Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 146.

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Donnerstag, den 28. Juli.

( Nachdruck verboten.)

Um die Freiheit.

1898

Wehrgängen wich einer erwartungsvollen Stille. Auf dem Brühl   traten die obersten Hauptleute zusammen und einige Minuten später näherten sich drei Personen, von denen die eine ein Trommelschläger war, die andere eine Fahne trug,

Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauernfriege 1525. dem Thor  . Sie begleiteten einen Mann in schwarzem Pfarr­

Von Robert Schweichel.  

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fleide, über welches ein Panzer geschnallt war. An der Seite trug er ein Schwert und seine Kopfbedeckung bestand aus ,, Aber der Uebereifer der Untergebenen thut dem An- einem schwarzen Schlapphute mit einer rothen Feder.t sehen der Regierung mehr Abbruch, als die feindselige Ge- Sie schicken uns einen Unterhändler," rief Erasmus sinnung der Unterthanen," antwortete Erasmus von Muslor. von Muslor. Eilet zum Röderthor, lieber Adelsheim  , Ihr Der Faulthurm lag so ziemlich in der Mitte zwischen habet jüngere Beine wie wir. Wir folgen so schnell wir dem Röderthor und der Ecke, die der weitvorspringende fönnen." Er sagte letteres, indem er schon mit seinen Be­Rappenzipfel bildete. Er war der stärkste und höchste von gleitern die Thurmtreppen hinunterzuſteigen begann. Noch den neunundzwanzig Thürmen, welche die Stadtmauer zwischen unterwegs hörten sie die Trommel rühren, und eine mächtige fich faßten. Manch unheimliche Sage war von ihm im Schwange, Lunge über den Festungsgraben das Verlangen nach dem und wie man sich erzählte, sollten in dem tiefen Verließ unter ersten Bürgermeister herüberschreien. Ein Glück, daß die der Erde   Spieße emporstarren, in die man durch eine Mauern unserer Stadt stärker sind als die von Jericho  , der Fallthür die Verbrecher stürzte. Andere wollten wissen, daß Sterl würde sie sonst umschreien," scherzte Herr Erasmus. das Verließ eine eiserne Jungfrau beherberge, welche den Einen Stich aber gab es ihm, als er die Stimme des Ritters Opfern den Kopf abschnitt. Die Staatsgefängnisse, in denen von Menzingen die Frage von der Thorbastei zurückrufen hörte, u. a. Rothenburgs berühmtester Bürgermeister Heinrich Toppler   was das Begehren des Parlamentärs an den Bürgermeister den eifersüchtigen Argwohn der Patrizier mit dem Hungertode sei? Der sonst so schweigsame Stadthauptmann von Adels­entgelten mußte, lagen unter dem Rathhause. heim verwies ihm mit scharfen Worten seine Einmischung in Dinge, die ihn nichts angingen und rief hinunter, daß Se. Gnaden sogleich erscheinen würde. Stephan von Menzingen schlug zornig an sein Schwert und Adolf von Adelsheim entgegnete talt: Ich stehe Euch zu Diensten, wann und wo hr's begehrt."

Albrecht von Adelsheim erwartete bereits seinen fünftigen Schwiegervater und dessen Begleiter auf dem Gudaus des Faulthurms, von wo man die Felder und Forsten der Hoch­ebene weit überschaute. Die Bauern zogen so nahe an der Stadt hin, daß es deutlich war, daß sie sich feines Angriffes bon dieser versahen. Der Stadthauptmann an Das Erscheinen des Bürgermeisters schied die Streitenden. riß in ohnmächtiger Wuth an seinem Schnurrbart; Der Stadthauptmann verkündete es dem Unterhändler, der empfand es als einen Spott der Bauern, die ein noch junges Gesicht mit einer auffallend großen Nase, die in Fähnchen geordnet waren und deren Vor- und Nachhut so knöchern wie seine lange Gestalt war, zur Bastei empor­aus wohlgerüsteten Reitern bestand. Von den Fähnlein war wendete.

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nur ein Theil mit Feuerwaffen versehen, ein anderer mit Er rief: Der christliche Bruderbund der Rothenburger  Armbrüsten, die Mehrzahl war mit Spießen, deren langen, Bauernschaft sendet mich, von der Stadt zu begehren frei biegsamen Spizen kaum ein Panzer widerstand, mit auf- Geleit für seine Gesandten auf den morgenden Tag in der gerichteten Sensen und igelartigen Dreschflegeln versehen. Früh."

Ihnen nach wurden auf einer Reihe von Wagen die Hacken- Zu was Zwed?" büchsen und Faltonettlein geführt, welche die Bauern von den ,, Um in Güte zu verhandeln und abzuthun in christlicher Landthürmen genommen hatten. Neben den mit vier, sechs Liebe der Bauernschaft Beschwerden." Jumbo and und selbst acht Pferden bespannten Wagen, die tiefe Ge- ,, Und gelobt Ihr," fragte Herr Erasmus von Neuem, leise in den Boden schnitten, schleppten sich Weiber mit daß Euere Boten sich friedlich halten, so ihnen die Stadt für Pfannen, Kesseln, Töpfen und Lebensmitteln. Jedes Fähn- morgen gewährt, frei ein- und auszureiten in Wehr und lein hatte ſein besonderes fleines Banner, wie seine Waffen?" eigenen Pfeifer und Trommler. Hoch über allen den glitzernden ch gelob' es im Namen des Rothenburger   Haufens." Speeren und Sensen flatterte das Hauptbanner des Haufens. Erasmus von Muslor warf einen fragenden Blick auf seinen Es war braun, gelb und grün, gleich der Farbe des Acker- Amtsgenossen und da dieser nickte, so rief er hinunter: So feldes, und darauf eine dreizackige Gabel und ein Dreschflegel sollen den Boten morgen die Stadtthore geöffnet sein um in Form eines Andreaskreuzes über einander gelegt. Das sieben Uhr in der Frühel!" Herzschild zeigte eine Pflugschaar, unter der ein Bundschuh Damit verließen er und seine Begleiter die Röderbastei. hervorragte. Alle Fahnen waren von dem Beutegeld ange- Das Heer der Bauern setzte sich wieder in Bewegung, jekt schafft, das Fritz Wölfner aus Nortenburg verwaltete. Er unter Trommelschall und Pfeifentlang und begleitet von lauten ritt an der Spike des Zuges mit den obersten Hauptleuten, Burufen der Rothenburger auf den Mauern. Es zog nach unter denen einer auf einem Eisenschimmel durch seine Größe dem drei Viertel Stunden entfernten Dorfe Neusit, welches auffiel. Den Herren auf dem Faulthurm war er fremd; ihnen eine feste Stellung bot. Denn das Dorf lag an einer unter den Leuten jedoch, deren Köpfe dicht bei dicht über die Stadtmauer lugten, lief es von Munde zu Munde: Schau, der lange Lienhart!"

Albrecht von Adelsheim schätzte die Bewaffneten auf 2000 Mann. Der Eindruck, den sie machten, war um so tiefer, als Pfeifer und Trommler ihr Spiel nicht rührten, fein Lärmen und Singen in den Reihen sich vernehmen ließ, sondern sie in einem feierlichen Ernst zogen." Seltsam," wiegte Herr Erasmus den Kopf, der Werniger schrieb von 4000, die zu Reichardtsrode beisammen wären. Mehr noch erstaunt es mich, daß er, der doch so gut unterrichtet scheint, uns von diesem Zuge und seinem Ziel nichts vermeldet hat."

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Anhöhe, die von dem besonders festen Kirchhof gekrönt wurde, und gewährte den Bauern den doppelten Vortheil, nicht nur Rothenburg   im Auge zu haben, sondern auch die Straße nach Ansbach   zu beherrschen. Leonhard Megler war mit den Seinigen schon früher von Gebsattel her in das Dorf gerückt.

In Erwartung der noch fehlenden Zweitausend blieben die Zugbrücken von Rothenburg   aufgezogen und die Thore geschlossen. Anstatt der Bauern fam ein Bote von Endsee. Der Schultheiß   schrieb, daß sich von dem Lager zu Reichardtsrode die Hälfte westlich gewendet hätte; von der Bewegung der anderen auf Rothenburg   hätte er zu spät erfahren, um noch rechtzeitig warnen zu fönnen. Von dem Aufbruch dieser zweiten Hälfte hätte er erst infolge eines groben Unfugs, den sie in Ohrenbach   verübt, Kunde erhalten. Es wäre nämlich ein Haufen in der Frühe dem dortigen Pfarrer vor das Haus gezogen, hätten einen Graben vor der Thür aufgeworfen, die Die Bauern waren mittlerweile auf dem Brühl   vor dem Thür selbst zugepfählt, den Eimer über dem Brunnen weg­Röderthor angelangt. Trommeln wirbelten, der Zug schwankte hauen und den Backofen mit Lehm vermauert. Nach solcher und stand, Spieße und Büchsen glitten von den Schultern Aechtung und Interdictio aquae et ignis oder Untersagung zur Erde. Die laute Aufregung der Rothenburger auf den des Gebrauchs von Wasser und Feuer hätte sich der ehr­

So steht uns also noch ein zweites Schauspiel bevor; denn die Fehlenden werden ja nicht ausbleiben," bemerkte Konrad Eberhard   mit einem Sathrgesicht. Wie wär's, wenn wir das Geschütz unter sie gehen ließen? Hei, wie sie zappeln

würden!"

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