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Teßmer war über die plötzliche Wendung, die das Ge- Jüber das Dienstbotenelend in unseren Tagen zu jammern brauchen. Es ist spräch genommen hatte, nicht wenig erstaunt. etwas Herrliches um solche hochinteressante Hofgeschichte. Des Tages

Auch Nessel fühlte, daß er zu weit gegangen war. Aber Einerlei schwindet und die empfindsame Frauenfeele, der der poli seit einigen Tagen war sein Entschluß gefaßt; er wollte nichttische Kampf verhaßt ist, die treu zu Haus und Herd schwört, darf länger den gutbezahlten Söldner Teßmer's spielen, sondern sich zu Höhen aufschwingen, die sie sonst nur mit sehnsüchtiger Ver­Hedwig's Hand oder seinen Abschied fordern.

Als Teßmer schwieg, fuhr Nefsel fort. Sie wissen, Herr Teßmer, wie sehr ich Ihnen ergeben bin, aber Sie werden es mir nicht verdenken können, daß ich auch meine Zukunft nicht ganz aus den Augen lasse.

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Allein es scheint, als wäre in unseren rauhen, kampferfüllten Beiten fein rechter Platz mehr für die füße, romantische Schwärmerei. Es giebt einen widerborstigen Gesellen, er fann auch mitunter überaus milde und gefügig der nennt sich den offiziösen Telegraphen; und " Ich verstehe Sie nicht recht, Herr Doktor! Womit sind besagter Telegraph will mit seinem Brummbaß alle schönen Sie unzufrieden? Ich weiß Ihre Ergebenheit und ihre Dienste Töne zerstören. Er will keine Sentimentalität gelten laffen und be wohl zu würdigen. Und über eine materielle Aufbeffe- eichnet das ganze Gerede als unsinnige Erfindung. Er wahrt den Ferdinand von Este energisch vor jedem Verdacht, eine Mesalliance" abgeschlossen zu haben, und giebt entrüftet fund, wo der Fürst überall in den letzten Wochen sich aufgehalten habe. Und es wäre doch für Weiber beiderlei Geschlechts himmlisch süß gewesen, gefühlvoll in dem Gedanken zu schwelgen, wie die Liebe alle Unter­schiede aufhebt zwischen Thron und Hütte.

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Berzeihen Sie, Herr Teßnier," fiel ihm Nefsel ins Wort, aber Sie scheinen mich thatsächlich nicht zu verstehen. Ich bin mit meiner materiellen Lage nicht unzufrieden, sondern mit meiner sozialen. Um furz zu sein, ich möchte nicht nur weiterhin der Gast, sondern ein Angehöriger Ihres Hauses sein; nicht aus Ehrgeiz, nicht aus Eigennuß, sondern aus Liebe zu Ihrem Fräulein Tochter Hedwig. Ich rechne auf Ihre Nachsicht, wenn ich die Kühnheit habe, hiermit um ihre Hand zu bitten."

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Obwohl der Antrag für Teßmer nichts Ueberraschendes hatte, war er doch einigermaßen in Verlegenheit um eine Antwort. Neffel's Verlangen war in seinen Augen eine toloffale Frechheit. Der Gedanke, seine Tochter an einen Habenichts zu verheirathen, schien ihm einfach lächerlich. Dennoch konnte er Nefsel nicht kurzer Hand abweisen. Gerade jetzt brauchte er ihn nöthiger als je, und das wußte dieser Schuft wahrschein­lich nur zu gut. Borläufig hieß es, ihn hinhalten.

Ich bin sprachlos, Herr Doktor! Sie werden sich denken tönnen, daß ich Ihren Antrag, dem ich für meine Person sehr wohlwollend gegenüberstehe, doch nicht klipp und klar be­antworten faun, ohne vorher eine Frage an Sie zu richten. Weiß Hedwig etwas von Ihrem Vorhaben und haben Sie ihre Einwilligung?"

Auf beide Fragen muß ich mit Nein!" antworten. Aber laffen Sie mich offen sein, ich liebe nicht das Aufragen an der unrechten Stelle. Und da ich weiß, daß Sie und nicht Frau­lein Hedwig das entscheidende Wort zu sprechen haben, ersparte ich mir den Umweg."

Jom Fortsetzung folgt.)

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Sonntagsplanderei.

Noch ist in der deutschen Bürgerschaft der alte Hang zur Romantik lebendig; und wenn der romantische Schimmer erst auf ein gefürftetes Haupt fällt, dann weiß der bravste Biedermann, der sonst nicht über seines Gäßchens Enge zu blicken gewohnt, teine wohlthätigere Sensation.

Schwer indessen reißt sich das deutsche Gemüth von edler Romantit los. Der offiziöse Telegraph mag bestreiten, was er wolle; so leicht läßt sich Aachen   nicht seinen neuen Ruhm rauben. Nachen glaubt, was es glaubt; und die Journale, deren Lebensberuf es ist, ihre Lefer mit nebelhaft verschleierten Sensationen zu füttern, senden ihre findigsten Reporter nach Aachen  , um dort hin- und herzuhorchen, nach Geheimnissen" zu schnüffeln und die intimsten Einzelheiten aus den Lebensschicksalen des Fräuleins Hüßmann der lauschenden Menge als wichtige Dokumente zu verkünden. Hätte ein Entdecker eine entscheidende Thatsache gefunden; ständen im Staatsleben die wichtigsten Veränderungen bevor; gälte es einen harten Kampf, um ein Stück gesellschaftlicher Freiheit vor begehrlichem Hochmuth zu wehren: was hätte das viel zu befagen? Aber eine pitante, hoch­herrschaftliche Liebes- und Heirathsaffäre, das ist von ganz anderer, erregender Kraft,

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Im Zeitalter des Dampfes und der Eisenbahnen, die jetzt leider bei gehäuften Unglücksfällen zu so mannigfacher Er­örterung Anlaß geben, ift in gewissen Kreifen die Luft am spannend mysteriösen Vorfall burchaus nicht geringer geworden. Wenn nun gar etwas mit höfifchen Dingen zufammenhängt, da giebt es des Getuschels und der ge­heimnißvollen Andeutungen kein Ende. So tommen denn auch die Gemüther über den Aachener Fall, der für sie ein Stück geheinmiß­reicher Poesie im dürren Alltagsdafein bedeutet, nicht zur Ruhe. Das hat der offiziöse Telegraph davon, daß er so manchen Tag über Lügen eifrig brütete: nun glaubt ihm auch die gutgefinnte Bürgerschaft nicht mehr, felbst wenn er das Gerede über eine erlauchte Persönlichkeit in seiner Nichtigkeit darstellen will. Fürst Este aber, der Prinz, der mit seiner frånkelnden Lunge von Kurort zu Kurort wandert und mit seinem wienerischen Dugendgesicht und seinen wienerischen Coteletten so durchaus nicht den Eindruck des abenteuer­luftigen Draufgängers macht, der mit feckem Saz höfifche Konvention überspränge, muß es sich gefallen lassen, weiterhin als Mittelpunkt für die aufgeftachelte Neugier des Philifteriums zu gelten. Dies Philisterium besteht einmal auf seinem romantischen Schein. An und für sich ist es gewiß fleinlich, sich über gewiffe Dinge den Kopf zu zerbrechen. Der gewichtige Ernst aber, mit dem das Aachener Spektakelstück untersucht wird, der glühende Eifer so vieler Beitungen, die durch fenfationellen Kram ihre Leser vom Wesent lichen abbringen, find ein Beispiel mehr für die Altweibermanier, die noch tief in der Bürgerschaft wurzelt. Wenu Aachen die Er regung nicht verwindet, nun gut! Aachen  , das sonst friedlich dahinschlummert, hat eben einmal sein Ereigniß. Wenn die Wiener   Bezirksmeier ihre dicen Röpfe besorgt hin und her Schütteln, man so tann denken: diese Köpfe waren um nie recht berühmt; und wenn diese ihres Inhalts willen Leute schon in Unterthänigfeit ersterben, so möchten sie doch wenigstens zu Gnaden und ganz ergebenft wissen, ob ihr fünftiger Regent wirklich so etwas wie eine Mißheirath gethan habe und ob er dann allenfalls der Thronfolge entfagen müsse oder nicht. In­Wer diefen Prinzen in Berlin   fah, als er hier an Hoffeftlich- deffen fann unser Philifterium ebenfalls nicht feine ungestörte feiten theilnahm, der hätte es gewiß nicht geglaubt, daß dieser Gemüthsruhe wiedererlangen. Der ganze liebe Sprichwörterschahz Mann später einmal die Gelüfte der guten Bürger in wird herbeigezogen. Was ein Dementi des offiziösen Telegraphen Deutschland  , fich an romanhaften Geheimnissen zu berauschen, bedeutet, das tennt zur genüge." Wo Rauch ift, Aus Nichts wird nichts und es befriedigen sollte. Bom blendenden Herrscherthum, von be- muß auch Feuer fein." was Ein muß doch an der Sache sein." Das Blaue Dom feuerter Jugendlichkeit war gewiß nichts zu entdecken. wienerischer Kopf, wie einer vom Dugend, ein wienerisches Himmel fann man nicht herunterlagen", und was dergleichen Redens Bärtchen und dazu das stereotype Lächeln, wodurch hohe Herren arten mehr find.

Es ist lomisch, die Gefchäftigkeit zu belauschen, in die dann felbft die dürftigste Phantasie verfällt. Was nämlich in höheren Sphären pafsirt, das erfüllt die allzeit ergebenen und demüthigen Gemüther stets noch mit geheimnißvollen Schauern.

So ist das alte, fromme, stille Aachen   plöglich in eine Stätte unruhvoller Erregung verwandelt. In den Mauern der mittel­alterlichen Krönungsstadt hat sich ein Wunder, ein leibhastiges Wunder zugetragen. Ein Prinz aus fernem Often war erschienen; all seinen fürstlichen Glanz hat er von fich gethan und ein be scheidenes Aschenbrödel, ein blondes Aachener Gretchen hat er zu sich erhoben. Welcher Ruhm, welche Gnade für die ganze Aachener Stadt! Der Prinz aus dem Often heißt Franz Ferdinand   und galt als der muthmaßliche Thronfolger von Desterreich.

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bem niederen Bolt die Herablaffung beweisen wollen. Und Für die Geheimnißspäher und Phantaften eine höchst will­just dieser Prinz sollte zum Helden einer romantisch- verklärten fommene Angelegenheit, die durch eine neue Nachricht noch ver Liebes- und Ehegeschichte werden! Er habe, hieß es, um die wickelter wird. Danach sei das verschwundene Aachener Mädchen Schwester des Euchreftehändlers Hußmann geworben und sei höchst prosaisch einem Schwindler, vielleicht einem Verbrecher und mit ihr heimlich in London   getraut worden. Welche Fülle von Mädchenhändler ins Garu gelaufen, einem falschen Prinzen aus dem geschichtlichen Erinnerungen mag da in den Köpfen der Aachener   Often. Es gab falsche Kronprätendenteu genug, warum sollte e und ihrer Seelenverwandten im übrigen Deutschland   wach geworden nicht einen Falschspieler geben, der auf Mädchenraub ausging? Bei der fein? Da war einmal die Philippine Welferin und die schöne Durchschnittserscheinung des echten Franz Ferdinand   fonnte es einem Agnes Bernauer  ; und nun sollte ein Aachener Kind in die ftolze Sochstapler nicht allzu schwer werden, den falschen Prinzen zu Namensliste fürstlicher Frauen aufgenommen werden! Welches martiren. Man braucht dazu weiter nur zu bedenken, wie leicht in Entzücken für jedes lokalpatriotische Aachener   Herz! Und welcher deutschen Bürgerkreisen der flare Berstand der Leute benebelt wird, bankbare Stoff für die deutschen Bürgerfrauen insgemein, die sich wenn ein hochmögender und vollends ein gefürsteter Herr sich ihnen wieder an etwas Hohem ergößen dürfen und nicht mehr untereinander vertraulich naht. Haben wir nicht alle in Gerichtsprozessen gegen