdrucke gebracht, dem wir damals völkerung kein demokratisches Ventil, das heißt keine Wien   tätigen englischen und amerikanischen   Zei- schon zuge ſt i'm mt haben, obwohl wir in hef- Möglichkeit hat, die Regierung irgendwie zu kon­tungskorrespondenten über die Grundlinien der tiger Opposition zur Regierung standen. Das Genfer   trollieren oder auch nur ihre Meinung zu äußern, österreichischen Sozialpolitik, wobei er auf die Protokoll wurde damals durch dieselben englischen so muß notwendig der Zeitpunkt eintreten, in dem bielfach im Ausland verbreitete Auffassung zu Grundfäße annehmen. Mancher Konflikt in Europa   Dann muß der drohenden Empörung ein ande Stonservativen zunichte gemacht, die heute seine das Gewaltregime im Innern zu versagen droht. sprechen kam, daß in Desterreich wirkliche Ge- hätte sich vermeiden lassen, wenn die englische   Regie- res Venti I geschaffen werden, das Ventil werkschaften nicht bestünden, da die Vertrauens­rung schon 1924 das Genfer   Protokoll angenommen nach außen, der Krieg! männer derselben nicht gewählt, sondern ernannt hätte! Dieser Zeitpunkt ist nun in Italien   eingetreten werden. Der Minister erklärte, man dürfe nicht und wird naturnotwendig auch morgen in anderen bergessen, daß Oesterreich   im Verjahre zwei ge­fascistischen Staaten kommen. Das ist die große Gefahr, die uns das Recht gibt, uns waltige Erschütterungen zu überwinden hatte und auch um die innerpolitischen Verhältnisse in anderen daß in Zeiten derartiger politischer Erschütterun­Staaten zu kümmern.( Sehr richtig!) gen in allen Ländern das Wahlrecht vorüber­gehend aufgehoben wurde. Nunmehr wolle man in Desterreich wieder die allgemeine freie Mit­bestimmung der Arbeiterschaft im Rahmen der Gewerkschaften und den berufsständischen Auf­bau zur Geltung kommen lassen. Der ständische Staat, wie er heute im Entstehen begriffen ist. will teine Dittatur, sondern jedem Staatsbürger die Möglichkeit einräumen, im Rahmen der berufsständischen Organisation mit bestimmend im öffentlichen Leben teilzunehmen.

Belgischer Bergarbeiterstreik erfolgreich beigelegt

Brüssel  . Der allgemeine Bergarbeiter­ſtreit, der im Becken von Lüttich   auszubrechen drohte, konnte beigelegt werden. Die Arbeitgeber gaben der Forderung nach Lohnerhöhung um 5 Prozent statt. Die Erhöhung der Bergarbeiter­föhne seit der Devalvation beträgt seit dem 30. März 7.5 Prozent. Der Lebensmittel- Preisindex

um 10.5 Prozent gestiegen.

Wahlsieg

eines Roosevelt- Anhängers

In dem Konflikt geht es nicht allein um die

Selbstbestimmung Abessiniens, sondern um die Selbst bestimmung aller lei neren Staaten, darunter auch der Tschechoslowakei  , und darum, daß keine Groß­macht mehr imstande sein soll, einfach über einen fleinen Staat herzufallen und ihm seine Selbstän­digkeit zu rauben. Deshalb find wir an diesem Konflikt so interessiert!

Korrekt, aber nicht mehr!

Wir wünschen die Aufrechterhaltung forret­ter Beziehungen auch mit diesen Nachbarstaaten, soweit dies irgend möglich ist. Wir bezweifeln aber, daß diese korrekten Beziehungen sich jemals zu Werden die wirtschaftlichen Sanftionen aus- freundschaftlichen ausweiten können, reichen, um den Krieg rajchest zu beenden, oder be- weil das Wesen des fascistischen Staates solche steht die Gefahr, daß Abessinien von Italien   dank freundschaftliche Beziehungen einfach nicht zu der Uebermacht der Waffen besiegt wird? Dann äßt. Reden wir ganz frei und offen über würde Europa   und der Völkerbund vor einer fer- Deutschland  . In der Zeit von Locarno   und tigen Tatsache stehen und das würde eine Nie Genf   wäre es möglich gewesen, mit diesem Deutsch­derlage des Völkerbundes bedeuten. Nach den land, das keine aggressiven Absichten hatte, zu Erklärungen Sir Hoares kommt auch eine Blockade einem freundschaftlichen Verhältnis zu kommen. für absehbare Zeit kaum in Frage. Auch in dem Mit der Schwenkung zum autoritativen und dann bisher beschlossenen geringen Ausmaß werden die zum fascistischen Regime ist diese Möglichkeit ver­Sanktionen nicht restlos durchgeführt werden fön- schüttet worden. Keine noch so schöne Rede von der friedlie­nen, weil mehrere Staaten, darunter die Nachbar­länder Oesterreich   und Schweiz  , sie nicht mitmachen. benden Politik Deutschlands   kann uns über seine

Parlamentarische Erhebungen über die Arbeitslosigkeit

Ein sozialdemokratischer Antrag

wahren Absichten hinwegtäuschen. Betrachten Sie nur einmal die Politik Deutschlands   uns gegen­über! Die wiederholten Einbrüche in unser Ge­biet, die Ermordung Lessings und Formis', die Entführungen, die Tätigkeit der deutschen   Sen­der, die Rüstungen an unseren Grenzen, die Aus­beutung unserer wirtschaftlichen Nöte, die dan­ernden Spionageaffären, die Schreibweise der deutschen   Blätter gegen unseren Staat!

Einen Tag vorher, betor drei junge Leute aus Hultschin in unserer Berliner   Gesandtschaft die Sin­richtung demolierten, erschien im ,, Völkischen Beob­achter" ein Artikel über die Unterdrückung der Su detendeutschen, und zwar unter dem Titel ,, Eine europäische Angelegenheit". So hat nämlich Senle in die Stellung des Sudetendeutsch­tums gekennzeichnet! Am 28. Oftober erschien in demselben Blatt ein Artikel über die Tschechoslowa­

tei, in dem es heißt:

,, Trotz der tschechischen Propaganda ist heute in der ganzen Welt bekannt, daß von all den vie­len deutschen   Stämmen im Ausland es die Su­detendeutschen sind, die wegen ihrer Blutgemein­schaft mit dem Reiche das Schwerste zu dulden haben."

hier geschieht. Aber ist das nicht eine uner örte Wir sind nicht mit allem einverstanden, was uebertreibung angesichts dessen, was in Bolen, Italien  , in Ungarn   die Deutschert zit leiden haben? Und nicht nur die Deutschen  , in Jtanen auch die Südslawen, in Polen   die Utrainer. Geht daraus nicht die Absicht hervor, um jeden Preis gegen die Tschechoslowakei   zu hezen?

Heute scheint sich der Hauptangriff der deuts schen Presse und damit der deutschen   Regierung tat­fächlich gegen die Tschechoslowakei   zu richten. Ind  da tommt so ein Herr( Pfrogner! D. Red.) daher und erzählt uns von den guten Absichten Deutsch­ lands   und von einem kulturellen Zuſammenhang. Der wurde 1933 von dem faſciſtiſchen Deutschland  zerrissen! Menschen, die bei uns wegen Verbrechen nicht nur ein Asyl, sondern Beschäftigung in gegen den Staat verfolgt werden, finden drüben a mtlichen Stellungen, von wo aus sie die Hezereien und Wühlereien gegen die Tschechoslo watei organisieren. Nehmen Sie zu dem allen die unverhüllte Unterſtüßung, die eine unserer Par­teien drüben findet, so werden Sie einsehen müf­sen, daß wir jedem Versuch, freundschaftliche Bezies hungen zu diesem Land und diesem Regime anzu­fnüpfen, sehr steptisch gegenüberstehen.

Wir sehen in diesem Regime vielmehr eine ständige Gefahr für den europäischen   Frieden and insbesondere eine Gefahr für die Self­ständigkeit und Sicherheit unseres Landes!

Am Klarsten kommt diese Einstellung Deutsch­ lands   uns gegenüber in dem Verhältnis zu Polen  zum Ausdruck. Der Beginn der polnischen Ges hässigkeiten gegen uns fällt zeitlich genau zusammen mit dem Abschluß des polnisch- deutschen Vertrages. Darin liegt ein ursächlicher Zusammenhang. Wir glauben auch nicht, daß es möglich sein wird, unsere Beziehungen zu Bolen auf ein normales Maß zu bringen, solange der deutsch  - polnische Vertrag besteht.

Sicherheit für den Angreifer?

Herr Vfrogner hat hier davon gesprochen. warum man nicht Deutschland   nicht einen ähnlichen Vertrag abschließt wie mit Rußland  . Deutschland  will aber von der Idee der kollektiven Sicher heit nichts wissen und empfiehlt den Abschluß zwis seitiger Verträge, nicht etwa zwischen allen, sondern zwischen willkürlich ausgewählten Saaten. Solche Verträge stellen aber praktisch eine Rük­tendeckung für den Angreifer vor. Wir aber wollen Verträge als Sicherheit gegen den einem Vertrag mit Deutschland   nicht kommen. boliche wis mus mit eingestimmt hat, ist weiter Daß Herr Pfrogner in das Horn des An'i

Die tschechischen Genossen haben im Bar- tion aus objektiv- wirtschaftlichen oder viel- Angreifer abschließen. Darum fann es zu lament einen auch von den Genoffen I atfch leicht manchmal auch aus politischen und Ma co un gezeichneten Antrag einge- Gründen handle. Der Ausschuß soll dem Par­

Louisville. Der bisherige demokratische bracht, wornach zur Untersuchung der Ursachen lament und der Regierung die Ergebnisse der nicht zu verwundern. Es tun das die Reaktionäre Vizegouverneur Chandler ist mit der ungeheu- der Arbeitslosigkeit in den am härtesten betrof Untersuchung und Anträge vorlegen, wie der auf der ganzen Welt. Die Berufung auf die bel ren Mehrheit von rund 100.000 Stimmen zum fenen Gebieten ein Ausschuß na Bevölkerung in den zumeist industriellen Not- schewistische Gefahr ist aber nur der Borwa d, Gouverneur des Staates gewählt worden. Sein Paragraph 32 der Geschäfts= Wahlsieg ist umso bedeutender, als Chandler ein ordnung errichtet werden soll, Nach dem ſtandsgebieten zu helfen sei. Es werde notwen- um dem zügellosen Haß diefer reaktionären Birtei ausgesprochener Anhänger der Newdeal- Politik Motivenbericht soll der Ausschuß auch unter- dig sein, vor allem für die Belebung der Indu- gegen Sowjetrußland und damit gegenüber der Roosevelts ist. Seine Wahl bedeutet also einen suchen, ob es sich in einigen Betrieben nicht um strie in diesen Gegenden Mittel und Wege zu dies hat ja noch das nationalsozialistische Deutsch­Erfolg Roosevelts.

=

eine Drosselung der Produk finden.

ganzen Arbeiterbewegung Ausdruk zu geben. Ueber­land im März oder April 1933 den Vertrag von