Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 156. lded aroh

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Die Fanfare.

Mittwoch, den 15. August.

( Nachdruck verboten.)

Roman von Frit Mauthner. Diffelhof unterließ es nicht, jekt häufig von Italien   zu sprechen, das er niemals gesehen hatte; und oft erlaufchte er die Sehnsucht in Johannas Augen.

bud tibi di din imits 1900

als eines Mittags Disselhof, der seit zwei Stunden nur noch hie und da einen Strich auf die Leinwand geworfen hatte, plöglich mit einem jubelnden Lachen zurücktrat, Palette, Pinsel, Farbenbüchsen und endlich endlich seinen Stuhl zur Erde warf, seine Mühe schief aufsetzte, die Hände in den Hosentaschen barg und erst mit ironischer, dann mit echter Rührung zu pfeifen begann: Nun danket alle Gott!  " So hatten sie einmal wieder im allgemeinen vom Blau Die Gehilfen wünschten alle sehnlichst, das fertige Bild des italienischen Himmels gesprochen. Johanna tüpfelte an zu fehen. Es kostete den Maler sichtbarlich eine große An­einer handgroßen, bekleideten Frauengestalt. Das faltenreiche strengung, nicht nachzugeben. Endlich trat er mit einem Fluche Gewand war mit einem Hauch von Zinnoberrot übermalt. fort. Die jungen Leute durften es unter keinen Umständen Das Feldstück, auf welchem das Weibchen ruhte, hatte schon sehen, wohl aber Fräulein Betty, wenn sie schwüre, vor der feine grünen und braunen Farbenspritzer erhalten; eben war öffentlichen Ausstellung kein Wort von dem Gegenstand zu Johanna dabei, die Spangen auf den Schultern und das sprechen. Fräulein Betty verpfändete ihr Wort bei ihrem Diadem auf dem tief zur Seite geneigten Köpfchen durch heiligsten Besitz, dann trat sie mit Diffelhof vor die Staffelei, Goldspuren hervorzuheben, als Fräulein Betty plötzlich mit aber viel fehlte nicht und sie hätte geplaudert. Mit einem ihrer tiefen Stimme bemerkte: lauten Aufschrei schlug fie die Hände zusammen, und auf ihrem Kopf ringelte sich ein grauer Zopf rücksichtslos von allen Nadeln los. Sie Erzgauner," rief sie endlich, Sie Glückskind! Man sollte die Polizei rufen, Sie sind ein Dieb, ein Räuber! Du glückseliger Meister, Du!" Und sie beugte sich herab, um Disselhofs Hand zu küssen. Als er ihr lachend wehrte, lief sie erregt auf Johanna zu, warf sich aufhüpfend an ihre Brust und rief unter Schluchzen: Wie froh ich bin, wie froh ich bin, Du bist so schön, und er kann so schön malen! Und ich alte Jungfer bin noch nicht tot und darf so dicht daneben leben und schauen."

Das soll gewiß auch eine Ariadne auf Nayos darstellen. Der Stoff scheint ja bei den Griechen sehr beliebt gewesen zu sein! Die Männer sind doch dieselben geblieben."

Johanna blickte erstaunt auf die geschlossenen Augen des Figürchens in ihrer Hand, dann ließ sie die Arbeit sinken und schaute ins Leere. Wann wird der Befreier kommen? Niemand außer Disselhof schien die Stimmung Johannas zu bemerken. Dieser hatte mit aufgerissenen Augen des Mädchens Augenspiel verfolgt und sich vor Aufregung halb vom Stuhl erhoben. Dann begann er mit nervöser Haft an feinem Bilde zu malen und nur dann und wann fehrten feine Augen scheu und trokig wie gestörte Diebe zu Fräulein von Havenow zurück.

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Dann ging fie beschämt auf ihren Platz zurück und neftelte ihren Zopf zurecht, ohne sein dünnes Endchen bändigen zu können. VI.

Von diesem Tag an blieb Disselhof unausgesetzt lebhaft bei seiner Arbeit. Er plauderte wenig und verbrauchte eine Unzahl von Cigaretten. Aber er reizte den Akademiker und Der Kunsthändler, in dessen Diensten Diffelhof zumeist Fräulein Betty immer wieder an, von den unbekannten Herr arbeitete, eröffnete die Winterausstellung in den engen lichkeiten Italiens   zu schwärmen. Und Johanna erhielt fast Räumen feines Geschäfts. Ueberallhin an Käufer und Kenner, nur noch dasselbe Figürchen zur Herstellung, das an die an Maler und Kritifer, an Träger alter Namen und an die verlassene Ariande erinnerte. Wenn es seine Absicht gewesen Trägerinnen der schönsten Wintertoiletten sandte er seine Ein­wäre, den Ausdruck der Schwermut auf ihren Zügen festzu- ladung für den nächsten Sonntag in Form eines zierlichen halten, er hätte nicht flüger handeln können. Sie Katalogs der ausgestellten Gemälde. Das große Publikum nahm es für einen bittern Zufall, daß gerade follte vom Eröffnungstage ausgeschlossen werden, weil es ja fie das Publikum mit so vielen Wiederholungen doch nicht kam und durch die Zurückschung noch am ehesten dieser Figur versorgen mußte. Immer liebevoller neugierig zu machen war.

führte sie die Bemalung aus, mit immer innigerem Ver- Aller Orten wurden die kleinen Kataloge, welche natürlich ständnis blickte sie auf die geschlossenen Augen der Statuette, alphabetisch mit einer Marine von Andreas Achenbach   an­während Disselhof hastiger und haftiger, mit sichtlich fingen, freundlich aufgenommen. wachsender Freude an seinem Bild arbeitete. Aber auch Nur in der Redaktion der Fanfare gab die Winter­immer sorgsamer wurde seine Bemühung, es niemand sehen ausstellung Veranlassung zu einer Verschärfung der bisher zu lassen. unausgesprochenen Gegensäße, vielleicht nur deshalb, weil Bode unter der Gefahr seines ersten Preßprozesses die Dinge feierlicher nahm, als er es sich vorgenommen hatte.

Wenige Tage nachdem Johanna die erste Ariadne- Figur begonnen hatte, trat plötzlich Haffner- von Herne   in die Fabrik. Er begrüßte den Meister sehr freundschaftlich und versuchte Die Anklage betraf einen Leitartikel gegen die katholische die Malerinnen durch Kunstgeschwät über den Unterschied Kirche. Bode selbst hatte den Auffah geschrieben, in welchem zwischen der Antike und der Moderne" zu unterhalten. Für nebenbei zum Merger Gottlieb Mettmanns- der Ablaß­Johanna hatte er Blumen mitgebracht, welche diese fofort fram der Reformationszeit mit dem Inseratenschacher käuflicher mit Fräulein Betty teilte. Journalisten verglichen wurde. Im übrigen hatten nur zwei unglücklich gewählte Worte die Möglichkeit einer Verurteilung geboten. Bode gab sich alle Mühe, an die Aussicht einer harten Bestrafung gar nicht zu denken. Er war mit seinem Verhältnisse zu Mettmann   sonst nicht unzufrieden und durfte hoffen, daß der Prozeß ihm kein hartes Martyrium auferlegen würde.

Haffner- von Herne   schritt dann, ohne eine Einladung abzuwarten, über die zwei niedrigen Stufen zum Meister ins Allerheiligste. Beifälligst nickend stellte er sich bald da, bald dort vor den beiden Staffeleien auf und rief endlich mit schlauer Miene:

" Fast so schön wie das Original!" ,, Dann wäre ich zufrieden," sagte Disselhof. Das Er hatte sich in das Friedhofsidyll der Großgörschen­Original ist ein tolles Meisterstück. Entschuldigen Sie, daß straße so völlig eingesponnen, er hatte von früher her so ich mich selber lobe. Sie sehen, ich kopiere da mein eigenes wenige Beziehungen zu gelehrten Kollegen gepflegt, daß er Bild." seit Uebernahme der Redaktion taum mehr ein fremdes Urteil über seinen neuen Kreis vernahm. Und im Hause der Zeitung selbst blieb es dabei, daß die unsauberen Geschäfte, die er da und dort witterte, nicht zu seiner offiziellen Kenntnis gelangten.

Haffner lächelte und drohte mit dem Finger. Nasch sagte er dann:

" Das Bild kaufe ich natürlich."

Vom Kunsthändler, wenn Sie wollen!" rief Diffelhof. Sie wissen, es war bestellte Arbeit."

Um die auswärtige Politik kümmerte sich Mettmann   weniger Haffner klagte, daß er nun werde übervorteilt werden, als je, da Bodes Leitartikel anfingen, beachtet zu werden. Hielt eine Rede über die Kunstaufgaben des Staats und Und wegen der Vorkommnisse in den andren Teilen der ging erft, als alle Künstler vor Ungeduld außer sich waren. Zeitung verständigte er sich ja mit den gefälligen Unter­Zwölf schlafende Ariadnen waren zum Entsehen des redacteuren selbst. Bode hatte mehrere dieser Herren als so Kunsthändlers fertig geworden, es kamen schon kühle Tage, gute Kameraden kennen gelernt, daß er ihnen wohl ein wenig