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welcher er fallen sollte. Der zweite Mann war mit einer Säge be­waffnet, und diese sette er an den prächtigen Baum, um unaufhalt­fam, unerbittlich dagegen loszuarbeiten. Als er aber das Herz der Fichte durchschnitten hatte, trieb er noch einen fleinen glänzenden Stahlfeil in die Bahn der Säge. Eine Sekunde noch und die herrliche Fichte stürzt durch die Zweige ihrer Nachbarn und schlägt auf die gefrorene Erde mit lautem Krachen, das durch die weiten Waldesräume widerhallt.

Jene Leute, die an dem frostigen Winternachmittag bei der Arbeit waren, gehörten zu einer großen Schaar, die mit vereinter Kraft den Fichtenbestand dieses Waldes vernichteten. Ungefähr vier Milliarden, einhundert und sechzig Millionen Fuß Stämme sind allein im Jahre 1895 gefällt worden. Mit diesem Material könnte man ein Haus um den ganzen Erdball bauen und die Mauern innen und außen, sowie das Dach mit duftendem Fichtenholz bekleiden, endlich auch noch einen Zaun von 3 Fuß Höhe um die ganze Erde herum­führen. Diese ungeheuere Holzmenge bildet die Ausbeute zweier Wälder; der eine im nordwestlichen Theile des Staates Wisconsin  und der andere im nördlichen Minnesota  . Die Stämme werden in so riesiger Anzahl gefällt, daß nach Verlauf von zehn Jahren vielleicht nicht ein Fichtenbaum auf diesem weiten Gebiet zu finden ist.

Aber wir wollen nicht unsere edle Fichte vergessen, die im Winterschnee dahin gestredt liegt. Ich betrachtete aufmerksam die Jahresringe an der Schnittfläche und zählte deren an 160.

Nun sollte unser Fichtenbaum auf die Reise gehen. Es sind Eisenbahnen zur Beförderung der Stämme in den Wäldern gebaut worden, die den Eigenthümern derselben gestatten, ihren Besiz aus weiter Ferne erreichen zu können. Und von der Hauptstrecke der Bahn gehen Zweiggeleise aus, die wie die Finger einer Riesenhand die wehrlosen Fichten umspannen.

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[ Baumstamm sicher darin liegen fann. Ueber diese Fläche wird er durch eine mit vortretenden scharfen Stahlspißen versehene Kette ge­zogen, denn infolge seines großen Gewichts bringen die Zähne von selbst in sein Holz ein. Ein Arbeiter wirft durch Anwendung eines Hebels zwei mächtige, mit Stahlspigen versehene Arme empor, die den Baumstamm aus der Ninne heben und ihn auf einen Tisch werfen, von welchem er auf den zur Säge hinabrollenden Wagen gelangt. Dieser Wagen ist auf Schienen beweglich und mit einem vortretenden gezahnten Bock versehen, der den Baumftamm anfnimmt. Zwei Männer stehen auf dem Gefährt und auf ein Zeichen des Hauptsägers wird der Bock durch den Hebel für eine gewisse Brett­stärte eingestellt. Jest   fliegt der Wagen mit großer Geschwindigkeit der Kreissäge entgegen, und in wenigen Sekunden ist eine vom Wasser durchtränkte Seite abgetrennt. Der Wagen fliegt mit Windeseile zum Ausgangspunkt zurück, um nach Stellung der Hebel sofort wieder gegen die scharfe Säge abzurollen. Es durchschauert uns, diesem Schauspiel zuzusehen; jeden Augenblick erwartet man, daß einer der Leute abgeworfen und schrecklich verstümmelt wird. Unglücksfälle in diesen Sägemühlen sind denn auch nichts Seltenes. Fast an jedem Punkte der Mühle droht Gefahr. Unser Fichtenstamm tann Beuge sein, wie ein Mann vom Wagen zu Tode geschleudert, von einem herunterfallenden Stamm getroffen, oder von der zersplitterten Kante eines abfliegenden Holzstückes schrecklich verstümmelt wird. Drei Hauptarten von Sägen giebt es in der Mühle. Die Kreis. säge, die wir bereits tennen gelernt haben, die Bandsägemaschine und die Gattersäge. Die Bandsäge besteht aus einem Stahlband, das ungefähr 30 Fuß lang und um zwei große Räder herumgeführt ist, durch welche sie in Bewegung gesetzt wird. Die Gattersäge be steht aus einer Reihe kurzer, grader und vertikal aufgestellter Säge­bänder, die je nach der Stärke der zu erzielenden Vretter gestellt werden. Bisweilen sieht man vierzig derselben in einer Reihe und diese arbeiten sich in fünf bis fieben Minuten gleichzeitig durch zwei oder drei der größten und stärksten Stämme hindurch.

Ein System von Rollen führt das gesägte Holz von den Sägen bis zum entfernten Ende der Mühle, wo die Bretter aufgehäuft und sortirt werden. Am Ende der Rollwagen steht ein Arbeiter, der mit Hilfe einer eigenartigen Vorrichtung das Brett in jede beliebige Richtung bringen kann. Holzstücke geringerer Qualität werden zu Dachschindeln oder als Brennholz für den Stadtbedarf gesägt, während die Bretter auf eine breite geneigte Tafel kommen, wo sie durch fleine Sägen zu gangbaren Längen zerschnitten werden.

Nach einer beschwerlichen Fahrt über Waldwege gelangt der Stamm auf die Gleitbahn", eine Ebene, die bis zum Eisenbahn­damm hinabführt. Die Gleitbahnen sind lange feste Rinnen aus dem Holz des amerikanischen Lerchenbaumes oder irgend eines anderen harten Holzes. Die Stämme gleiten auf diesen Bahnen leicht hinab und werden sodann auf furgen, breiten Transportivagen weiter befördert. Sobald ein Wagen beladen ist, rückt ein anderer vor, bis ein Zug von ungefähr dreißig Wagen zur Abfahrt fertig ist. Der Weg ist sehr uneben und die Züge sind mit den besten Luftbremsen versehen, um die Steigungen und Abhänge ohne Gefahr überwinden zu tönnen. Es bedarf großer Vorsicht, um Unfälle zu vermeiden, denn Der Arbeiter am oberen Ende fegt eine Reihe von Hebeln in wenn ein Wagen sich löst und allein oder mit anderen den Abhang Bewegung, wie sie ähnlich bei den Zentralweichenstellen der Eisen­hinunterfaust, sind die Wagenführer rettungslos verloren. Bergbahn Anwendung finden; die Kleinen Sägen treten automatisch in fletterer" nennt man diese mächtigen Lokomotiven, die hier zur Ver- Thätigkeit. Das fertig geschnittene Holz fällt hinab, um auf dem wendung kom ten; sie bilden natürlich den wichtigsten Faktor dieser Blaze zu riesigen Haufen aufgeschichtet zu werden. großen Waldeisenbahn.

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Der Zug bringt die Stämme nach dem wohl hundert englische Meilen entfernten Ladeplatz am Mississippi. Sind die Stämme von den breiten Wagen gehoben, so gleiten sie auf einer etwa 60 Fuß langen Bahn hinab; es ist eine Ebene, die bis zum eisbedeckten Fluß hinunterführt. Stamm auf Stamm werden auf das Eis geworfen, bis die Fläche weit und breit bedeckt ist. Ein ungeheures Gewicht ruht auf dem erstarrten Strome, und die Last ist so groß, daß einige Stämme schließlich die Eisplatte durchbrechen und auf das Flußbett hinabsinken. Wohi zweimal so hoch wie ein städtisches Wohnhaus normaler Größe werden die Stämme aufgeschichtet.

Während die Leute die Züge entladen, droht ihnen die Gefahr, daß fie ein sogenannter" Chafer"( Verfolger) ereilt. So bezeichnet man einen Stamm, der plötzlich von der Ladung, an die er durch eine Kette gebunden ist, abspringt und plötzlich den Abhang der Bahn mit fürchterlicher Geschwindigkeit hinunterfaust. Wehe dem Arbeiter, der ihm in den Weg geräth. Bisweilen wird es nothwendig, einen Stamm auszuschließen", der so eingeteilt ist, daß er den anderen auf der Gleitbahn den Weg versperrt. Den Holländer tödten", nennen es die Leute. Die Arbeiter, die die Bahn hinunterklimmen, gewinnen durch ihre festen Nagelschuhe und mit Kanthaten versehenen Stäbe festen Halt. Oft aber wagen sie ihr Leben, indem sie einen Stamm aus seiner Lage bringen. Häufig muß solch ein fest eingeteilter Baum unter Anwendung von Dynamit losgetrennt werden so gewaltig ist der Druck der vielen tausend Stämme, die auf ihm lasten.

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Im Frühjahr treibt unser Fichtenbaum mit tausend anderen den breiten Strom hinab. Die Stämme sind, da das Eis zu schmelzen begann, immer tiefer in den Fluß gesunken, bis sein Bett schließlich bis zum Uferrande davon erfüllt war. Dann aber tam die wilde Fluth des oberen Mississippi  , die durch ein groß artiges Reservoirsystem hunderte bon Meilen weit regulirt wird. Das Wasser schwillt, die Stämme häufen und heben sich und treiben mit großer Gewalt den Strom hinunter. Die Holzarbeiter beachten dies alles vom Ufer aus oder springen von Stamm zu Stamm, stets in Gefahr schwebend, in den wilden Strudel hineinzustürzen.

Ein langes, einstödiges Hausboot, ein sogenannter Wannegan", in welchem die Flößer ihr bescheidenes Heim aufschlagen, begleitet das Treiben. Endlich erreicht die todte Fichte den großen Holzplatz bei den Mühlen, wo die hungrigen Sägen ihrer harren. Mit triefender Rinde steigt unser Baumstamm aus den gelblichen Fluthen empor und gleitet plöglich auf einer schrägen Ebene nach den Mühlen hinab. Es ist ein rampenartiges Gerüst, das in der Mitte mit einer Rinne von 8 Zoll Tiefe und 2 Fuß Breite versehen ist, so daß der stärkste

An die Kraft der Sägen, die so mächtige Baumstämme durch schneiden, werden so hohe Anforderungen gestellt, daß sie nach Vers lauf von wenigen Stunden durch neue ersetzt werden müssen. Die abgeftumpften Sägen kommen in den Feilraum, wo sie durch schnell rotirende Schmirgelfeilen, die auf hohen Gerüsten angeordnet find, geschärft werden.

Einige dieser großen Mühlen schneiden pro Tag 285 000 Fuß Holz. Sie beginnen im Frühjahr, sobald die Stämme den Fluß herunterkommen und arbeiten bis in den Spätsommer hinein, bei milder Witterung sogar bis zu Beginn des Winters. Auch unser Fichtenstamm ruht nun, zu fernigen Brettern zersägt, mit vielen anderen in einem der riesigen Holzhaufen. Lange Gänge oder Straßen laufen zwischen diesen Holzhaufen hindurch und bieten Raum für die Wagen, die weiteres Material heranfahren. Fred Hood.

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Kleines Feuilleton.

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dk. Die Mode der Conférences" im alten Rom  . Die Mode der" Conférences" ist keineswegs neu; sie blühte schon im Zeitalter des Augustus in Rom   und graffirte unter seinen Nachfolgern. Langeron widmet diefer Sitte in der Revue bleue" eine interessante Studie. Asinius Pollio   führte die Rezitationen ein. Das römische Bublifum liebte das Reden um seiner selbst willen; es forderte vom Redner nur Geistesgegenwart, Eleganz und geistreiche Einfälle, und es schätzte vor allem die Improvisationen- wenigstens mußte der Redner den Anschein eriveden, als ob er diese Eigenschaften befize. Er bereitete sich am Morgen gut vor, nahm ein Bad, faute tragacantha( Bods­born), um feine Stimme klar zu machen und wiederholte seine Conférence vor dem Spiegel, indem er seine Phrasen drechselte und seine Gesten probirte. Bar seine Stunde gekommen, so stieg er auf die Rednerbühne, schlug graziös die Falten seiner Toga zurück, lächelte, rundete die Lippen und bat seine Zuhörer, ihm ein Thema vorzuschlagen. Bekannte, die sich unter die Menge gemischt hatten, beeilten sich dann, ihm das Thema anzugeben, über das sie vorher mit ihm übereingefommen waren. Nicht immer gelang dieses Spiel, dann war es die Kunst des Redners, durch geschickte Seiten­sprünge auf das von ihnen vorbereitete Thema zu fommen. Gelang ihm das nicht, stockte er etwa, so übertönte sofort Hohn­geschrei seine Stin me, während man ihm lebhaften Beifall spendete, wenn er sich mit Geschickt aus der Affäre zog, wenn er z. B., gefragt über Pythagoras   oder den Phädon, wie etwa Himerius angenehm über seine Migräne oder wie Apulejus über eine Verrenkung, die er sich zugezogen, plauderte. Eine solche Conférence brachte zugleich Geld und Ehren. Damianus zahlte 80 000 Mart, um ein einziges