Nr. 109 Samstag, 9. Mai 1936

,, Die 200 Familien"

Die Macht des Geldes in Frankreich  

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,, Sozialdemokrat"

MTP( Paris  ). Die Macht des Geldes hat mit Zahlen und Argumenten belegt wurde, hai  in der Dritten Republik einen großen Einfluß auf zweifellos propagandistisch mit am stärksten ge­das öffentliche Leben einen viel zu großen, wirkt. Denn wenn man es den 200 schon übel sagen die Gegner und fügen hinzu, alles sei nimmt, daß sie das französische   Finanz- und fäuflich in Frankreich  . Nun, angenommen, daß Wirtschafts- Leben diktatorisch beherrschen, so hat diese Behauptung stimmt, so ist jedenfalls in die das Material darüber, daß sie beabsichtigen, auch sem Frühjahr die Tatsache zu verzeichnen, daß die politisch die Macht direkt an sich zu reißen, die Propaganda gegen die Geldleute in Frankreich   sich Erbitterung aufs höchste gesteigert. als viel stärker und durchschlagender eriviesen hat als die Macht des Geldes. Diesem Propaganda­feldzug, der überaus großzügig und außerordents lich geschickt aufgezogen wurde, hat die Linke nicht zulezt ihren Wahlsieg zu verdanken. Die Aufklä rungsarbeit umfaßte Millionen von Franzosen  , die bisher von vielen Dingen, die im politischen und wirtschaftlichen Leben ihres Landes eine große, ja überragende Rolle spielten, taum einen Begriff hatten.

Die gesamte Propaganda wurde unter einem Schlagwort gestartet, das unheimlich schnell popu­lär wurde. Das Schlagwort lautet: 200 gamis Tien beherrschen Frankreich  ". Das ist eine Ziffer, mit der sich etwas anfangen läßt, hier gibt es feine Anonymität mehr. Die Namen der 200 Familien jind bekannt, es sind die berühmtesten Bankiers, Industriellen, Wirtschaftsführer und Konzernbefizer des Landes. Aber weniger bekannt war bisher, welche wirkliche Macht diese 200 Familien darstellen, inwieweit sie alle Fäden in der Hand haben und die Geschicke des Landes hin­ter den Stutiffen dirigieren. Die Schleier wurden jest gelüftet.

Tatsächlich teilen rund 200 Menschen in Frankreich   die ökonomische Macht untereinander auf, tatsächlich dirigieren sie die Banque de France   und andere Großbanken. Was wird nun werden? Die Propaganda der Linken, von den Radikalsozialisten bis zu den Kommunisten, hat die Leidenschaften des fleinen Mannes tief auf­gewühlt. Es ist ihm versprochen worden, daß der französische   Staat sich künftig die Nebenregierung der 200 Familien nicht gefallen lassen werde. Groß sind deshalb die Erwartungen, mit denen der kleine Mann den Taten der fünftigen Links­regierung entgegensieht. Es muß gehalten werden, was ihm versprochen wurde. Der Schleier wurde gelüftet, er darf jetzt nicht wieder fallen gelassen werden. Ob es möglich n wird, das alles durch­zuführen, was man v. ich? Die französische  Linke jedenfalls steht und fällt mit ihrem Pro­gramm des Kampfes gegen die 200 Familien Frankreichs  . Jena   Delmont.

15 Prager Zeitung W

Von der Schaukel in den Kopf getroffen. Bor­gestern abends gegen 11 1hr bediente der 26jäh­rige arbeitslose Metalldrechsler Josef Vana aus Wrschowiz ein Ringelspiel auf dem Arbesplaz in Smichow  , wobei er sich so ungeschickt benahm, daß ihn eine Schaufel in den Kopf traf. Mit einer schweren Gehirnerschütterung und Rißwunden im Gesicht wurde er auf die Klinit Schloffer gebracht, jedoch auf eigenen Wunsch in häusliche Pflege über­

Wer sind diese 200 Familien? Die Wirts schaftsstruktur Frankreichs   hat von jeher starf ausgeprägte individualistische Züge, dem Staate selbst gehört nichts, nicht einmal die Banque de France  , das offizielle Geldinstitut der Dritten Republit, das unter Napoleon I.   gegründet wurde. Die Statuten der Banque de France   sagen aus drücklich, daß das Institut zwar dem öffentlichen Interesse dienen solle, daß es aber in seinen Ge­schäften und Entschlüssen frei sei. Nun, die Mit glieder des Direktoriums der Banque de France  find eben jene 200 Familien, gegen die der Pro­Tod im Abteil. Gestern früh stieg der 54jäh pagandafeldzug geführt wird. Die Mitglieder dem Masarykbahnhof in seinen Zug, hatte jedoch rige Professor Dr. Robert Gollinger aus Brüg auf der 200 Familien ihrerseits sind die Bekaum sein Abteil betreten, als er von einem plöz­jizer aller großen Trusts und lichen Unwohlsein befallen wurde und in wenigen Konzerne Frankreichs  . Also ist, so behauptet die Minuten verschied.

geben.

Propaganda, die Banque de France   nichts weiter Ein Kind wird gesucht. Anna Wolf, geb. Kozl, als das private Geldinstitut der 200 Millionäre zulegt in Prag   wohnhaft, hatte am 18. April 1928 und Milliardäre, die mit Hilfe dieses mächtigen Apparates Frankreich   beherrschen, ohne sich um die Interessen der Allgemeinheit und des Staates зи fümmern, nur besorgt um ihren eigenen

Vorteil.

in der Prager   Gebäranstalt ein Kind geboren, das auf den Namen Miloslav getauft wurde und jetzt Spurlos verschwunden ist. Das Kind ist unehelich

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von

gleich, sie bezahle einem solchen schwachen und ausgeberin sie einmal nachts aus dem Bett Holte und gehungerten Geschöpf, das zu feinen schweren Ar- ihr Dienste im Separatzimmer" zumutete, beiten tauge, feinen Heller mehr. Und da Martha denen in ihrem Arbeitsvertrag nichts stand. Damals . längere Zeit arbeitslos war, griff sie zu. Gie nannte sie den Betrieb ihrer Chefin mit dem rich­befam, zwar eine miserable Kost und mußte tros tigen Namen und flog sofort auf die Straße. Es ihrer Schwächlichkeit schwer arbeiten, aber sie tro- scheint, daß die tüchtige Wirtin sich ausgeflügelt hat, ftete sich damit, daß ein schlechter Posten immer noch daß ein in der Großstadt wenig erfahrents Mädel besser sei als gar keiner. Am nächsten Monatsersten vom Land auf solche Weise leicht um ihren Löhr zu bekam sie statt des vereinbarten Lohnes nur 50 prellen sei. In dieser Erwartung täuschte sich sich und wurde mit dem Rest auf später vertröstet. Sie zum Glück. Denn Martha K. fand Leute, die sie be­Tage sie fristlos entlassen wurde. Gestern stand sie beitsgericht ein. arbeitete weiter bis zum 27. März d. I., an welchem rieten und flagte ihre gerechte Forderung beim Ar­

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1leberflüssig zu bemerken, daß die Dienstgeberin eine große Entrüstungsszene aufführte und die Be­hauptungen der Klägerin als häßliche Erfindungen bezeichnete. Als sie aber hörte, daß Zeugen auf Sem Korridor bloß auf ihren Aufruf warteten, um die Aussagen der Hausgehilfin zu bestätigen, ließ sie sich schnell herbei, den eingeklagten Betrag amt Soften zu bezahlen. Hoffentlich wirkt diese Zefrion nach. Frb

Vorträge

hauptet, sie habe das Kind sofort beim Verlassen der und sein Vater bisher unbekannt. Die Wolf be= Gebäranſtalt zwei unbekannten Frauen Die 200 Familien, das sind die Herren der kleinen, schwächeren und einer großen stärferen einer Schwerindustrie und des Comité des Fors als eigenes übergeben und angegeben, daß sie selbst ges, die Gebrüder de Wendel, Schnei aus   Preßburg sei; doch scheint diese Erzählung nicht der Creusot, Dollfus  , Dupont; auf Wahrheit zu beruben und die Wolf wurde wegen das sind die Besizer der Petroleumgruben, der Del- des Verdachts einer strafbaren Handlung in Haft raffinerien, der Automobilindustrie, die Familien genommen. Die Polizeidirektion fordert aber jeden­ Bonnet,   Renault, Schlumberger, falls die betreffenden beiden Frauen, falls die Ge Rothschild,   Delaunay, Peugeot, schichte doch wahr sein sollte, auf, sich zu melden und Dreur; das sind die Besitzer der   französischen sichert ihnen absolute Diskretion zu. Eisenbahnen, der   Pariser Metro, des Telephons, wurde der Maurer Josef Kocian   aus Prag- Lieben Ein Arbeiter überfahren. Gestern mittags der Gas-, Wasser und Elektrizitätswerfe denn alle dieje Gesellschaften befinden sich nicht wie in den meisten anderen   europäischen Ländern in staatlichen oder städtischen Händen, sondern ge­hören eben Privatleuten. Und es sind immer wie den dieselben Namen. Die 200 Familien bejizen mehrere tausend Aufsichtsrats- und Direktoren­Posten in den verschiedenen Gesellschaften, sie sind miteinander verschwägert, sie haben ihre eigenen Klubs und geselligen Vereine, sie haben ihre Zei­tungen und Zeitschriften. Und sie haben ihre ge= meinsamen Verbindungen zur Politif. Dieser Punft ist es, den die Propaganda am stärksten hervorhebt. Die gesamte Politif des Lan­des, so heißt es, ist abhängig von den egoistischen Wünschen und Forderungen der 200 Familien, die z. B. in der Lage sind, jedem Kabinett, das ihnen nicht genehm ist, mit Hilfe der Bank von rankreich derartige Schivierigkeiten zu machen, daß das Kabinett entweder demissionieren oder sich unterwerfen muß. Leere Behauptungen? Keines­vegs. Es gibt eine ganze Reihe von Beispielen in den letzten Jahren, wo das Direktorium der Banque   de France die Finanzpläne der Regierung nicht nur zu durchkreuzen versuchte, sondern auch durchkreuzte. Flandin, der 1934 Finanzminister war, kann darüber ein Lied singen: damals gab es plötzlich Börsenbaissen und riesige Goldabflüsse der Banque   de France kurz nachdem Flandin er­klärt hatte, er könne den Deflations- und Deval­bations- Plänen der Banque   de France nicht zu­stimmen. in der Schlesischen Gasse   in Prag XII bom Auto| Arbeitsgericht und beanspruchte einerseits den rück Rechtsstudiums, in welchem drei selbständige große Es wird weiter erklärt, daß die 200 Fami- 15.258 des Franz Zeman überfahren, wobei ihm ständigen Lohn, andererseits die Bezahlung der ge- Wissensgebiete( Rechts-, Staats- and Wirtschafts­Tien, wenn auch nicht immer direkt, so doch zwei- das Chrläppchen abgerissen und die Nase gebrochen setzlichen Kündigungsfrist. fellos indirekt, an all' den hllosen Finanzsfan- wurde und er auch sonst Verlegungen im Gesicht er­dalen beteiligt waren, die seit Beendigung des litt. Er wurde auf die Klinik Jirajet gebracht. Strieges über   Frankreich hinwegbrausten. Von der Affäre Klotz angefangen über Oustric  , Hanau, Citroen bis zur Statisfy- Affäre. Tatsächlich ist erwiesen, daß gerade die von den 200 Familien fontrollierten Großbanken den Schwindlern und Epetulanten große Kredite eingeräumt hatten.

Gerichtssaal

VIM

Die undankbare Hausgehilfin

und die beleidigte Frau Chef ( Arbeitsgericht.)

Schließlich wird den 200 Familien vorges worfen, daß sie versucht hätten, eine Diktatur nach faschistischem Muster in   Frankreich vorzubereiten Brag. Die als Hausgehilfin in einem Vor­und daß sie es gewesen seien, die den Verbänden stadigasthaus aufgenommenen 23jährige Martha K. des Obersten de la Roque, der Action& ran follte nebst freier Station 130 Monatslohn be­taise, den Francisten und anderen Grup fommen, was freilich eine jämmerliche Entlohnung penjehr reichliche Subventionen gegeben hätten und ist, aber die Besizerin dieses Gasthauses erklärte ihr och gäben. Dieses lezte Argument, das ebenfalls als Klägerin in fortgejezier Berhandlung vor dem

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Um die Reform des Rechtsstudiums. Donners­tag fand im Vortragsigal des Fürsorgeministeriums ein Diskussionsabend über die Reform des Rechtsstu­diums statt, wobei die Professoren der Karls- Uni­  versität Dr. Chalupny und Dr. Svo bad a und als dritter Hauptredner Dr. Stern referier ten. Prof. C ha I up nn wies einleitend darauf hin, daß die Mängel des Rechtsstudiums, dessen Re­formbedürftigkeit schon vor 44 Jahren von feinem Geringeren als T. G. Majar yt eindringlich auf­gezeigt wurden, auch durch den vom Schulminiſte= rium ausgearbeiteten Reformentwurf. nicht bejei­tigt werden. Der Entwurf begnüge sich vielfach mit äußerlichen Aenderungen, ohne einen gründlichen Umbau der unzulänglichen Lehr- und Studienmetho den zu bringen.( Differtationsarbeit an Stelle zweier Rigorosén, praktische Uebungen, rechtsphiloso­bhisches Pflichtfolleg für: Dottoratsanwärter usw.). Prof. Chalupný betonte den Riesenumfang unseres

wissenschaft) bewältigt werden sollen. An Stelle der Die Frau Chefin, die sich bei der   ersten Ber- heutigen Einführung in dieRechtswissenschaft auf dem handlung mit Krankheit entschuldigt und die Ver- Wege der rechtshistorischen Fächer fordert Professor tagung verschuldet hatte, stellte sich zu der gestrigen Chalupný für den ersten Studienabschnitt foz i 0- Verhandlung ein und war furchtbar empört. Sie logische Einführungsfollegien, habe das undankbare Geschöpf mit Fug und Recht die den jungen Studenten mit den Grundproblemen entlassen, weil sie das Wirtshaus ihrer edlen Dienst der Gesellschaftswissenschaft vertraut machen sollen, geberin ein Bordell genannt hatte. Infolge die damit er befähigt sei, die soziologischen Funktionen jer groben Beschimpfung" sei die fristlose Entlas- des Rechtes zu erkennen. Der judizielle Studienab­fung gerechtfertigt und was den rückständigen Lohn schnitt müsse u. a. durch praktische Uebungen bei Ge­betreffe, so habe die Klägerin durch ihre ungeschick richten, Behörden usw. ergänzt werden. Die lichkeit so viel Schaden an zerbrochenem Geschirr an- techts historischen Fächer( römisches, gerichtet, daß der Rückstand als gerechter" Abzug mitteleuropäisches, Kirchenrecht usw.) sollen den Studiengang abschließen, Prof. vom Lohn anzusehen sei. Svoboda betonte demgegenüber die feiner. An­Die Klägerin gab zu, den Ausdrud Bordell" ficht nach ausschlaggebende Bedeutung der Persön gebraucht zu haben, gab aber gleichzeitig eine dra- lichkeit des akadentischen Lehrers und äußerte sich stische Schilderung von den Verhältnissen in diesem steprisch über die Auswirkungen einer formalen- Re­Lotal und erbot sich zu dem Beweis, daß die Dienst- gelung im Weg von Vorschriften. Im Gegensatz zu