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unteren Caum, große Kortstüde am oberen Samme erhalten das Reg treibend. Um ein solches Netz zu bedienen, find acht Mann erforderlich, die sich auf zivei große offene Boote, zum Nudern und Segeln ein­gerichtet, vertheilen. Das sieben Meter lange Fahrzeug ist in seinem achtern Theile fast ganz von dem kunstgerecht aufgethürmten Rezze ausgefüllt, nur die Steuerbank ist frei. In der Mitte geht quer durch das Schiff eine Winde mit Speichen, zum Aufziehen der 380 Meter langen Netzleine. Vorne sind noch drei Sizbretter, givei mit einem Loch für die kleinen Masten, unter dem dritten steht die Holz­mulde zur Aufnahme des Fanges. Anker, ein paar gehörige Niemen, Ketscher( wie Schmetterlingsnete geformt), eine Saugpumpe und eine Laterne bilden die fernere Ausrüstung.

Zur Zeit, wenn für die Jäger die Hafenjagd eröffnet wird, be­ginnt auch die Sprottenfischerei; die Schonzeit für das leine See wild ist erst mitte Mai, so daß die jährliche Fangperiode fieben bis acht Monate dauert. Der Fang geschieht im Herbst nur bei Nacht, im Frühling auch abends und gegen Morgen.

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es noch etwa einer halben Stunde der Fall, so wird durch auf­geworfene Eichenlohe das Feuer so weit gedämpft, daß sich keine lamme mehr zeigt, sondern ein dichter Rauch durch die Fischreihen hindurchstreicht. Immer wieder wird die Lohe erneuert, besonders da, wo eine Flamme aus der Gluth auflecken will, bis die bekannte goldige Farbe anzeigt, daß der Fisch fertig geräuchert ist. Die Waare wird dann warm aus dem Rauch in runde Holzmulden ge­schichtet und sofort zum Föhrde- Dampfer gebracht, der sie nach Kiel  überführt.-

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Kleines Feuilleton.

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Nietzsche über Wagner  . Die Wiener Rundschau ver öffentlicht in ihrer legten Nummer bisher ungedruckte Aphorismen von Nietzsche  , von denen wir die folgenden hierher fezen: In gewissen Jahren des Lebens hat man das Recht, Dinge und Menschen falsch zu sehen Vergrößerungsgläser, welche die Hoff­nung uns giebt. Knaben sind in Sachen des Geschmackes ganz unverschämt stolz. Alles, was ich über Nichard) W( agner) gesagt habe, ist falsch. Ich empfand es 1876, es ist an ihm alles unecht"; was echt ist, wird versteckt oder dekorirt. Er ist ein Schauspieler in jedem schlimmen und guten Sinne des Wortes.

Einer nach dem anderen kommen dann die Fischer schweren Trittes zur Schiffbrücke hinab. Bis über die Knie hinauf reichen die großen Thranstiefel. Ueber den dicken Isländer", der die Nachttälte abhalten muß, ist noch der Delrock geworfen, und der Südwester" deckt das Haupt. Denn ob es schon etwas stürmt und regnet, zur Fangzeit darf kein Bug" versäumt werden; bei nicht allzu schwerem Wetter giebt's oft die Er war ein großer Schauspieler, aber ohne Halt, und inwendig besten Fänge. Im Boote Jm Boote bindet sich jeder noch ein die Beute von allen Sachen, welche stark berauschen. Er hat alle Schotfell" um, dann werden die Taue losgeworfen, und die Wandlungen durchgemacht, welche die guten Deutschen   seit den Tagen beiden zusammengekoppelten Boote gehorchen schwerfällig der an den der Romantik durchgemacht haben: Wolfsschlucht und Euryanthe  , Riemen arbeitenden Mannschaft. Bald wird das Segel gehißt und Schauer- Hoffmann, dann Emanzipation des Fleisches" und Durft nach einstündiger Fahrt ist der für jedes Boot angewiesene Fangplatz nach Paris  , dann der Geschmack für große Oper, für Meyerbeer'sche erreicht. Zunächst wird mun durch zwei Mann der Hamen ausgesetzt, und Bellini'sche Musik; Boltstribum, später Feuerbach und Hegel- dann trennt man die Boote, läßt die Flügel nach und nach, während die Musit sollte aus der Unbewußtheit heraus; dann die Revolution, je zwei Mann an Riemen die Boote in großem Bogen zum Ufer dann die Enttäuschung und Schopenhauer   und neue Annäherung an rudern, ins Wasser und auch die langen Leinen von der Winde deutsche Fürsten  , dann Huldigungen vor Kaiser und Reich, dann laufen. Dann muß der Anfer fallen, langsam und gleichmäßig auch vor dem Christenthum, mit Verwünschungen gegen die Wiffen­windet man mittels der Speichen die Leine so weit auf, daß die Flügelenden an den Bootrand gezogen sind. Dann läßt man, indem die Boote immer mehr sich nähern, die Leine wieder nach, windet zum zweiten Male, wieder auf und holt nun nach und nach das Netz

ins Boot.

Beigen sich schon beim Aufziehen der Flügel recht viele mit den Köpfen hängen gebliebene Sprotten, so darf man auf reichen Fang Hoffen.

So einen reichen Fang machte am 21. März 1889 eine Mann­schaft, indem sie mit einer Wade in einem Zuge 30 000 Wall Sprotten ( ein Wall 80 Stück) ausbrachte.

Sind die Fänge an Land gebracht, so finden am Vormittage am sogenannten Fischerleger in Kiel  , an der Schiffbrücke in Eckernförde  die Auktionen statt; in Mengen von 20-100 Wall werden die Sprotten von den Händlern und Inhabern der Räuchereien erstanden. Sind viele Boote mit gutem Fange heimgekehrt, so entwickelt sich dort ein interessantes Bild. Am Hafenbollwert entlang sind vor jedem Boot Tische errichtet. Mit den Ketschern fassen die Fischer aus den Bootsmulden so viele Sprotten, als sie halten können und schütten fie auf diese Zähltische. Das blinkt und blitt überall im Boot, im Ketscher und auf den Tischen wie eitel Silber.

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schaft".

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Wie Windelmann am Laokoon, gleichsam am Ende des Mter­thums, den Sinn für dasselbe sich erwarb, so Richard Wagner   an der Oper, der schlechtesten aller Kunstgattungen, den Sinn für Stil, d. h. Einsicht, daß es nicht möglich ist, Künste zu isoliren.

Das falsche Germanenthum bei Richard Wagner  . Diese höchst moderne" Mischung von Brutalität und Berzärtelung der Sinne und die gründlichste psychologische Falschheit ist mir ebenso zuwider, wie das falsche Römerthum bei David; ebenso wie Walter Scott  ( oder vielmehr das falsche, englische Mittelalter Walter Scott's  , das unserem verschärften Sinne jest nicht mehr möglich zu ertragen.)

" Ich stelle das Problemt von der Rangordnung des Künstlers neu; zugleich bilde ich den Künstler, so hoch ich kann. Thatsächlich finden wir alle Künstler unterworfen unter große geistige Be­wegungen, nicht als deren Leiter, oft Vollender; z. B. Dante für die katholische Kirche  , Richard Wagner   für die romantische Be­wegung, Shakespeare   für die Freigeisterei Montaignes. Die höheren Formen, wo der Künstler nur ein Theil des Menschen ist z. B. Plato, G. Bruno, Goethe diese Formen gerathen felten."- Archäologisches.

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Ckg. Gin Stiertorso von der Akropolis  , eine

Und so flink, wie durch die Finger eines geübten Kassirers die Gold- und Silbermünzen gleiten, so flink und geschickt faffen hier alterthümliche Skulptur aus weißem Marmor, ist nach einem Bericht die Fischer jedes Mal vier Fischlein und vereinigen fie zu einem Wurfe in Korb oder Kiste oder Karren. Ist nach 20 Wurf das der letzten Jahreshefte der österreichischen Archäologischen Ge­Er bietet nach mehreren Rich­Wall eigentlich abgezählt, so fügt er mit dem Worte boll" noch sellschaft, gefunden worden. einen Wurf als Zugabe nach. Endlich find alle Behälter mit filber- tungen großes Interesse. Das Thier ist in heftiger Be glänzender Waare gefüllt, und während die Fischer sich im Strug von wegung, unter Lebensgröße, dargestellt. Die Hinterbeine, das linke Der Nachtarbeit erholen, werden die Sprotten in aller Eile zu den voran, schräg einstemmend, war der Stier mit dem ganzen Vorder­Räuchereien befördert; denn noch am selben Nachmittag müssen sie theile zu Boden gebeugt und hatte hier unmittelbaren Halt, vielleicht als geräucherte Waare zum Verkauf in den kleinen Fischbuden am an dem aufruhenden Kopf oder auch an den flach ausgestreckten oder Schuhmacherthor oder zum Versandt fertig stehen. Unter Umständen start knieenden Vorderbeinen. Ebenso deutet der Schwanz auf eine fann ein Sprott", der gestern früh noch vergnügt in der Ostsee   heftige Bewegung; er ist abgebrochen, aber man erkennt noch, daß er umherturnte, heute in Berlin   zum Frühstück präsentirt werden. in einem Kreise emporgeschwungen war. Das Motiv entspricht dem Eine Darstellung dieser That des Theseus   befand sich als Weih­Schema des Kampfes von Theseus   mit dem marathonischen Stier. geschent der Marathonier auf der Afropolis und dem einstigen Standort entspricht auch der Fundort am Nordabhang der Burg. Der Torso wird also wahrscheinlich von der Burg heruntergefallen fein und einen Rest jener Gruppe darstellen. Nach dem Torso wäre es am natürlichsten anzunehmen, daß Theseus   auf dem Nacken des Stieres kniete und die Fesseln, in denen er ihn fing, viel leicht auch den Schwanz anzog. Die Darstellungen der Szene find aber so zahlreich und nuancirt, daß ein sicherer Aufschluß nicht zu ge winnen ist. Die Fesselung war jedoch jedenfalls das vorherrschende Motiv. Die schönen, flaren, wenn auch harten Formen deuten auf einen Meister der archaischen Kunst. Kopf und Füße sind nicht ges funden worden.

In den Räuchereien wird der kleine Silberfisch   erst zum gold­gelb geschwälten Sprott, zum delikaten Frühstücksgericht, und wer zur rechten Fangzeit vom Kieler   Schloßgarten aus das am jenseitigen Ufer liegende Fischerdorf Ellerbeck fich ansieht, findet es in den Vor und Nachmittagsstunden von dichtem Rauch fast bis zur Unsichtbarkeit verhüllt.

Treten wir gegen 10 1hr morgens in den Räucherraum, so finden wir ein mit blankgescheuerten Fliesen versehenes Gelaß, das an der vierten Seite zwei nebeneinander liegende Kamine von riefigem Umfange aufweist. Ihre pechschwarzen Mündungen befinden fich etwa anderthalben Meter über dem Fußboden und reichlich einen Meter über einem von Steinen aufgemauerten Herde. Im Innern des Kamins springt an der Vorder- und Rückwand je eine eiserne Leiste etwas vor, auf welcher die Enden von dünnen, langen Eisenstäben Halt gewinnen fönnen. Auf diese Eisenstäbe sind die Sprotten, nach­Sem sie gereinigt und gesalzen worden, in der Weise aufgereiht worden, daß man die Stange quer durch die Kiemenöffnung steckt, doch so, daß kein Fisch den andern berührt und nur die äußersten Enden der Stange frei bleiben. Nun wird Stange an Stange in den Kamin gehängt. Dann schichtet man am vorderen Rande des Herdes eine Reihe von trockenem Splitterholz auf und entzündet dies zur hellen Flamme, bis die Fische mehr oder minder gar gebraten sind. Ist

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Kulturgeschichtliches.

c. Ueber die Entwickelung des russischen Post. wesens finden sich in dem soeben erschienenen Buche Skizzen russischer Kulturgeschichte" von Paul Milukow einige Angaben. In Rußland   brauchten die Regierung und auch die ausländischen Kauf­leute lange vor der Bevölkerung selbst bequeme und regelmäßige Verkehrswege. Bevor jedoch künstliche Wege eingerichtet wurden, strebte die Regierung danach, sich mittels der Poststationen die Möglichkeit