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Der Sekretär: Jemand, der es verdient? Der Maire: Ja, besser als sonst einer! Das wär'' ne Ernennung, die der Republik Ehre machen würde. Ein Mann, der dem Lande seit 114 Jahren dient!
Hm!
Der Sekretär( eifrig): 114 Jahre! Ein Centenar das würde sich gut machen. Wie Sie haben einen Hundert jährigen und sagten mir das nicht?
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Der Maire( erstaunt):' n Hundertjährigen? Wer spricht denn von' nem Hundertjährigen?
Der Sekretär( seine Feder wieder ergreifend): Na, wie lautet der Name des Mannes, der dem Lande seit 114 Jahren dient?
Der Maire: Das bin ich!
Der Sekretär: Sie?( berdugt). Wie alt find Sie denn? Der Maire: Am 15. August werde ich 521
Der Sekretär: Nal wieso haben Sie denn 114 Dienst jahre?
Der Maire( an den Fingern abzählend): Erst war ich 5 Jahre Soldat!
Der Sekretär: Gut, fünf Jahre!
Der Maire: Dann war ich 2 Jahre Feuerwehrlieutenant! Der Sekretär: Zwei Jahre!
Der Maire: Dann bin ich 15 Jahre Maire- Adjunkt gewesen und Mitglied der Schulkommission und Mitglied der Armenkommission und Vice- Ehrenpräsident vom Gesangverein und Mitglied der Impftommission
Der Setretär: Fünfzehn Jahre. Der Maire: Nein, 75, 5X15 macht 75! Der Sekretär( verdugt): Allerdings
Der Maire( triumphierend): Seit acht Jahren bin ich Maire, dann bin ich Präsident der Schulkommission geworden, Präsident der Armenkommission und Präsident der Impfkommission. Aber die Präsidentschaft des Gesangvereins habe ich fallen lassen( über zeugt). Die Musik zieht den Hagel herbei... Nun, haben Sie gezählt? Das macht doch 114 Jahre 1
Der Sekretär( addierend): Ganz recht, ganz recht! Der Maire: Na,' s ist also abgemacht?
Der Sekretär: Reichen Sie Ihr Gesuch ein; ich werde mich gleich damit beschäftigen.
Der Maire: Schön! machen wir!( Er wendet sich zum Fortgehen, besinnt sich aber, dreht uni, geht wieder auf den Sekretär zu und sagt, sich über den Tisch neigend): Da man nach Donézy- Lahme nur ein Band giebt, so seh'n Sie doch zu, daß' s ein rotes*) ist; denn seh'n Sie, wenn es alt ist, dann kann man immer noch Frösche damit fangen!-
Kleines Feuilleton.
oe. Herbstgang. Im Herbst über Land, wonniges Wandern! Die Sonne wärmt, aber sie brennt nicht mehr, die Luft ist frisch und rein, eine Klarheit liegt auf Feld und Wiesen: durchsichtig, zart
und fein wie Glas
Aber draußen muß man wandern, ganz weit draußen, wo die Dörfer liegen, da geht der Heerweg quer über Land, da ist es schön, wenn der Herbst beginnt.
Ist denn Herbst?
Drinnen in der Stadt fagen fie es. Mag auch schon wahr sein. Die Bäume am Kanal stehen dürr und blaitlos, die Sonne birgt sich früh hinter hohen Dächern. Das ist der Herbst. Aber hier draußen
Lichtblauer Himmel spannt sich weit über frisch grünes Land. Auf den Feldern ein Sprießen und Keimen, junge Saat steigt lebensfroh aus frisch gepflügten Ackerschollen, wie ein zarter grüner Hauch deckt der junge Winterroggen das braune Land. Blumen blühen auf den Wiesen, Blumen im Oftober noch. Die kleine rote Federnelfe hebt das Köpfchen leuchtend aus dem weichen Gras, die Schafgarbe, die gelbe Lichinelle, sie sind alle noch da: Vorwigig fede Dinger find es, thun gar nicht, als ob der Sommer zu Ende wär, leuchten und lachen und blühen. Und im Walde stehen die Föhren grün und dunkel, wie im Sommer. Frischer, faftiger noch erglänzt das dunkle Moos. Vögel fingen hell und jubilierend, Meisen und Rotfehlchen, und der Buchfink schlupft von Ast zu Ast.
Ist denn Herbst?
Ist schon Herbst: um die Eichen hängt das welle Laub wie Gold und Blut. In das zarte Grün der Birken mischt sich schon ein feiner gelber Ton. Der Ahorn schüttelt große goldene Blätter, die Linden stehen ganz kahl. Wenn der Wind den Wald durchfährt, fuackt und fuarrt es im dürren Holz.
Aber Sonne liegt über allem, warme, helle, lache: de Sonne. Goldner Herbst.
Die Landstraße ist leer urd still; endlos, unabsehbar schlängelt sie sich durch Wald und Acker, kein Mensch zu sehen, so weit das Auge reicht. Aber dann auf einmal Räderrollen. Wagen kommen von der Stadt heraus, ein ganzer Korso; hochrädrige Jagdwagen, elegante Equipagen, die Herren haben Flinten über die Schulter, die Schleier der Damen flattern, irgendwo tönt es wie ein abgebrochenes Lied:„ Gar luftig ist die Jägerei allhier auf grüner Heid' 1"
*) Band der„ Ehrenlegion".
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Flüchtig wie ein Traum gleitet alles vorüber, links im Walde verschwindet der Zug. Da hinaus liegen große Güter, Gilter mit Schlössern und stattlichen Herrenhäusern, wer mag wissen, wo da heut was los ist".
Ein Kartoffelwagen kommt vom Acer her, schwerfällig mahlen seine Räder durch den weichen Lehm. Ein kleiner weißer Spiz sizt neben dem Fuhrmann. Kläffend springt er auf die Kartoffelsäcke und wieder herunter, seine helle, zeternde Stimme dringt durch das weite Land. Nun schweigt auch diese Stimme; der Wagen biegt in einen Feldweg ein, jetzt ist er ganz verschwunden, kein lebend Wesen mehr zu sehen ringsum.
Aber viele Fußspuren sind im Sand. Spuren, die kommen und gehen, große und kleine. Viele Schritte sind hier gegangen, woher, wohin? Wer kann es sagen? Wandert viel Volts hier über Land. Steins, das Sammet und Seide trägt, das hat seine Equipagen. Armes Volk, fahrende Gesellen.
In Wind und Wetter gehen sie, in Sturm und Regen. Wenn die Spuren da reden könnten, das gäbe Geschichten. Denen auf den großen Gütern drüben würden vielleicht die Ohren davon gellen. Vielleicht würden sie auch gar nicht danach hinhören. Das ist das Allerwahrscheinlichste.
Unten an der Wegbiegung taucht ein Dorf auf. Niedere Ziegeldächer decken niedere Hütten. Armselig und eng das Ganze, aber wie Frieden liegt es darüber ausgebreitet, traulich, lockend: hier ist gut rasten, hier wohnt das Glück.
Wohnt es hier?
Vor dem kleinen Hause mit dem Fliederbusch steht eine Frau und zählt Aepfel in hölzerne Tinen, fie fie nimmt sie aus einem Korbe und bettet sie sorgfam, der Mann sieht ihr zu, er hat die Pfeife im Munde und lehnt in der Hausthür, ein verträumter Ausdruck liegt in seinem faltenreichen Gesicht; des Sommers Arbeit ist gethan, jezt kommt die Ruhe. Goldner Herbst!
Aber der Mann horcht auf. Die Frau hält in der Arbeit inne. Irgend woher tönen Stimmen; näher und näher kommen sie, um die Ecke biegt ein Trupp Menschen, Frauen, Männer und Kinder. Sie gestikulieren und schreien; ein großer Junge läuft voran, schon von weitem ruft er:" Badda, uns' Roggen uns jung' Roggen, über unse Roggen find se geritten!"
die
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" De Jagd über'n Roggen, de ganze Jagd!"
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mit
Mit de Wagens sind se rüber, die Damens von's Jut Wagens übern jungen Roggen. All hin is er!" Sie schreien alle durcheinander, es will jeder zuerst erzählen. " Herrgott!" Die Frau schreit auf, die Aépfel fallen ihr aus die Acpfel fallen ihr aus Hand: Unse Roggen, unse junge Roggen all hin!" Sie starrt ihren Mann an; der fährt auf: Unse Roggen?"
der
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Er begreift noch nicht, dann scheint es ihm zu dämmern, in sein stilles Gesicht kommt ein Leuchten, er stürzt den andren entgegen und ballt die Fäuste: Unse Roggen, Herr Sakra! Unse Noggen! Verdammtes- 1"
ihm entgegengestürzt, sie hält ihm die Hand vor den Mund:" Sag Wie ein Fluch kommt es über seine Lippen. Aber die Frau ist man nischt, sag' man nischt! Wenn's nu eener hört. Kriegst's be zahlt, weeßt doch!"
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und alle Arbeit und alles Ja woll bezahlt!" er lacht höhnisch.' n Sechser for' n Dahler, hin!" Die Frau jammert: Sag' man nischt! Wenn's eener hört, raf hat einspunnen laffen auf Beleidijung, fag' man nischt!" wirste arretiert. Weeßte, wie Miglaf, aufs vorchte Jahr, den der
Die andern nicken:„ Nee, nischt seggen, feggen derf man nischt." " Derf man nischt?" Die Stimme des Mannes klingt wie Hohn. fammen und tuscheln leiſe. Und dann stehen sie alle bei einander und stecken die Köpfe zu
Die Blätter fallen. Graner Herbst!- Ein Windstoß kommt vom Walde her und schüttelt die Bäume.
Theater.
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Deutsches Theater: Die Wildente" von Jbse it.Die Neueinstudierung hatte nicht ganz den festlichen Glanz, der über der Vorstellung lag, die wir vor vier Jahren an derselben Stelle sahen. Es ist schwer zu sagen, woran das gelegen haben mag, ob an einzelnen Leistungen oder an der Regie oder an beidem. Immerhin lassen sich gewisse Faktoren nennen, die die Neueinstudierung ungünstig beeinflußten und so zur Zerstörung des ursprünglichen Glanzes beitrugen. Um vont vorne zu be= ginnen, müssen die Ensemblescenen des ersten Attes getadelt werden; sie waren farblos. Jbsen hebt aus der Zahl der Gäste einige Typen hervor, die auch bei der Aufführung plastisch aus dem Rahmen hervortreten müssen. Von einem scharfen Hervortreten aber war keine Rede. Dadurch löschte man die Lichter aus, die Ibsen, der kluge Techniker, der Ensemble scene aufgesetzt hatte. Wenn man aber Lichter auslöscht, verdunkelt man und so blieb die Scene grau. Am schlimmsten aber fündigte Hofmeister, der in der Rolle des alten Werle von geradezu verblüffender Ohnmacht war. Die Auseinandersetzung mit dem Sohn spielte er qualvoll langweiltg, wodurch selbstverständlich die Stimmung des ganzen ersten Aftes litt. Wenn es irgend möglich ist, die tolle anders zu besetzen, sollte man es schleunigst thun. Hofmeister spielte so etwas wie einen steifen Bureaukraten, der vornehm thut, und spielte auch den noch mit einer Gebundenheit und Unfreiheit, die peinlich wirkte. Die Rolle der Hedwig hatte man der kleinen.