426
G
waren gleich der Blüte ihres reizenden Gefichtchens mit den bei der Gewinnteilung gar nichts auf einen fam. So liefen lachenden blauen Augen und dem kleinen, frischen Munde. seit zwei Monaten sehr böse Gerüchte um, es hieß, daß man Und wie ein wohlgestimmter Rahmen umgab sie das helle, sich dieses Jahr werde sehr einschränken müssen, weil neue reinliche, mit gestrichenen Möbeln eingerichtete Eßzimmer, ihr Maschinen anzuschaffen waren. Und in den Genossenschaftsliebster Raum in dem kleinen Hause, welches sie so glücklich magazinen ging es auch oft genug sehr unordentlich zu; betreten hatte, und welches sie seit nun drei Jahren mit so manchmal sandten sie einem Kartoffeln, wenn man Petroleum viel Freude bewirtschaftete und zu verschönern sich bemühte. bestellt hatte; manchmal vergaßen sie die Bestellung ganz, Woran dachte Josine, während sie so mit traurigem und man mußte dreimal hinlaufen, ehe man endlich bekam, Ausdruck auf ihrem blassen Gesichte in tiefem Sinnen dafaß? was man wollte. So höhnte er und schmähte er, nannte die Als Bonnaire Ragu bewogen hatte, ihm zu folgen und sich ganze Crêcherie eine elende Bude, der er so bald als möglich der Genossenschaft der Kameraden anzuschließen, hatte sie den Rücken kehren werde. ( Fortsetzung folgt.). geglaubt, daß nun alles Leid vorüber sei. Sie sollte nun ein hübsches Haus für sich haben, das tägliche Brot war gefichert, und Ragu selbst würde sicher ein besserer Mensch
id in n
werden, wenn er in seiner Arbeit nicht mehr so viel Plage und Bailonschluß und Theaterbilang. Verdruß hatte. Und ihre Erwartungen wurden nicht getäuscht, Die Hige hat bereits einen ganz respektablen Grad erreicht, Ragu hatte sie sogar, auf den ausdrücklichen Wunsch ohne daß die Bühnen zu spielen aufgehört hätten. Eine„ tote Soeurettes hin, geheiratet, freilich, ohne daß sie hierüber fo Saison" giebt es eigentlich kaum in Berlin . Und wenn die Hige fo glücklich gewesen wäre, wie sie einmal, zu Anfang ihres Ver- hoch steigt, daß der Asphalt weich wird und zu riechen anfängt- hältnisses, geglaubt hätte. Sie hatte sogar nicht eher ein- gespielt wird doch. Das Theaterpublikum des Winters freilich gewilligt, als bis fie Lucas befragt hatte, der ihr Retter, ihr ist nicht mehr vorhanden oder meidet wenigstens das schwüle Herr, ihr Gott war. Und im tiefsten Herzen barg sie die Parkett. Dafür aber kommt der sommerliche Fremdenstrom töftliche Erinnerung, daß er durch diese Bitte um Erlaubnis in Verwirrung gesetzt worden war, daß er, wie sie fühlte, eine Minute des Schmerzes durchgemacht hatte, ehe er seine Einwilligung gab. Aber war das nicht die beste, die einzig mögliche Löfung? Sie konnte nur Ragu heiraten, da diefer sich dazu bereit erklärte. Lucas mußte um ihretwillen froh über diese Wendung sein, und er bewahrte ihr nach ihrer Heirat diefelbe Zuneigung, fandte ihr, so oft er sie sah, ein Lächeln zu, als ob er sie fragen wollte, ob sie glücklich sei. Und ihr armes Herz verging, verlechzte in unbefriedigter Sehnsucht nach Zärtlichkeit.
Mit einent leichten Zufammenzucken erwachte Jofine aus ihrem trüben Sinnen, als ob ein Hauch ihr die Nähe desjenigen angekündigt hätte, an den sie dachte. Sie wandte sich um und sah Lucas, der sie mit teilnahmsvollem Lächeln betrachtete.
nach Berlin , und so wird für die Fremden gespielt, die in ihrer Provinzstadt nur theatralische Genüsse bescheidener Art erlangen konnten. Das Geschäft geht also weiter, ohne indes fünstlerisch etwas Neues zu bringen. ehe etwas Neues zu bringen. Soweit die Kunst in Betracht kommt, kann man schon jetzt von einem Saisonschluß reden, und somit ist der Augenblick gekommen, die Bilanz des Winters zu ziehen. Allem andern voran, als das eigentliche große Ereignis muß die Aufführung der„ Orestie " von Aeschylos genannt werden. ant fich ein Fest, wie es einem selten Die Aufführung, geboten wird, interessierte noch durch zwei Nebenumstände. Einmal ging fie von den Studenten aus, in deren Mitte sich wieder geistiges Leben zu regen scheint, und dann hatte der alte Aeschylos bei den modernen Berlinern einen fast sensationellen Erfolg. Obwohl die Schauspieler, die von verschiedenen Bühnen stammten, nur mit Mühe zusammengehalten werden konnten, mußte die Vorstellung mehrfach wiederholt werden und die Nachfrage nach den Karten war jedesmal fast stürmisch. Wenn man von Aeschylos absieht, der von keinem modernen Dichter erreicht werden kann, entfällt der Hauptauteil an dem litterarischen Gewinn des Winters auf das Berliner Theater", das unter Lindau einen faſt verblüffenden Aufschwung genommen hat. Hier sprach Björnsons verblüffenden Aufschwung genommen hat. Ueber unsre Kraft I. Teil" zum erstenmal zur breiten Deffentlichkeit, und dieses starke Drama, dessen hoher Wert durch den verunglückten legten Aft nicht vernichtet werden kann, erwies sich als ein Schlager". Wir bemerken das nicht, weil uns die Finanzen des„ Berliner Theaters" sonderlich am Herzen liegen, wir erwähnen es, weil es von kulturellem Interesse ist, daß ein wertvolles Stunstwerk das große Bublikum zwingt. In demselben Theater erlebten wir einen äußerst interessanten litterarischen Nachmittag, besonders ergreifend durch die Aufführung von Kleistens Robert Guiscard ", aber fesselnd auch durch Elpenor" und Sathros" von Goethe.
Ich bin gekommen, liebes Kind, weil Ragu mir sagte, daß Sie sich in diesem Hause sehr schlecht befinden, daß es dem vollen Windanfall von der Ebene her ausgesetzt ist und daß der Sturm wieder drei Scheiben in Ihrem Schlafzimmer zerbrochen hat."
Sie hörte ihn verwirrt und betroffen an und wußte nicht, was sie sagen sollte, um ihren Mann nicht Lügen zu strafen und doch auch selbst nicht zu lügen.
" Ja, Herr Lucas, es find einige Scheiben zerbrochen, aber ich weiß nicht gewiß, ob das der Wind gethan hat. Freilich, wenn der Wind von der Ebene her weht, bekommen wir unser gutes Teil davon.
Ihre Stimme zitterte, sie konnte zwei schwere Thränen nicht zurückhalten, die ihr über ihre Wangen herabrollten. Ragu war es, der in einem Wutanfall die Scheiben zerbrochen hatte, als er alles zum Fenster hinauswerfen wollte.
Wie, Josine, Sie weinen? Was fehlt Ihnen? Sagen Sie mir alles, Sie wissen, daß ich Ihr Freund bin."
Er hatte sich neben sie gefeßt, sehr bewegt, als er sie unglücklich sah. Aber schon hatte sie ihre Thränen getrocknet. Nein, nein, es ist nichts. Verzeihen Sie meine Thor heit. Sie treffen mich gerade in einem schlechten Augenblick, wo ich mir dumme Gedanken mache und mich unnötig abhärme."
"
"
Wiederum in demselben Theater entzückte uns Aristophanes durch sein graziöses Lustspiel Frauenherrschaft ", das in Wilbrandt einen geschickten Bearbeiter gefunden hatte, und endlich erwarb fich die Leitung ein Verdienst, indem sie Schlafs, Meister Delze" in wirkungsvoller Besetzung herausbrachte. Auf ein Haar hätte es dabei in den früher so friedlichen Räumen einen Theatersfandal gegeben. Das Deutsche Theater" blickt auf einen mißver gnügten, grämlichen, erfolglosen Winter zurück. Die meisten Hause autoren fielen glatt durch, und dazu kamen einige Stücke, die man wohl am besten als Blamagen bezeichnet. Hauptmann& Michael Stramer" muß mit Hochachtung genannt werden, war aber doch bei aller Hochachtung ein mißlungenes Stück. Als einzige ganz und gar erfreuliche Vorstellung bleibt die Macht der Finsternis" übrig, die wiederum auch beim Bublifum einen Erfolg hatte. Im Aber so sehr sie sich auch sträubte, er brachte sie dazu, übrigen lebte die Bühne sozusagen von ihren ausgezeichneten Schaudaß sie ihm ihr Herz ausschüttete. Ragu konnte sich in diese spielern. Was sie litterarisch schuldig blieb, suchte sie durch glänzende friedliche und geordnete Lebensweise, in das langsame und Neueinstudierungen gut zu machen, so durch Wolzogens ausdauernde Emporarbeiten zu einer besseren Eristenz nicht Lumpengesindel" und Ibsens „ Voltsfeind". hineinfinden. Er schien Heimweh zu haben nach dem Elend und Schauspielhaus brachte in" Agnes Bernauer " eins der den Leiden der Lohnfklaverei, an die er sich gewöhnt hatte, für die er Trost in der Schenke und in ohnmächtigen Worten der Empörung fand. Er vermißte die schwarzen und schmutzigen Werkstätten, den stillen, geheimen Kampf mit den Vor gesetzten, die brutalen Streitigkeiten mit den Kameraden, die Lage voll Haß und Wut, die damit endeten, daß man zu Hause das Weib und die Kinder schlug. Nachdem er sich zuerst in Spottreden Luft gemacht hatte, war er nun bei den Schimpfreden angelangt, nannte die Crêcherie eine große Kaserne, ein Gefängnis, wo man gar keine Freiheit hatte, nicht einmal die, einmal ein Gläschen mehr zu trinken, wenn man Lust dazu bekam. Dabei verdiente man gar nicht mehr als In der Hölle und hatte obendrein allerlei Sorgen, war der Gefahr ausgesetzt, daß das ganze Unternehmen schief ging, daß
schwächsten Dramen Hebbels.
aber
Da
von dieser Seite mußte felten etwas gebracht wird, die Gabe mit Dank entgegengenommen werden. Am wertvollsten waren schließlich die Neueinstudierungen bon„ Macbeth" und " Emilia Galotti". ,, Emilia Galotti". Ein kleines, feines Lustspiel von Molière wurde so elend gespielt, daß es aus der Betrachtung ausscheiden muß. Im„ Schiller- Theater" ist vor allem Karl Hauptmanns Ephraims Breite" zu nennen, durch dessen Aufführung sich Löwenfeld ein litterarisches Verdienst erwarb. Der Versuch, ben a weiten Teil des" Faust" für die Bühne zu gewinnen, war ein interessantes Experiment, aber schließlich auch nicht mehr. Bei Gelegenheit des Gastspiels von Bonn wurden wir durch einige gute Klassiteraufführungen erfreut. Die Secessionsbühne" hatte in ihrem ersten Winter schwer zu kämpfen. Nichts destoweniger hat sie einen fünstlerisch wertvollen Einatter gebracht. die„ Bildich niger" von Karl Schönherr . Auch für die Versuche mit
-