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Er will ihr helfen den Todten vom Wagen heben. Nein, laß! I will ihn selber h'neintragen!" Jst er Dir nit 3' schwer?"

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,, Ach Gott, er ist ja so leicht! Wenn D' so gut sein willst und fürs Pferd sorgen dös arm Thier ist müd. Dort' rum geht's in Stallnimm auch die Geiß mit, auf die hat er fich so g'freut!"

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Der Bursch thut, wie sie ihm geheißen. Sie hebt den Leichnam vom Wagen: Komm, mei Brüderl, mei arm's!" flüstert sie zärtlich und trägt ihn hinein. In der Wohnstube, wo zuletzt des Vaters Bahre gestanden, legt sie ihn nieder. Dann geht sie hinauf und holt alles, was nothwendig ist, herunter, um ihn aufzubahren. Seit sie nicht mehr allein ist, weint sie nicht mehr, das ist ihre alte, stolze und keusche Art, sich vor andern zusammen zu nehmen. Schnell ist das armselige Paradebett gemacht und sie lagert den Todten darauf. Wie hatte sie gehofft, daß es ihm gut thun würde, sich aus­strecken zu können nach der beschwerlichen Fahrt, jetzt liegt er da und! Ach Gott, wie schön er aussieht, als ob er schlafen that', so ruhig und friedlich!"

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Der junge Haberer ist indeffen wieder hereingekommen und steht in andächtiger Bewunderung vor der Leiche: Wie a Heiligenbild!"

" Ja, so war er auch im Leben," flüsterte Wiltraud und füßt die kleinen, abgezehrten Hände des Toten.

Jezt jag', was tann i Dir thun? Wir Haberer müss'n uns doch untereinand' beistehen. Und i bin ja froh, wenn i dös von heut mittag guat machen darf! Der Wirth hat g'sagt, alles soll i Dir z'lieb thun.- Soll i Dir ins Ort gehu und d' Leich ansag'n?"

Nein i dank Dir. Du weißt nit wie neugierig und schadenfroh d' Leut' sind. Da tämen f' alle zum Beten und zum Ausfrag'n und schau, heut könnt' i dös nimmer vertrag'n, es ist z'viel, was i ausg'halten hab'."

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glaub' Dir's gern, arme Seel'!" Wie Du mi dauerst, dös ist nit zum fag'n. Aber' m Doktor müss'n wir's doch melden, wegen der Leichenschau!"

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" Ja, aber sonst niemand!"

" Nein, g'wiß nit."

Du, hör' und noch was!" ruft Wiliraud ihm nach. " Ja!"

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Wie heißt denn, daß ma Dich doch anreden kann?" " Balthasar heiß' i aber zum Haberernamen Steub." " Da nimm was und geh' und kauf' Dir a Bier und a Broti hab' ja nix daheim."

" Ja, was denkst denn! Meinst a Haberer wird was von Dir annehme, Ihr habt scho g'nuag für uns' than, Du und Dei Bruder! weiß alles vom Wirth. Aber i will Dir was holen, denn Du mußt aa leben."

Um Gottes willen nit. I melt' nachher die Geiß, muß ja doch g'schehen. Geh nur, i dank' Dir."

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Da mahnt eine bekannte Stimme aus dem Stall, das treue, vergessene Thier will das Recht seiner Stunde. Ja, du arm's Thierl. I soll dich nit so verachten weil er dich nimmer braucht! Wenn er noch g'lebt hätt', wie froh wären wir jetzt um dich." Wiltraud geht hinaus und die Aus­übung ihrer fleinen, gewohnten Pflichten stört in dem Kinde der Natur nicht die leuchtenden Kreise, die jene Offenbarungen an der Leiche des Bruders um sie gezogen. ( Fortfehung folgt.)

Don der

Brüffeler Welt- Austellung.

zunehmen.

III.

Brüssel, den 12. Mai 1897. Endlich ist die Ausstellung nun auch offiziell ins Dasein ge­treten, nachdem sie über 14 Tage lang eine nicht gerade rühmliche, unoffizielle Existenz gefristet hat. Für ihren Ruf wäre es entschieden besser gewesen, wenn sie diese 14 Tage lang ihre Pforten noch ge fchloffen gehalten hätte, aber eine bedeutende Konventionalstrafe stand auf dem Epiele, und so glaubte die Ausstellungsleitung es ihrem Geldbeutel schuldig zu sein, die Eröffnung rechtzeitig vor­Der Gesichtspunkt des Geldbeutels ist heutzutage ja überall der ausschlaggebende und so tann man es der Ausstellungsleitung schließlich nicht allzu sehr verargen, daß sie sich von diesem Gesichts­puntte leiten ließ. Weiß man doch von der Berliner   Gewerbe­Ausstellung her, wie schwierig es nachher bei einem etwaigen Defizit wird, von den Garantiefonds Zeichnern die geschuldeten Summen herauszubekommen. Vorher, in der Hurrabstimmung, und in der Hoffnung auf einen fetten Verdienst, sind die Herren ja mit dem Zeichnen verhältnißmäßig leicht bei der Hand, wenn aber nachher der Rausch verflogen und der Kater da ist, dann machen sie beim Zahlen die erdenklichsten Schwierigkeiten.

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Man muß anerkennen, daß die Ausstellung in den verflossenen 14 Tagen in recht erfreulicher Weise gefördert worden ist und daß man jetzt einen Ueberblick über das, was sie vorstellt und leistet, gewinnen kann. Wenn man ein zusammenfaffendes Urtheil abgeben will, so wird man sagen müssen, daß die Brüsseler Weltausstellung nicht gerade eine besonders große, durch gewaltige Ausdehnung und gewaltige Leistungen imponirende Ausstellung ist, daß sie aber in den Grenzen, die sie sich gesteckt hat, eine recht lobenswerthe Leistung darstellt. Man darf bei dieser Beurtheilung nie vergessen, daß die in drei Jahren bevorstehende Jahrhundert- Ausstellung in Paris  bereits ihre Schatten vorauswirft und nicht nur das Interesse Frankreichs  , sondern auch das der nichtfranzösischen Länder jett in hohem Grade absorbirt. Zweifellos hat eine nicht unbedeutende Anzahl von Ausstellern und zum theil werden das nicht die von der Betheiligung an der Brüsseler schlechtesten sein- Weltausstellung nur deshalb abgesehen, weil sie 1900 in Paris   auszustellen gedenken und ihnen die Beschickung Aweier Ausstellungen innerhalb einer so furzen Zeit des Guten zu viel schien. Ferner muß man bedenken, daß Belgien  dös wenn auch ein außerordentlich hoch entwickeltes, so doch sehr fleines Land ist es ist nur wenig größer und bevölkerter, Als sie allein ist, holt sie aus dem Schrank die ge- als die preußische Rheinproving und daß Brüssel   zwar eine sehr weihten Kerzen, die an ihres Vaters Leiche gebrannt und bedeutende, schöne und vom Fremdenstrom fehr bevorzugte Stadt, die sie sorgfältig verwahrt hatte. Die zündet sie an. Auch wägungen entsprechend seine Erwartungen nicht zu hoch spannt, so aber immerhin doch keine Millionenstadt ist. Wenn man diesen Er. aber das ist leider in der Weihwasser will sie aufstellen Der Haupttheil der Ausstellung die Zweitheilung haben Langen Zeit eingetrocknet, alle Weihwasser- Tröglein sind leer. wird man durch das Gebotene befriedigt werden. Was thun? Soll sie noch in die Kirche und eins holen? wir bereits erwähnt befindet sich im Part und speziell im Schloß Aber es ist zu spät, die Kirche ist jetzt bereits geschlossen. Es Cinquantenaire. Der Parc du Cinquantenaire ist ein etwa muß doch jetzt schon Gebetläuten vorüber sein. Sie sicht 36 Settar umfassendes Gelände, das in einem öftlichen Vororte von nach der Wanduhr--die steht natürlich. Als sie voriges Brüffel, namens Etterbeek  , gelegen und durch elektrische Straßen­Jahr hier bei der Leiche des Vaters wachte, da hatte sie ihren bahnen mit dem Innern der Stadt verbunden ist; die Entfernung Bruder zum Trost, der sie mit seiner Treue und Liebe umgab. vom Mittelpunkte der Stadt beträgt etwa 3/4 Stunde. Wenn man das Eintrittsgeld von 1 Fr. entrichtet hat und Sein füßes, liebes Gesicht lächelte sie an, sogar fein leises durch die Schranken das Ausstellungsgelände betritt, hat man ein Hüfteln mahnte sie, daß noch eine heilige Pflicht sie an das mit Gartenanlagen und verhältnißmäßig jungen Bäumen besetztes Leben bände. Jekt liegt auch dies freundliche Antlig mit ge- Quadrat von etwa 350 Meter Durchmeier vor sich, daß in der schlossenen Augen da, jetzt fintt auch die legte Pflicht für Ausstellungssprache den offiziellen Titel die Gärten" führt. Diese Gärten ein geliebtes Wesen ins Grab- jetzt hält sie ganz allein scheinen jedoch der schwächste Punkt der Ausstellung zu sein. Die die Todtenwacht und alles, was ihr gehörte, ist dahin! Sie gärtnerischen Anlagen, die man hier geschaffen hat, find ja zweifellos geht hinaus in das verwilderte Gärtlein hinter dem Haus recht hübsch und auch manche botanischen Seltenheiten mögen hier und holt Blumen für den Todten. Ja, der Steub hatte recht, ihren Platz gefunden haben. Aber das Ganze wirkt zu eintönig, ist er liegt da wie ein Engel. Unschuld und Reinheit breiten die übersichtlich, möchte ich sagen. Es fehlt an alten Bäumen und Sträuchern. Da ist kein lauschiges Plätzchen, auf das man sich weißen Fittiche über seine Stirn aus, und der Strauß von zurückziehen könnte, um das müde Auge ausruhen und es sich an weißen Blumen, den sie ihm bindet, ist wie die Opfergabe auf dem Grün des Laubes erfreuen zu lassen. Bon jedem Punkte aus einem Altar! Es ist wunderbar, wie ihre Seele immer mehr überneht man vollständig das ganze Ausstellungsgelände. in seinem Anschauen hinausgehoben wird, über den irdischen Schmerz. Mit feinem Wehschrei, mit keiner Thräne würde sie mehr wagen, den heiligen Frieden zu stören, der dieses Bild verklärt. Ahnungsvoll wogt es, ihr selbst faum ver­ständlich, in der Brust des Mädchens und die Liebe des todten Bruders steht jetzt lächelnd neben ihr, wie einst der Lebende bei ihr gestanden, nnd giebt ihrer Seele die höchste Weihe.

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Direkt vor sich, am Ende des Gartenquadrats, hat der Ein tretende die imposante Front des Hauptgebäudes der Ausstellung. Rechts und links sind an das Hauptgebäude, in dem architektonischen ein Gebäude von ganz gewaltiger Ausdehnung vor sich liegen sieht. Stile desselben, zwei Gallerien angebaut worden, sodaß der Beschauer Bon den Gallerien aus führen in senkrechter Richtung und parallel mit einander, die beiden Seiten des Gartenquadrats, rechts und links vom Beschauer, bildend, zwei Straßen, die mit den Nebengebäuden