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( Nachdruck verboten.)

in der Stube. Ihr Gesicht glühte, und nicht allein von der Flamme des Herdes, daran sie gestanden: Herr Glogar!" Herr Glogar erhob sich mit jener Achtung, die ein Dorfschullehrer Die Geschichte vom kranken Bein.

Von August Bondeson  .

immer der Pflegemutter seiner bestzahlenden Schülerin ent­gegen bringen wird. Herr Glogar, mir scheint, Sie geben der Es ist viele Jahre her seit dem Augusttag, an dem ich mit Gabi zu wenig auf. Sie hat viel nachzuholen, verstehen Sie Gratisfuhrwert auf einer leeren Branntweintonne des Gasthofes mich! Den ganzen Tag muß sie zu thun haben. Keine müßige Sjönevad meinen Einzug in Halmstadt hielt, um meine Studien zu Stunde darf sie haben. Und rechnen muß sie, viel rechnen, beginnen, und dem Sonntage, da ich als Kandidat der Medicin meine Lieben daheim mit der Botschaft erfreuen konnte, daß die schwersten das braucht sie und sonst nichts. So will ich's!" Sorgen wegen meiner Studien nun überstanden wären. An diesem Sonntage hatte sich die ganze Familie bei Onkel Johann Anders auf Sjönevad versammelt. Als ich dort meinen andern Onkel Elias traf, den Gastwirth in Köinge, der ein alter Spaßvogel war, gratulirte er mir nicht, wie die andern Verwandten, sondern gab mir statt dessen folgende Geschichte zum besten:

Er wagte keine Gegenrede; aber kaum daß sich die Thür hinter der Zürnenden geschlossen, griff er Gabi unter's Kinn: Mußt nicht weinen, Gabi, wir werden Dir nicht weh' thun. Und jetzt lies weiter, aber mit Gefühl, mit mehr Gefühl: Zu Aachen   in seiner Kaiserpracht...

IV.

Zu den verschiedensten Stunden des Tages hatte Herr Mois Glogar, seitdem Gabriele Wagner seine Schülerin war, bereits den großen Hof des Brauhauses durchmessen. Nie zuvor war dieser von ihm betreten worden, und auch jetzt wäre es ihm nicht entfernt beigekommen, sich etwa unter den Nuß­bäumen zu verweilen oder theilzunehmen an der Luftbarkeit derer, die dort ihre müßigen Stunden zu verbringen gewohnt waren; sondern, so wie sein Tagewerk vollbracht war, zog er immer ge­Tassen seiner gefeßten Wege; denn er war ein sparsamer Mann, weil er es sein mußte, da es seine Grundsäge nicht duldeten, daß er Schulden mache. Er war aber auch nervös, wie alle seines Berufes, denen es Ernst damit ist; so ertrug er denn teinerlei Lärmen, weil er nur zu oft verurtheilt war, derlei zu hören, verachtete innerlich die Bauern, zu denen er nach Art und Abstammung doch gehörte, im Gefühle seiner höheren Bildung, und neidete ihnen doch wieder ihr Loos, das den Reicheren volles Genießen des Daseins nach ihren Wünschen gestattete, den Armen aber mindestens nicht jenen Wider­spruch zwischen Schein und Sein aufnöthigte, der ihn so sehr peinigte.

Höre, August," sagte er, weißt Du, es ist eine Schande, wie wenig die Aerzte heutzutage verstehen! Du keinst ja den Kosen, den Gemeindediener bei uns zu Hause?"

Ja, ich kannte den Kosen.

" Ja, siehst Du, der Kosen hatte sich eines Tages betrunken, es war um die Eisbahnzeit im vorigen Winter und sich das eine Schienbein furchtbar zerschlagen. Und es schmerzte und wurde so schlimm und ganz blau und schwoll an, daß es ganz gefährlich als daß sie ihn nehmen und ihn in die Stadt zum Krankenhaus aussah. Und da gab es dann natürlich feinen anderen Ausweg. fahren mußten.

Dann kam der Doktor hinein und sollte sich das schlechte Bein ansehen, und da sagte er sogleich:

" Es ist am besten, es abzunehmen!" sagt er. Aber da sagte Kosen::

diener," sagt er, da müssen wir doch noch ein bischen warten." " Nein, liebster Herr Doktor!" sagte er. Ich bin Gemeindes

Am anderen Tage kam der Doktor natürlich wieder. Und das Bein war noch gerade ebenso schlimm und blau und geschwollen. und der Doktor meinte in feiner Weise, wie am Tage vorher: Es ist am besten, es abzunehmen!"

Aber Kosen bat sich wieder mit den Worten Yos:

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Nein lieber Herr Doktor!" sagte er. Ich bin Gemeinde­diener", sagte er, wir müssen daher noch ein Weilchen warten und zusehen, ob es nicht besser wird." Aber dann, am dritten Tage, als der Doktor fam das Aber Herr Glogar ging in der Regel auch nicht un- Bein war noch ebenso schlimm und blau und geschwollen da mittelbar heim ins Schulhaus, hatte er die Unterweisung sagte er: Gabi's beendigt. Die endlos lange Dorfstraße verfolgte er Rein", sagte er, mun hor' mich der Teufel, wenn wir noch allerdings mit steifen und sorgfältig gleichgemachten Schritten; eine Minute länger warten!" jagte er. Es ist am besten, es ab dabei hielt die Linke den Behälter einer Brille, die er nur zunehmen!" im Amte zur Erhöhung seines Ansehens trug, die Rechte einen Aber Rosen bat so innig für sein Bein: Stock mit schönem und mit den zierlich verschlungenen ich bin Gemeindediener", sagt er, und darum bin ich so besorgt Nein, liebster, gutester Herr Doktor!" sagte er. Sehen Sie, Anfangsbuchstaben seines seines Namens geschmücktem Elfen­beintnauf; sein Haupt war ein wenig gesenkt und, wie ein um mein Bein. Lassen Sie mir es wenigstens noch bis morgen!" Sinnender, hielt er sich nicht gar gut. So achtlos und in sich aber wäre es dann nicht besser, dann müßte Na, da durfte er es denn noch bis nächsten Morgen behalten. versunken er aber auch erscheinen mochte, so wenig wäre einem Aber siehe, kaum war der Doktor aus dem Krankenhause fort­feiner Schüler zu rathen   gewesen, darauf bauend an ihm gegangen, da verlangte Kosen seine Kleider, und dann bestellte er ohne den gebührenden Gruß vorüberzulaufen. Das macht sich im Gasthof Postfuhrwert und fuhr. geraden Wegs zur Alten kindlichen Seelen in der Regel bekanntlich vielen Spaß, vom Königsberg  ", der greisen Britta Lene. Du hast ja wohl von und gerade in der Beziehung verstand der Schul- ihr schon reden gehört, denke ich! Und die Alte behandelte das Bein lehrer von Unter- Heinzenwald gar keinen und sah mit mit Pflastern und Salben, so daß sie, meiner Seel', den Kerl unerbittlicher Strenge darauf, daß ihm von der Achtung, so gesund machte, daß er vom Königsberg   heim gehen konnte! die er als sich zustehend empfand, und von ihrem Ausdruck auch nicht das mindeste Titelchen vorenthalten werde. Aber noch vor der Kirche bog er ab; ein Vorgärtlein durchschritt er und betrat ein ansehnliches Gehöfte, das allerdings nicht mehr so stattlich und wohlhäbig aussah, wie zur Zeit, da die Eltern von Johann und Franz Rüttemann noch hier ge­boten. Ohne vieles Fragen trat er ins Zimmer; das war so herkömmlich, daß ihn die hübsche Hausmagd selbst dann zu ihrem jungen Gebieter ließ, wenn der noch in den Federn lag. Es mußte darum keineswegs noch früh am Tage sein..

begegnete er da nicht auf der Straße den Doktor? Als er dann gelegentlich wieder zur Stadt fam, meiner Tren,

Was Teufel! Bist Du draußen und gehst?" sagte der Doktor und gudte Kosen groß an.

" Ja, gewiß bin ich das," sagte Rosen.

Was hast Du denn gemacht, daß Du Dein Bein haft behalten tömnen?" fragte der Doktor.

der" Alten vom Königsberg" gewefen, und sie hat so gut gequad­" Ja, hol mich der Teufel," rief Kosen, ich bin eben bei falbert, daß ich mun ein Sterl bin, der Mazuria tanzen kann, wenn ich will," sagte er. Und dann machte er einige Mazurkafchritte auf der Gasse, so daß es auf dem Steinpflaster tschepperte.

" Ja, na, das war ja sehr gut," sagte der Doktor und wollte weitergehen.

Aber da packte Kosen ihn beim Arm und sagte:

Sol Dich der Teufel! Hor Dich der Teufel! Ich kann das doch nicht hier mitten auf der Gasse sagen," erwiderte der Doktor und ging. Ne, ne," schrie Rosen ihm nach. Aber glauben der Herr Doktor nicht, es wär am Besten, ihn abzunehmen?!..

Es war eine alte Verbindung, die zwischen Beiden be­stand. Von Kindesbeinen auf fannten sie sich; die gleiche Schulbant hatten sie erst im Dorfe, dann in der Stadt ge­Nein, warten Sie ein wenig, Herr Dotter!" sagt er. Jetzt drückt. Immer vertrugen sie sich ganz gut, so ungleich sie hab' ich aber solche heftigen Kopfschmerzen," sagte er. Was glauben sein mochten; denn Glogar galt für feinen guten Kopf, der Herr Doktor, daß ich dagegen thun foll?" fast für ein wenig beschränkt. Er mußte sich hart plagen, Dinge zu fassen, die seinem begabteren Freunde nur so zu­flogen. Dennoch kam er vortrefflich, besser jedenfalls als Rüttemann vom Flecke. Und wenn die Dorfweisen im Zweifel varen, was und ob der Franz überhaupt etwas werden wolle, dann war irgend ein Bedenken an der glänzenden Zukunft des Anderen gänzlich ausgeschlossen: der mußte eine Leuchte der Wissenschaft, ein Professor werden.

( Fortsetzung folgt.)

Damit wandte mein Onkel mir den Rücken und lachte, so daß ihm die Thränen über die Backen herabliefen. All' die anderen Berwandten lachten auch und ich ebenfalls, obgleich es mir schien, als wäre es eine wenig artige Gratulationsrede, die mein nächster Verwandier mir da gehalten.

Aber ich kann jetzt sagen, daß Onfel Elias' Geschichte sich später für mich als weit segensreicher erwiesen hat, als alle anderen Glück­wünsche meiner Verwandten zusammengenommen. Wenn ich in Gesellschaft, trotz freundlicher Ermahnungen, mich wenig versucht fühlte, etwas zu erzählen, brauchte ich nur mit dieser kleinen Ge­