stitut für Zeitungsforschang Dortmund  

Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077, HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB  . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR, KARL KERN, PRAG  .

16. Jahrgang

Sonntag, 15. November 1936

Die fällige Samstagnachmittag- Ueberraschung aus Berlin  :

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 266

England, Polen  

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Aufkündigung der internationalen Strompakte und das Dritte Reich

Pra g. Samstag nachmittags übergab der deutsche   Gesandte Dr. Eisenlohr dem Minister des Acußern Dr. Krofta cite Note der deutschen   Regierung, in der bekanntgegeben wird, daß fich Deutschland   nicht mehr genötigt sche, die Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages über die Wasserstraßen auf deutschem Gebiete anzuerkennen, und daß es die internationalen Stromakte, die sich auf den Versailler Vertrag gründen, für sich als nicht verbindlich ansehe.

Deshalb habe es sich entschlossen, mit sofortiger Gültigkeit das erst am 4. Mai d. J. über ben Rheinstrom vereinbarte Abkommen zu kündigen und das über die El be vereinbarte Abkom men nicht zu unterzeichnen. Damit entfalle die weitere Zusammenarbeit Deutschlands   in den in­ternationalen Stromkommiffionen.

Die deutsche Regierung teilt gleichzeitig ihre eigene Regelung mit, derzufolge die Schiffahrt nuf den Flußläufen auf deutschem Territorium allen Staaten freisteht, die mit Deutschland   in Frieden leben. Desgleichen werde Deutschland   die Schiffe diefer Staaten so wie die deutschen   Schiffe behandeln. Der gleiche Vorgang werde auch in Bezug auf die Gebühren eingehalten werden. Die deutsche Regierung setze allerdings voraus, daß den deutschen   Schiffen die gleiche Behandlung auf dem Territorium dieser Staaten gesichert wird. Die deutsche Regierung gibt ihren Behörden die Beifung, daß fie mit den Behörden anderer Staa­ten die Fragen gemeinsamen Interesses durchbe­raten und darüber Abkommen abschließen.

in Geltung bleiben. Weiters ist Deutschland   be­reit, die Verhandlungen über die Vermeidung der Doppelbesteuerung fortzusehen.

den Vorsitz in der zentralen Rheinkommiffion im mer Frankreich   zustehe. Auch wurde in dem Modus vivendi jeder Delegation nur eine Stimme zugesprochen, obwohl nach dem Versail: ler Vertrag Frankreich   fünf und Deutschland  nier Stimmen zählen sollte.

Die deutsch  - polnische Freundschaft, vertrags­Jahre ihres Bestandes recht brüchig geworden. mäßig auf zehn Jahre befristet, ist im dritten Was sich vollends in den letzten Tagen in Danzig  begibt und wie es in der deutschen   und in der pol­nischen Presse kommentiert wird, das erinnert schon sehr an die Tonart, die zwischen den beiden Nachbarmächten vor 1934 die sozusagen normale war. Der Danziger Polizeipräsident verbietet Paris  . Hier erklärt man die brüske Auf- polnische Zeitungen, unterdrückt das politische fündigung eines vor wenigen Monaten von Leben der polnischen Minderheit, Nazi verprü= Deutschland freiwillig abgeschlossenen Vertrages geln polnische Wiitbürger, und in Polen   revan­für unbegreiflich. Man dürfe es Frankreich   nicht chiert man sich gelegentlich an den deutschen   Mina verübeln, wenn es auf Grund dieser Erfahrungen derheiten. Die Abkühlung der deutsch  - polnischen jeder Möglichkeit direkter Verhandlungen mit Freundschaft, ja ihr Umschlagen in offene Feind­Deutschland mit Mißtrauen und Unglauben be- seligkeit, ist aber nur im Zusammenhang mit den gegne. Die französische   Regierung hat noch nicht gesamteuropäischen Verschiebungen zu verstehen Stellung genommen; in berufenen Kreisen glaubt und richtig zu bewerten. man jedoch, daß die Entscheidung ziemlich bald fallen wird.

Aehnliche Noten wurden seitens der deutschen  Vertreter an dem für Neberraschungen und Ver­tragsbrüche seitens des Dritten Reiches   nun schon einmal obligaten Samstag- Nachmittag in den Hauptstädten aller jener Staaten überreicht, die in den internationalen Stromkommiſſionen für London  . Die Meldung, daß Deutschland Rhein  , Donau  , Elbe   und Oder vertreten find, die Bestimmungen des Versailler   Friedensver­Das Rheinabkommen, wurde erst am 4. Mai trages über die Internationalität der Flüsse nicht 1936 nach langen Verhandlungen neu abge- mehr anerkennt, hat hier allgemein einen ungün­fchloffen und sollte ab 1. Jänner 1937 in Kraft stigen Eindruck hervorgerufen. In diplomatischen Das Abkommen wurde auf biret- Streifen ist man der Meinung, daß ein Einſchrei­Der bentsche Gefandte fügte mündlidje beg fchloffen und sollte das bestehende Rheinschiff Sentfchlands aum ein furioisches Broblem fmafft. trages von Barcelona   vom Jahre 1921 und des fahrts- Statut abändern. Beim Abschluß hatte Der Befchluß Deutschlands   könne. verschiedene Abkommens über die tschechoslowakischen Hafen- Frankreich bereits große Zugeständnisse Sandelsfragen tangieren, an welchen die zonen in Hamburg   und Stettin   vom Jahre 1929 gemacht, so auf die Bestimmung verzichtet, daß einzelnen Staaten interessiert sind.

treten.

Polen   war lange Jahre das beliebteste An­griffsziel des deutschen   Revisionismus. Als 1933 vention, also im Wesen einen Präventivkrieg. Sitler zur Macht kam, wollte Pilsudski   die Inter  -. Frankreich   lehnte ab. Daraufhin ging Polen   den Weg nach Berlin  . Es kam zu dem Patt, der vom Sitlersystem lange Zeit als Gipfelleistung der Staatskunst" des Führers" hingestellt wurde.

Erklärung hinzu, daß die BestimErfuchen Deutschland 8 ge- ten in Berlin   zu erwarten, ist, da das Verhalten hört, gegenüber dem Freunde in Berlin   miß

Industrieplan für Notgebiete

Ein Artikel Hodžas in der englischen Presse

werden, die Großbritannien   spielen kann. Wenn England sidh an seine Politik des allgemeinen europäischen   Ausgleiches halten wird, dann wäre es für die Staaten Mittel- und Südosteuropas  nicht schwer, Wege und Mittel nicht nur zur Besserung ihrer gegenseitigen Beziehungen, son­dern auch zu einem weiteren Schritte, nämlich zur Schaffung eines praktischen Systems der Zusam menarbeit mit den Nachbarn zu finden. Unter­deſſen aber werden wir nicht untätis mit in de Schoß gelegten Händen stehen und auf die Groß­mächte warten. Wir werden

Die Sonntagsnummer des Slovenský- ministrative Beamten anzuvertrauen, die den chod" bringt auf der ersten Seite die Uebersetzung Pangermanismus vertreten, wie dies gleich nach eines Artikels Dr. Hodžas in einem der führenden dem Kriege der Fall war, oder totalitäre Grund­Londoner Revuen World Review" unter der fäße, wie dies jezt von der Henlein  - Partei ver­Ueberschrift Die Miſſion der Tschechoslowakei fündet wird. Ein vollkommener Vissleich des und einige Worte über die Mission Groß- Bri- inneren Differenzen zwischen den deutschen   und tanniens". Darin befaßt sich Dr. Hodža mit den der übrigen Bevölkerung in der Tschechoslowaki Minderheitsproblemen der Tschechoslowakischen schen Republik kann nur nach Wiederherstellung Republik   und den Möglichkeiten der Zusammen- des Vertrauens auf dem Wege einer gegenseiti an den Plänen der regionalen wirtschaftli­arbeit der Donaustaaten. gen Uebereinstimmung und Zusammenarbeit er­chen Zusammenarbeit und der politischen In dem Artikel schreibt der Vorsitzende der zielt werden. Ebenso ist auf dem Gebiete der Befriedigung Donaueuropas arbeiten, Tschechoslowakischen Republik u. a.: Die Tschecho- Außenpolitik die Tschechoslowakei   heute wie immer slowakei   ist sowohl in ihrer Innenpolitik als auch für die Entfaltung der Politik des Friedens in so daß, sobald es in diesem Jahre zu einem euro­in der Außenpolitik für den Frieden und die Ru- Zusammenarbeit mit ihren Nachbarn. Deshalb päischen Ausgleich auf breiter Basis kommt sammenarbet zwischen den Nationen. Unser Staat will die Tschechoslowakische Republik mit dem Völ- woran wir glauben wir vorbereitet sein kön­

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Inzwischen hat man in Polen   nicht aufge= trauisch zu sein. Man weiß in Warschau  , daß es den deutschen   Machthabern schon zuzutrauen ist, daß sie Polen   in einen unüberbrückbaren Gegen= fab zu Moskau   treiben, um es dann sißen und die Rechnung bezahlen zu lassen. Man weiß, daß im Falle eines deutsch  - russischen Krieges Polen  Kriegsschauplaß und wahrscheinlich Schacherobjekt, Veute und Freiland wäre. Sobald sich eine Mög­lichkeit zeigte, die fragwürdige Sicherheit, die hitler   bietet, durch eine greifbare militärische Sicherheit gegen Hitler   zu erreichen, war Polen  nicht abgeneigt, das Band zwischen Warschau   und Berlin   zu durchschneiden.

Warschau  , die Erwiderung des Besuches durch Die Reise des Marschalls Gamelin   nach Rydz- Smigly   in Paris  , das erhöhte Inter­esse Frankreichs   an Mitteleuropa   und dem Often, die deutlichen Annäherungsversuche Rußlands  haben die Wendung vorbereitet. Zunächst schien aber der Leiter der polnischen Außenpolitik, Oberst Be c, auf der Berliner   Linie bleiben zu tvollen. Nun haben die Reise Becks nach London  , der festliche Empfang, der ihm zuteil wurde, die englischen und polnischen Pressestim men zu dem Besuch und all das im gleichen im die Behauptul­und es besteht deshalb kein Grund, weshalb ver- tente, seinen Nachbarn im Donaubecken und ren lokalen Problemlösungen zu applizieren, die nische Kampf wieder aufflammt, nünftige Wünsche und Aspirationen aller Teile überhaupt mit allen Nationen guten Willens zu auf unserem Teil Europas   lasten. Wenn deshalb gen von der unbedingten Ergebenheit Becks für der Bevölkerung nicht durch normale Mittel ver- sammen arbeiten. Der Ausgleich der Differenzen jemand von der europäischen   Mission der Tsches Berlin widerlegt. Beck mag vielleicht noch immer wirklicht werden sollten. Im Auslande wird über zwischen der Tschechoslowakei   und Deutschland   choslowakischen Republik sprechen wollte, dann den Granzosen grollen, um so mehr läßt er sich das Problem der Deutschen   in der Tschechoslo- würde ungemein erleichtert, wenn bei der Lo- würde ich sagen, daß diese Mission aus deren die Sorge uin die Freundschaft Britanniens an­wakei viel gesprochen. Sie beschweren sich, daß carno- Konferenz ein englisch  - französisch- deutsches innerer Entwicklung, aus deren demokratischer Art gelegen sein. sich die Regierung nicht bemühe, einen Ausweg Einvernehmen sich ergeben würde, denn es ist des Ausgleiches politischer, rassenmäßiger und Daß England sich Polens   annimmt, aus der Krise der Industriezweige zu finden, selbstverständlich, daß die Beseitigung der Hinder wirtschaftlicher Problems in der Richtung des stellt tatsächlich eine ganz neue Phase der. die in den von Deutschen   dicht besiedelten Gegen- nisse der französisch- deutschen Verständigung auch Friedens und der Konsolidierung in Mittel- und britischen Politik dar. England hat den einen großen wirtschaftlichen und sozialen die Beseitigung der Hindernisse für die deutsch  - Südosteuropa   erfließen muß. Sie kann nur ein die Gründung des polnischen Staates seinerzeit Fattor darstellten. Es ist wahr, wir haben große tschechoslowakische Verständigung bedeuten würde Teil der breiteren Mission der ganzeuropäischen nicht gerade mit Leidenschaft betrieben. Es war Schwierigkeiten in jenen Industriezweigen, die Bei allen diesen Hoffnungen und Perspektiven Pazifizierung sein, die durchzuführen Großbritan- auf Polen   nie sehr gut zu sprechen. Ob Lloyd einstmals in großem Maße für den Export arbei- kann nicht start genug die große Rolle betont nien auf sich genommen hat. Georges, ob Macdonald, ob Baldwin regierte. teten. In der jeßigen Krise tann man diese man weigerte sich die Grenzen Polens   zu garan­Schwierigteiten ganz gut mit jenen vergleichen, tieren, dem überdimensionierten und innerlich die Großbritannien   in den sogenannten betrof=' wenig geordneten Staatswesen finanziell und fenen Bezirken durchmacht. politisch langfristige und hohe Kredite zu ge währen.

Die schechoslowakische Regierung arbeitet an einem Industrieplan für diese Gegenden und bereitet einen Plan für die Gewährung von Hilfe, und zwar durch Sonderkredite und Refun­dierung der Steuern vor. Was die Sprachenfragen in der Tschechoslowakei   betrifft, wird allgemein anerkannt, daß die Deutschen   verhältnismäßig eben so viel Schulen, Klassen und Lehrkräfte ha­ben, wie es ihrer verhältnismäßigen Zahl ent­spricht.

Die deutschen   Staatsbeamten und Soldaten erfüllen ihre Pflichten zur Republik   sehr zu­friebenstellend

und die Mehrzahl der deutschen   Bevölkerung ist dem Staate gegenüber loyal. Es ist allerdings leicht begreiflich, daß der Staat zögert, die Ab­

Heftiges Artillerieduell

Madrid. Das Artilleriegefecht zwischen den Aufständischen und den Regierungstruppen dauerte den ganzen Samstag an. Auch in der Luft wurden erbitterte Kämpfe geführt. Fünf Flugzeuge der Aufständischen wurden abgeschoffen.

Der Escorial   befindet sich immer noch in der Gewalt der Regierungstruppen. Den Aufständischen ist es nicht gelungen, den Fluß Manzanares zu überschreiten. Die Cindad ver­teidigenden Regierungstruppen haben einen Angriff eröffnet und gewinnen Boden.. Die Bevölkerung Madrids   ist ruhig.

Der Vorsitzende der Ma rider Regierung Largo Caballero   besuchte am Freitag die Stellungen der Regierungstruppen in Ciempoze­los, Aranjuez  , Sefſena und ander. Er sprach an fämtlichen Frontabschnitten mit den Offizieren des Kommandos und wurde überall begeistert begrüßt.

Das plößlich auftauchende Interesse der Briten   für Polen   und den Ostpakt beweist nicht nur die steigende Aktivität der britischen   Politif überhaupt, die parallel mit der Aufrüstung der englischen   Wehrmacht   geht, sondern auch einc neue Beurteilung der Situation im Osten über­haupt. London   löst sich von der Auffassung, als fönne man einer allgemeinen Konflagration am Teichtesten ausweichen, wenn man an die Pro­bleme des nahen Ostens nicht rührt und sich aus allen hier entstehenden Verwicklungen heraushält. Nach einer Rundfunkmeldung der Regierung Man beginnt einzusehen, daß gerade diese Hal­find 600 aufständische Soldaten zu den Regie- tung Hitlers Kriegslust nährt und daß ein rungstruppen übergelaufen. Die Ueberläufer er- Kriegim Osten ja doch in einen allge­flärten, daß sie nicht mehr das Kanonenfutter| meinen Weltkrieg ausarten abgeben wollen. würde. Man hat sich darum den Russen wieder

Die es schon satt haben...