Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 149.

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Dienstag, den 2. Auguſt.

( Nachdrud verboten.)

Um die Freiheit.

1898

zweiflung der Armen brachen gewaltsam hervor und, als schlügen nur eben die Flammen aus ihren Hütten, Scheuern, Ställen, und es gälte noch zu retten, so stürmten sie, taub gegen alle Zurufe ihrer Hauptleute, nach dem Dorfe. Dort

Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauerntriege 1525. mochte man sie inzwischen gesehen haben, erwartet wurden sie

Von Robert Schweiche I.

gewiß schon längst; denn nun brach zwischen den Brandtrümmern ein dunkles Gewühl hervor und drängte über die Brücke den Kommenden entgegen: Frauen, Mädchen, Kinder, Greise. Welch' ein Wiedersehen zwischen den Ausgezogenen und ihren zurückgebliebenen Angehörigen. Wie sie einander in den Armen lagen, an den Händen hielten, in verworrener Haft, unter Thränen, Schluchzen, Klagen, zornigen Ausrufen, Flüchen, Racheschreien berichteten und hörten!

In geringer Entfernung von dem Burghause des wilden Zeisolf, am Vorbach weiter aufwärts, liegt das Kirchdorf Oberstetten. Hier hatte der Rath von Rothenburg große Ge­treidevorräthe lagern. Die Bauern legten sogleich die Hand darauf und der Beutemeister Fritz Mölkner ließ es den Hohen­Lohe'schen Bauern des nahen Amtes Schrozberg  , die kauflustig herbeiströmten, ausmessen. Ueber dem Handel trafen Ab- Die Laudenbacher, die beisammen geblieben waren, schauten gesandte des Ausschusses daselbst ein. Es kamen Valentin Jckel- mitleidig auf ihre unglücklichen Kameraden, und der lange famer, Hans Leupold der Beck, Kilian Etschlich, dazu Hieronymus Lienhart hielt bei ihnen und drehte ein über das andere Mal Offner und Christian Hainz, welch' beide vordem in dem an seinem dicken Schnauzbart. Aeußeren Rathe gesessen hatten. Diese letteren, den Ge- Und der Urjächer all dieses Jammers und Elends schlechtern angehörig, mußten mit stillem Jugrimm zusehen, saß unterdessen mit seinem Freunde Philipp von Finster­wie das städtische Getreide verkauft wurde; hindern konnten lohr in seinem Burgstall auf der Höhe, und beide sie es nicht. Wie Jckelsamer den Hauptleuten eröffnete, hatten spülten mit Wein das Mittagsmahl hinunter, dessen die Abgesandten den Auftrag, die Bauern eidlich zu ver- Ueberreste noch auf dem Eichentische zwischen ihnen standen. pflichten, daß sie gegen die Entscheidung des Ausschusses nicht Die Stube, in der sie saßen, schaute das wildschöne Vorbach­weiter sich seiten, sondern sie als unabweislich anerkennen thal abwärts und ersparte ihnen den Anblick des verwüsteten wollten. Dorfes. Junker Philipp weilte seit gestern auf der Burg; am Morgen waren sie auf der Schweinsjagd gewesen und ließen es jetzt sich wohl sein. Der Laudenbacher war heraufgekommen, um mit dem Freunde Raths zu pflegen, wie sie bei den täg­lich drohender sich gestaltenden Unruhen sich verhalten sollten. Zwar hatte er gegen seine davongezogenen Hintersassen nicht die gleiche heimtückische Bosheit wie sein Freund sich zu schulden kommen lassen. Aber ein gutes Gewissen hatte auch er nicht; auch er hatte seine Hörigen hart gedrückt, um schlemmen zu können, und nun waren, dem Beispiele der Bürger von Mergentheim   folgend, auch die Weikelsheimer in seiner nächsten Nachbarstadt aufgestanden. Er schlug vor, sich nach Würzburg   in Sicherheit zu bringen, da sie mit ihren wenigen Knechten die Burgen gegen einen Anlauf der Bauern schwer­lich halten könnten. Der wilde Zeisolf lachte ihn aus. Für ihn waren die Bauern nur ein feiges Gesindel, das ausein­ander stieben würde, sowie man ihm den gehörigen Ernst zeigte; sie würden es nicht wagen, ihre Burgen zu berennen. Auch hätten sie kein Geschüß, und wollten die Roßmucken mit ihren Köpfen die Mauern einstoßen, so sollten sie es nur ber­suchen.

,, Darüber läßt sich ja reden," meinte Leonhard Mezler. Nur müssen die Herren sich halt die Müh' nit verdrießen lassen, mit uns zu reisen, derweilen wir weiter ziehen! Wir haben halt Eile."

" Freilich," bestätigte der lange Lienhart, und mag der weilen der Pfarrer Denner verhandeln. Nur das möcht' ich noch fragen: Wenn wir uns auch iko mit dem Ausschuß und der Gemein von Rothenburg vergleichen, luget, der Rath wird es uns nit vergessen, und auch die benachbarten Herren nit, deren arme Leut zu uns getreten sind, daß wir sie durch unseren Aufruhr gezwungen haben zur Gerechtigkeit gegen uns. So müssen wir der Straf durch einen Rath immer gewärtig sein. Wie wollet Ihr uns davor behüten? Denket daran, Pfarrer Denner!"

Damit schwang er sich auf seinen Eisenschimmel und ritt zu dem Haufen der Rosenberger und Laudenbacher, welche, die Vorhut bildend, schon ungeduldig des Zeichens zum Auf­bruche harrten.

Vorwärts, Ihr Brüder," rief er ihnen zu, borwärts! Aber horchet, lebendig müssen wir ihn haben, lebendig, den greulichen Mordbrenner! Was sollen wir mit einem todten Hund?"

Braten wollen wir ihn bei lebendigem Leib, den Hund!" scholl es ihm wild aus dem Haufen entgegen, der sich in Bewegung setzte, den langen Lienhart an der Spike.

"

Der leichtlebige Junker von Finsterlohr ließ sich durch die Zuversicht des Rothbartes gern beruhigen. Der Gegen stand wurde zwischen ihnen nicht weiter berührt. Es mochte aber durch ihn manches angeregt worden sein, was der wilde Zeisolf, vielleicht unbewußt, bei sich weitergesponnen hatte. Denn wie sie jetzt bei dem Wein saßen, rief er plöglich mit einem Faustschlag auf den Tisch: s ist ein hundsföttisch Leben! Und wer anders ist schuld an dieser Hoffärtigkeit der Roßmucken, als Kaiser Mar mit seinem ewigen Landfrieden. Warum nit?" fragte der lange Lienhart mit großer Wie soll der Bauer Respekt vor dem Edelmann haben, wenn Ruhe und setzte mit einem Seitenblick auf ihn hinzu: er keine Furcht mehr vor ihn hat? Früher, gab's eine Fehde, Leichter ist's freilich, Humpen zu stürzen und Mädel zu fuhren wir dem Bauern ins Dorf mit dem Feuerbrand, trieben tüssen. Die Hauptfache ist, daß sie den Fuchs in seinem Bau umstellen, bis daß die anderen nachkommen."

Knobloch gesellte sich zu ihm. Mit einer Kopfbewegung auf die nachfolgende Schaar deutend, fragte er: Vermeinst Du, daß die mit ihren Sensen, Forfen, Stachelfloben und rostigen Spießen die Burg erstürmen werden?"

sein Vich weg und schleppten ihn selbst fort, daß er auf unseren Feldern racerte, oder warfen ihn in den Thurm, bis Links auf der Höhe tauchten aus den Büschen die grauen er sich löste. Mehr als einmal hat mein Vater selig Rothen­Manern von Haltenbergstetten auf. Die Schaar erhob burg   Fehde angesagt und ist in der Stadt Dörfer gefallen. ein Geschrei, das wild und leidenschaftlich wurde, als jetzt bei Ja, damals zitterte der Bauer noch vor uns. Und unser einer Wendung des Weges, zu Füßen der Burg das Dorf eigenes Fleisch wird schwach bei dem ewigen Frieden! Selbst der sichtbar wurde, vor den eine Brücke auf das linke Ufer des Götz   mit der eisernen Hand, der sonst alle Arme voll Händel   hatte, Vorbachs führte. Es war ein Anblick, der selbst starke Herzen ist ins Mauseloch gefrochen, seitdem er vor drei Jahren aus erschüttern konnte, um wie viel mehr nicht diejenigen der Un- dem Heidelberger Gefängniß mit 2000 rheinischen Gulden sich glücklichen, die dort ihre Heimath hatten. Der größte Theil lösen mußte. Es war von wegen seinem Beistand, den er des Dorfes war eine Brandruine. Von einigen Häusern dem Herzog Ulrich gegen den Bund gethan hatte. Und der starrten die berkohlten Dachsparren schwarz gen Himmel, Thomas von Absberg  , der Wolf von Giech  , mein Vetter Kunz, bon anderen waren die Dächer ganz verschivunden der Hans von Embs haben auch zum letzten Mal in den und entweder in das Innere oder als brand Stauden gelegen, nachdem ihnen der Schwäbische Bund  fchwarze Reste auf die Gasse gestürzt. Hier schauten vor zwei Jahren den Waldstein gebrochen und nieder­die Ringmauern aus leeren Fensterhöhlen auf die Ver- gebrannt hat." wüstung, dort waren die Wände geborsten, zusammen­gebrochen, oder mur Stücke noch, ein Herd, ein Rauch fang ragten aus den Schutthaufen. Jammer, Schmerz, Ver

Junker Philipp brach in ein lautes Gelächter aus. Das Stirnrunzeln Zeisolf's, dem der Wein das Blut ebenso schwer, wie jenen munter machte, zügelte sein Lachen nicht, und er