Seite 2
Freitag, 8. November 1935
Nr. 260
Rapallo  , also den Freundschaft-Vertrag mit Ruß« land, auf zehn Jahre verlängert. Was dem natio­nalsozialistischen Deutschland   recht ist, mutz un­billig sein! SdP-Loyalität Diese Partei, dir doch nicht- andere- ist al­ber Ableger der in Deutschland   herrschenden Par ­tei, glaubt wirklich, daß sie die Welt mit ihren Reden von Demokratie und Staat-treue oder mit einer Kandidatenredr für den Eintritt in dir Re­gierung dumm mache» wird, wie sie heute Herr Pfrogner hier gehalten hat. Man hat manchmal de» Eindruck, daß diese Partei in der Politik das ist, waS im Leben gewisse Dame» find, dir sich jedem anbietrn! Wie der Große da draußen sich räuspert und wie er spuckt, da- hat ibm der Kleine bei uns glück­lich abgeguckt. Bon A bis Z dieselben Phrasen, dieselbe Ueberheblichkeit, dieselbe öde, geistlose Gleichschalterei unter demselben Schlagwort von derVolksgemeinschaft", die über alle Klassenunterschiede hinwegsieht, die alle- in einen Topf wirft. Dieselbe Ausnützung der un­erhörten Not unseres Volkes für ihre schäbigen Par­teizwecke und dieselbe niederträchtige Kampfes- weise, wie sie draußen der Nationalsozialismus   vor der Machtergreifung hatte. Wenn Herr Enhuber in Böhm.-Leipa sagte: «Die früheren Parteipolitiker lebten von der Poli- tik, die heutigen Abgeordneten und Senatoren der SdP leben für das Volk und fitr die Politik", so ist das eine schäbige, niederträchtige Berlcumbung! Wenn derselbe Herr alles, was in letzter Zeit ge­schehen ist, als Verdienst der SdP hinstellt, sogar die Aktion der tschechischen Intellektuellen, die doch wahrlich nicht ihren Kreisen nahestehen, so wird ei wahrscheinlich auch da- Verdienst der SdP sein, daß e- endlich geregnet hat.(Hei­terkeit.) Die Not der Nührboden des Fasdsmus Tie tiefe Ursache allerdings, daß im sudeten­ deutschen   Gebiet fünfviertel Millionen dieser Par­tei nachlaufen konnten, liegt in der« n g e h««- er«« Not in unserem Gebiet. Solange die Re­gierung nicht sehr drastische Mittel anwendrt, um unserer Bevölkerung zu Hilfe zu kommen, filange besteht keine Ausficht, daß diese staatsfeindliche Bewegung abflaut und schließlich verschwindet. Jede destruktive Partei findet immer ihren beste« Boden in der Not, dem Elend und der Ver­zweiflung der Menschen. Verstehen Sie denn nicht, daß ein junger Mensch von 18, 19 oder 20 Jahren, der jahrelang aus der Schule heraus ist und noch nicht einmal einen ein­zigen Handgriff Arbeit zu tun hatte, verzwei­feln muß? Zumal wenn man ihm sogar die karge Ernährungskarte verweigert, weil er innerhalb der letzten drei Jahre nicht krankenversichert wflr, eben 1 weil er noch keine Arbeit finden konnte. Begreifen : Sie, daß ein solcher Mensch den gesunden Menschen­verstand verliert und dann einer Partei wie der SdP nachläuft? Der Kommunist K r e i b i ch hat gestern einen beweglichen Appell an uns gerichtet zur Aufrichtung der sogenannten Einheitsfront. Dicke besteht schon seit sechs Jahren, denn die drei so­ zialistischen   Parteien in der Regierung arbeiten ge­meinsam mit den übrigen demokratischen Parteien diese- Landes. Folgen Sie diesem Beispiel und die Einheitsfront wird vollständig hergestellt sein! Abschließend stellt Genoffe Dr. Heller zu dem ExvosL fest, daß heute die Arbeiterschaft g e- schlosfrnhintrrdem,Völker ­bund steht und daß auch wir dem Minister für feine Bölkerbundpolitik unser Vertrauen auS- fpreche« und für die Kenntnisnahme feines ExpoftS stimmen werden.(Lebhafter Beifall.)
7 Der Lakai Verbekhoven Von Max Hochdorf  Die wenigen Stunden, die seit der ersten Unterredung tnit dem Lakaien vergangen waren, hatten noch sichtbarer an dem König gezehrt. Er hatte seine gesunde Gesichtsfarbe verloren, er, der begeisterte Bezwinger von schwierigen Alpen­spitzen, der Freiluftmensch, der die langen Fuß­masche liebte. Da er die Schultern hängen ließ, schien er müder, menschlicher geworden. Der König schien auch älter, als er es den Jahre« nach hätte sein müssen. Sie sind es? Ach gut, Verbekhoven, daß Sie gekommen sind", sagte der König.So kann ich Ihnen gleich danken, daß Sie so aufopfernd Ihre Pflicht tun. Ich habe alles erfahren. Sie sind die treueste Seele, die wir hier im Palais haben." Verbekhoven wurde über und über rot. Er stammelte:Majestät sind zu gütig, Majestät be­schämen mich tief. Ich weiß nicht, durch WaS ich dieses Lob verdient habe." Gut, gut", beschwichtigte der König und reichte dem Lakaien die Hand. Als der Lakai sich so tief bückte, als wollte er die Hand seines Herrn küssen, entzog der König sich dieser Verehrung und schritt zu seinem Schreibtisch. Gespannt verfolgte Verbekhoven jede dieser Bewegungen. So ergriffen war er, daß es ihm wohlgetan hätte, sich auf den Boden zu wer­fen und auch die Stiefel seines Herrn zu küssen. D» wandte sich der König schon wieder zu ihm und sprach:Sie sollen wissen, daß Sie nicht umsonst Ihre Nächte und Ihre Gesundheit opfern. Aber vielleicht tun Sie doch ein bißchen zuviel, Verbekhoven. Sie müssen sich ablösen lassen. Es bat keinen Zweck, seine.Kräfte zu verschwenden. Ich merke es an mir selber. Es ist ein wenig zu viel für uns beide, und wir müssen doch die
Antibolschewistische Einheitsfront Zwischen Dr. KramAF und den Henlelnleuten Prag  
. Der Abgeordnetenhaus brachte am Donnerstag die außenpolitische Debatte bis auf zwei Redner zum Abschluß. Man rechnet damit, daß die Abstimmung über das Expose Freitag gegen halb 11 Uhr vormittags erfolgen wird. Urbrr die weiteren Dispositionen des Hausprä­sidiums ist noch nichts Zuverlässiges bekannt. Im Gegensatz zu den ftüheren oppositionellen Rednern aus der Slowakei   nahm RazuS(Slow. Rat.-Partei) einen ziemlich positiven Standpunkt zum Erposö ein. Für die SdP. sprach Abg. Frank I, der erklärte, unsere Außenpolitik lasse sich bestenfalls unter dem Gesichtspunkt der französischen   Inter­essenvertretung rechtfertigen. Als er in A n t i» bolsch ewismus machte, wurden er und seine Leute von unseren Genossen und den Kommunisten in ein Kreuzfeuer von Zwischenrufen genommen, na­mentlich als er behauptete, das bolschewistische Ruß­ land   sei von der Humanität viel weiter ent­fernt als das nationalsozialistische Deutschland  . Ein bezeichnender Lapsus passiert« dem Herrn Birke von der SdP. Als Genoffe Katz nämlich dem Redner bei seinen antirnssischen Tiraden zn- rief:Ans Frank I spricht Goebbels   II!"» da ent­schlüpfte dem.Herrn Birke das Geständnis:D a s wäre ja keine Schande!" Herr Frank l scheint auch nicht richtig kapiert zu haben, gegen wen sich MalvvetrS gestriger Ausspruch richtete, daß der größte Schädling der Demokratie die Demagogie sei. Er begrüßte heute näm­lich noch ausdrücklich diese Feststellung. Urfiny(Agr.) unterstreicht die Forderung nach einer starken Armee und tritt für das Bündnis mit Rußland   ein. Brodtz(Aut. Russe) betont dagegen wieder die angebliche Notwendigkeit einer Verständi­gung mit Deutschland   und Bolen. Chalnpa(Gew. Partei) erklärt, daß im deutschen   Gebiet ein Boy­kott gegen die ffchcchischen Minderheiten durchge- sührt werde. Man müsse feststellen, wer diesen ge­heimen Boykott organisiere. Die Urheber mögen sich warnen lassen. Dann kam der greise Dr. Kramäk zu Wort, der sitzend von der Rednertribüne aus sprach. Seine Rede war gespickt mit Ausfällen gcaen den Außenminister, gegen dessen verfehlte russische Politik, gegen die Sow ­
jets usw. Auf den objettiven Zuhörer mußte es mehr peinlich wirken, einen Greis fast ununterbrochen per­sönliche Gehässigkeiten und Bissigkeiten auS sich her­aussprudeln zu sehen, wo doch gerade das patriarcha- liche Alter, in dem Herr Dr. Kramak steht, mit einer abgeklärten Ruhe, mit einer turmhoch über allem menschlichen Hader stehenden Weisheit verbunden sein sollte. Daß Dr. Kramäk daS bolschewistische Gespenst an die Wand malte, geftel den Henleinleuten außer­ordentlich gut. Sie hörten   ibm direkt andächtig zu und drückten wiederholt ibre Zustimmung aus. So konstatierte Herr K u n d t: Der spricht doch glänzend für uns! Als Dr. Kramäk feststellte, daß der Sieg des Bolschewismus den Untergang der kulturellen und staatlichen Selbständigkeit des tschechischen Vol­kes bedeuten wüdre, wiederholte sich die Zustimmung bei den SdP.-Leuten. So besorgt sind die Herren um das Schicksal der Republik  . Wer's ihnen jetzt noch nicht glaubt...! Die Anbiederung an die tsche­chischen Agrarier bat ihnen bisher nichts genützt, jetzt versuchen sie es schon, sich an den alten, verbitterten und von niemanden mehr ernst genommenen Dr. Kramäk anzuhängen, um sich wenigstens bei der äußersten tschechischen Rechten einzuhauen. Herrn Dr. Kramäk zollten zum Schluß von den Zuhörern nur drei Gruppen Beifall: die eigene Partei, die t s ch e- chischenFascisten und die Henlein  - Leute. Ein würdiges Dreigespann! Dr. Lukchka(Christi. Soz.) äußert zwar Be­denken hinsichtlich der Auswirkungen der Sanktionen und befürchtet, daß die Tschechoslowakei   einmal das O p f e r d e S r u s s i s ch e n Bündnisses werden könnte, sonst aber macht er Dr. Benes alle möglichen Komplimente und erklärt, daß seine Par­tei für das Expose stimmen werde. Die letzten Redner deS Tages sind der Kommu­nist Borkafiuk und der bürgerliche Pole Dr. Wolf, der behauptet, daß die polnische Minderheit im Kamp? um ihre nationalen Rechte durchaus loyal sei und ihn auch lange Jahre in enger Zu­sammenarbeit mit den Regierungsparteien geführt hab«. Ihre Beschwerden, richten sich nicht gegen den Staat, sondern gegenlokale Faktoren, die die Polen   entnationalisieren wollen. Nächste Sitzung Freitag um 9 Uhr.
Große Senatsmehrheit für das auBenpolitische Expose Prag  . Der Senat schloß Donnerstag nach­mittag- die Aussprache über da- außenpolitische Expost ab. Bei der Abstimmung stimmten für das Expose neben den KoalitionSporteien auch, wir angekündigt, die Komm» H i st e n und selbst die deutschen   C h r i stl i ch s o z i a l e n. Nach Schluß der Debatte hatte Senator D ö st'ck k'staMens der gesamten- KvaÄtion' eine'län­gere Erklärung abgegeben, die sich inhaltlich im all­gemeinen mit der Erklärung HamplS im Abgeord- netenhau- deckte. Erster Debatteredner war Senator Pfrogner (SdP), der wohl gegen den russischen Pakt polemi­sierte, sonit aber ängstlich bemüht war, ja recht staatsbejahend zu sein und die Regierungsfähigkeit der SdP zu beweisen. Rußland selbst habe wohl keine ExpansionSPlüste, wohl aber der Kommunismus, und darin läge die.Gefahr. Genosse Nießner: Das hat Ihnen wohl der Goebbels diktiert! Bei dieser Gelegenheit gab es einen heiteren Zwischenfall, als Pfrogner, um die Bündnis­unfähigkeit Rußlands   zu beweisen, pathetisch eine Broschüre in der Hand schwenkte und ausrief: Der­selbe Dimitrow, der im Völkerbund  «ine große Rolle spielt, hat hier eine Broschüre geschrie­
ben... Daraufhin gab es bei unseren Genossen schallende Heiterkeit, daß ein Redner der SdP, der über russische Verhältnisse spricht, den au- dem Reichstagsbrandprozeß bekannten Dimi­trow und den russischen Außenminister-L i t w i« n o w für eine und dieselbe Person hält. Ob dieser Blamage war Pfroaner sichtlich betroffen, so daß er nur mit Mühe den weiteren Faden wiederfand. Er plädierte dann für einen Pakt mit Deutschland  , ver­leugnete den deutschen   Nationalsozialismus und rief, es müsse.endlich einmal der Augenblick kommen, daß die Ehrlichkeit ihres Bestrebens nicht mehr an­gezweifelt werden könne.;.' Als dann Genoffe Dr. H e l l e r zu Worte kam. dessen Rede wir an anderer Stelle veröffentlichen, marschierte die ganze SdP in Doppelreihen hinaus, von ironischen Zwischenrufen unserer Genossen und der Kommunisten Hegleitet. Beim nächsten Redner. Herrn Hilgenreiner, kamen die Herren wieder hinein und applaudierten ihm wacker. Hilgenreiner meinte, wie Dr. BeneZ den Weg nach Moskau   gefunden habe, werde er auch den Weg nach Berlin   finden, unter der Voraussetzung allerdings, daß Berlin   mit den Westmächten in gute Beziehungen tritt. Das sei überhaupt der Schlüssel zum europäischen   Frieden, daß Deutschland   und Frankreich   einander näherkommen. Jnnervoli- t i s ch sei bei uns allerdings noch nicht alles so- wie es sein sollte. Das war für Hilgenreiner das Stich­wort. um wieder in seine alte unverfälscht oppo­sitionelle Tonart zu verfallen.
Eelmre(Agr.) befaßt fich mit der ungarischen Propaganda gegen uns und verlangt, daß man diesen Dingen mehr Aufmerksamkeit widme. Weitere Red­ner sind Pechmann(Gewerbepartei), der schon im­mer alles besser gewußt bat, wie es kommen wird. AuS dem Formis-Mord zieht er z. P. die Folgerung, daß man die Emigranten besser überwachen solle, weil eS zu 80 Prozent Spitzel seien!!   AIS er darüber wettert, daß die deutschen   Regierungsparteien seiner­zeit im Jahre 1933 nicht für die Auslieferung des Krebs, Jung, Schubert und Kasper gestimmt haben, macht ihn Kreibich unter allgemeiner Heiterkeit dar­auf aufmerksam, daß Kasper ja aboliert wurde und jetzt Redner bei der Sudetendeutschen Partei ist. Letzter Debatteredner war Senator Klofaik, der u. a. die Festigkeit der Kleinen Entente   betone und die Stimmen gegen da» russische Bündnis für hellen Wahnsinn erklärt.
Sozialdemokraten fordern Hilfe Nir die Alten! Die Genossen Taub und Schäfer haben im Namen unseres Abgeordnetenklubs einen An­trag auf Ergänzung des Gesetzes über die staatlichen AlterSunter st ützungen eingebracht. Demnach soll die staatliche Alters­unterstützung nach Vollendung deS SS. Lebens­jahres auch jenen Personen zuerkannt werden, welch« in der Zeit vom 1. Juli 192« bis 31. De­zember 1930 das 60. Lebensjahr erreicht haben, wenn sie in dieser Zeit der Sozialversicherung nicht teilhaftig geworden sind oder die vorgeschrie- bene Wartezeit nicht vollendet haben. In der Begründung heißt eS, daß das Gesetz eine Lücke in unseren sozialen Einrichtungen auS- füllen sollte, die dadurch entstand, daß die Personen, die beim Inkrafttreten der Sozialversicherung be­reits 60 Jahre alt waren, in diese Versicherung nicht mehr ausgenommen wurden, so haß für sie überhaupt keine Vorkehrung für daS Alter bestand. In der gleichen Lage sind aber die Personen, die zwar damals noch nicht 60 Jahre alt waren, aber unverschuldet der Wohltat der Sozialversicherung nicht mehr teilhaftig werden konnten. ES handelt sich da u. a. um Heimarbeiter, über deren Versicherungspflicht erst im Jahre 1932 Richtlinien erlassen wurden, und um Personen, die keinen An­spruch auf die Versicherungsleistungen mehr er­werben konnten. Diese haben jetzt weder eine Altersrente, noch können sie ein« staatliche Alte^ rente erhalten. Es ist daher«in Gebot der sozial^ Gerechtigkeit, diese Leute wenigstens der staatlichen AlterSunterstützung teilhaftig werden zu lassen.
AmtsUbergabe Im Kolowrat-Palals Prag  . Der Vorsitzende der Regierung Dr. Mila« Hodja hat Donnerstag vormittags jein Amt über­nommen. Im NanM der gesamten Beamtenschaft verab­schiedete sich zunächst von dem zurückgetretenen Vor­sitzenden der Regierung Jan Malypetr   Sektionschef Rudolf Bartos mit warmen Worten, indem er seine Arbeit würdigte, die er in den drei Jahren der größten Schwierigkeiten dem Staate gewidmet hat. Der Präsident des Abgeordnetenhauses Jan Maly­ petr   dankte gerührt. Sektionschef Bartos stellt« so­dann dem Vorsitzenden der Regierung Dr. Hodja dir Vorstände der Departements und Abteilungen vor und erklärte, daß sie alle glücklich seien, dem symbo­lischen Akt beiwohnen zu können, da an di« Spitzr der Regierung zum erstenmal ein slowakischer Staatsmann und Politiker tritt. Für diese Kund­gebung dankte der antretende Vorsitzende der Regie­rung Dr. Milan Hodja.
Sprungfedern in den Beinen und im Gemüt etwas elastisch halten." Und bei diesen Worten blickte der König den Lakaien lächelnd an. Das war das Lächkln, das ihn wieder verjüngte, dieses Lächeln, daS ihn zu Zeiten wie einen zu jedem Scherz aufgelegten Studenten erscheinen ließ. Kommen Sie nur näher, Verbekhoven. haben Sie gar keine Angst, fuhr der König fort, ich möchte gern, daß Sie mir einen großen Ge­fallen erweisen. Das werden Sie mir doch nicht verweigern, mein Lieber?" Verbekhoven begann:Aber Majestät" Dann stockte er schon wieder und konnte nicht weiter. Na also," meinte der König,ich werde Ihnen keinen Zahn ausziehen. Ich möchte^ nur, mein Lieber, daß Sie sich immer an meinen seligen Onkel erinnern, wenn Sie diesen kleinen Orden tragen, und auch an mich ein wenig." Damit faßte er den Lakaien beim Aufschlag des Fracks und heftete den Orden an das rote Tuch. Verbekhoven rührte sich nicht. Er starrte das weiße Kreuz mit den ausgezackten Armen an, die goldenen Flammenzeichen darauf, den grünen Blätterkranz, auf dem das Kreuz ruhte, die Wöl­bungen der zierlichen Krone, die an das purpurne Band geheftet war. Seine Lippen bewegten sicb lautlos. Endlich hörte der König, was der Lalai sagte. Verbekhoven fragte leise und tastend:Ma- jestät, könnten Majestät mir nicht sagen, warum die Menschen lieber Sand als Brot und Fleisch fressen.möchten?" Da der König ihn verständnislos anblickte, fuhr Verbekhoven fort:Majestät, ich spinne nscht, ich bin nicht verrückt, ich bin ganz klar!" Wer behauptet denn das Gegenteil?" Man macht einen Bogen um mich im ganzen Palais. Ich war beim Doktor Heureux, und er sah mich immer jo an, als wenn er nach
einem Zellenwagen telephonieren wollte. Und meine eigene Frau behandelt mich, als wenn ick in jeder Minute einen Tobsuchtsanfall kriegen könnte. Und warum, Majestät, warum? Nur deshalb, deshalb, Majestät, es ist nicht gut, daß unser Volk ohne Kenntnis von dem bleibt, was der letzte Wille des seligen- hohen Herrn ist. Ja, Majestät, in der letzten Nacht ist der selige hohe Herr mir wieder erschienen und er bat mir aufgetragen, Eurtz Majestät davon zu be­nachrichtigen, dringlichst, unverzüglich, daß es höchste Zeit ist, dem Kaiser die Hände abzuhacken l Der Kaiser rasselt" doch nicht nur mit seinem Säbel, er hat auch die Schneide vergiftet, und er braucht unser Volk nur ein wenig damit zu ritzen und es wird bestimmt daran sterben, Majestät, eS ist nicht gut, dieses Augenzuschlagen vor dieser ungeheuren Gefahr! Das Volk muß darüber aufgeklärt werden, daß es nur Sand und Pulver fressen wird, wenn es nicht beizeiten seine Pflicht begreift. Aber man muß etwas tun, Majestät, man muß vorgreifen, man muh angreifen l Ma- lestät, erlauben Sie mir, nein Majestät, geben Sie mir den formellen Auftrag, und ich werde den Kaiser zu finden wissen. Ich hab mir in die­ser Nacht den Plan genau überlegt, Majestät. Ich'werde vorsichtig und schlau sein. Und wenn der Kaiser nicht mehr ist, dann kann unser Volk sein, ganz allein dann. Wer wenn der Kaiser ist, dann kann unser Volk nicht mehr sein. Nein, Majestät, ich bin nicht verrückt, ich weiß ganz ge­nau, was ich sage. Es ist alles so wohl durchdacht. Ich steige in den Zug. In einem Tag bin ich in der Hauptstadt deS Kaisers. Ach, Majestät, wie ich glücklich bin, daß ich die Tat vollbringen darf!" 'Können wir," erwiderte der König, ohne mit der Wimper zu zucken,das nicht um einige Stunden, wenigstens bis morgen früh aufschie­ben? Sehen Sie, Verbekhoven, wenn man so was tut, es ist außerordentlich vernünftig, was Sn da tun wollen, Sie haben ganz recht, daß Ihr Vorschlag die einzige Rettung ist, wenn man fo
was tut, dann muß das aber bis ins letzte Pünkt­chen genau durchdacht sein. Sonst kann man Pech haben und mehr Schaden als Nutzen anrichten. Wenn Sie sich aber bis morgen früh gedulden, dann werde ich Ihnen einen Plan ausarbeite» Dann wird eines in das andere eingreifen, wit in ein Kettenglied." DaS ist alles schon geschehen, Majestät", wandte Verbekhoven ein.Nun, dann lassen Sie mich Ihren Plan wenigstens einsehen. Dan« schreiben Sie ihn mir wenigstens aus, damit ich ihn prüfen kmm. Zwei Köpfe sind doch immer klüger als einer. Sie können versichert sein, daß ich Ihnen gar nichts in den Weg legen werde. Ich möchte nur einen takttschen Fehler vermeide». Das werden Sie doch begreifen, lieber Freund!* Verbekhoven musterte den König. Er stu­dierte jeden Winkel des MundeS, der soeben z« ihm gesprochen hatte, ob sich darin Lüge oder Ver­stellung verberge. Es hätte ihm unendlich wobt getan, das alles mit der vollen Billigung des Königs tun zu dürfen. Aber er war auch zum Handeln entschlossen, wenn ihm diese Gnade verweigert würde. Er würde um keinen Preis dulden, daß der König  Ausflüchte machte, um ihn mit Verschleppungen abzuspeisen. Bevor Verbekhoven diesen geheimsten Ge­danken aussprechen konnte« fuhr der König fort: Ich Habs überlegt. Sie haben recht, es ist kei« Aufschub mehr möglich. Das ist eine entsetzliche Dummheit, Verbekhoven, daß unser Volk vor dew kommenden Krieg die Augen heuchlerisch ver­schließt. Wir müssen das verhindern, wir müsse« dem Volk den Kopf zurechtsetzen, eS durch eine gewaltige Tat auf die Seite der Vernunft zu­rückschleudern. Das wollen Sie doch sagen? Nicht wahr, Verbekhoven?"Zu Befehl- Majestät." .(Fortsetzung folgt.).