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Schlaf leis, erst zwischen der zweiten und dritten Stunde erreicht! er seine größte Tiefe, die aber bei weitem nicht so groß ist, als die im oben beschriebenen Fall. Von der dritten Stunde ab sinkt die Stärke des Schlafes, er wird aber auch in den nachfolgenden Stunden nicht so leis wie beim ersten Typus.
Zwischen diesen beiden Hauptarten des Schlafes giebt es eine Anzahl mittlerer Abstufungen.
Die Aerzte halten nun den zuerst beschriebenen Schlaf für einen awedmäßigeren. Er dürfte die normale, gesunde Schlafform sein. Je tiefer der Schlaf ist, desto ergiebiger ist seine Wirkung, desto rascher und gründlicher erfolgt in ihm das Ausruhen und die Erholung des Gehirns.
Bei diesem ersten Schlaftypus ist die wesentliche Aufgabe des Schlafes in verhältnismäßig sehr kurzer Zeit in etwa 13/4 bis 2 Stunden gelöst. Diese Thatsache erklärt uns zur Genüge, warum Landlente im Sommer oder mit Wachtdienst betraute Leute nach einem kurz andauernden Schlafe, namentlich wenn noch im Lauf des Tages eine furze Schlafzeit eingeschoben wird, ganz Außerordents liches zu leisten vermögen. Damit steht auch wohl die landläufige Meinung in Verbindung, daß der Schlaf vor Mitternacht der beste fei.
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" Ja, ich wüßte auch nicht, was sich verändern sollte." " Wir sind konservativ," nickte die Posträtin, das ist auch ganz gut so, wir sind nicht so veränderungstoll wie die in Berlin ."
" Ja," sagte Frau Helene ernsthaft, das habe ich auch schon zu Milly gesagt, ob man hier drei Monate oder drei Jahre fort ist, es bleibt alles beim alten."
„ Na, das wollen wir mm doch nicht fagen. Sie thun ja gerade, als schliefen wir hier." Die Oberlehrersgattin war sehr indigniert: Wir sind genau jo helle wie die Berliner ; wir gehen auch mit der Beit!"
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" Jetzt haben wir sogar schon zwei Zeitungen," rühmte die Doktorsfrau; sie war flein und zierlich, hatte ein paar luftige Augen und offenbar den Schelm im Raden. Sie zwinterte Frau Helene zu:„ Neben dem Stadtblatt auch noch ein Abendblatt, haben Sie es schon gelesen?" „ Es wurde uns neulich in die Thür gestedt," erwiderte die Hausfrau für ihre Schwester, wir wollen aber doch beim Stadtblatt bleiben!"
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" Sehr richtig," nickte die Oberlehrersfrau. Herr Hilfslehrer Matterne hat gleich das Abendblatt bestellt." Sie sagte das Leyte so gewichtig, als spräche sie ein Todesurteil. Es entstand ein unheilDer zweite Typus zeigt feine so starke Vertiefung. In ihm volles Schweigen, nur die Apothekerfrau meinte geringschäzig: Na bleibt der Schlaf leiser; er ist darum auch unruhiger und wird viel- ja, der!" fach durch Träume gestört. Er bringt dem Gehirn in der gleichen„ Ich finde das Abendblatt ganz nett," meinte Frau Helene. Beit nicht dieselbe Erholung wie der tiefere. Nach ihm stehen die„ Warum soll er es denn nicht bestellen?" Menschen nicht immer frisch und erquickt auf; fie flagen vielmehr Weil man das Alte stizen soll!" Die Oberlehrersgattin geriet in den ersten Morgenstunden über Müdigkeit und Niedergeschlagenheit. in Eifer. Wozu denn all diese Neuerungen? Wir haben ja am Michelson hat nun seine Versuchspersonen auch über ihre Stadtblatt genug, und wie hat sich das Stadtblatt für alles, was Leistungsfähigkeit zu verschiedenen Zeiten ausgefragt. Es giebt ja, die Stadt angeht, ins Zeug geworfen! Und das Abendblatt soll so wie die tägliche Erfahrung lehrt, Personen, welche morgens am gar liberal sein." leistungsfähigsten sind, und ihnen stehen solche gegenüber, deren Disposition zu geistigen Leistungen abends eine besonders gute ist. Da hat es fich herausgestellt, daß die Morgenarbeiter sich des anfangs sehr tiefen, wenn auch fürzeren Schlafes erfreuten, während die Abendarbeiter den zuletzt beschriebenen leiseren, unruhigeren Schlaf hatten.
Der berühmte Seelenarzt und Psycholog Kräpelin hat die An sicht ausgesprochen, daß die mit einer guten Morgendisposition be gabten Menschen den gesünderen Typus repräsentieren, während unter den eine bessere Abenddisposition aufweisenden Menschen im allgemeinen eine größere Bahl von nervösen, krankhaft veranlagten Personen sich befinde.
Michelson erinnert ferner daran, daß es zwei verschiedene Formen der krankhaften Schlafstörung giebt. Während manche Kranke durch aus nicht einschlafen können, erst gegen Morgen in tieferen Schlaf verfallen, flagen andre, daß sie zivar rasch einschlafen, jedoch sehr bald wieder aufwachen, und dann entiveder gar nicht oder nur sehr schwer in Schlaf versinken. Die erstere Form der Schlafstörung ist offenbar die schwerere und findet sich am ausgeprägtesten bei Melancholikern und Nervenschwachen; deren nervöse Erregbarkeit derart erhöht ist, daß sie sich abends nicht rasch genug ausgleichen und die zum Einschlafen vermutlich notwendige Blutleere des Gehirns zu stande kommen lassen kann. Daraus erklärt sich auch die Müdigkeit und Niedergeschlagenheit solcher Kranken, welche während der Vormittagsstunden regelmäßig in besonders hohem Grade sich geltend zu machen pflegt. Die letztere Form hingegen nähert sich mehr dem gesunden Verhalten. Sie scheint die kenn zeichnende Form des Greisenschlafes darzustellen, bei dem wir ja früh abends Ermüdung und gleichzeitig Wachwerden in den ersten Morgenstunden autreffen.
Aus dem Mitgeteilten geht nun hervor, daß die erste Form des Schlafes die erstrebenswerte ist. Diese suchen auch die Erzieher und Gesundheitslehrer seit lange zu erzielen, indem sie raten, zeitig abends sich zur Nachtruhe niederzulegen und früh am Morgen aufzustehen. Vielen wird die Befolgung dieser Regeln wenig nügen. Aber nicht für jeden hat die Morgenstunde Gold im Munde. Hervorragende Aerzte find nämlich der Meinung, daß die Morgenoder Abenddisposition der Einzelnen nur zum Teil auf Erziehung und Gewöhnung sich zurückführen läßt, daß sie vielmehr vorzugs weise den Ausdruck einer Anlage bildet. C. Falkenhorst.
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Kleines Feuilleton.
th. Jn Dingeda. Es war eine ausgesucht vornehme Gesellschaft, lauter Honoratioren- Frauen. Wenn Frau Amtsrichter Schneide wind einen Kaffee gab, wurde überhaupt nur Elite geladen. Frau Oberlehrer, Frau Bostrat, Frau Doktor und Frau Apotheker, deren Mann war sogar Stadtrat. Auf den lila Samimetfesseln der guten Stube faßen fie um den runden Marmortisch, tranken Kaffee mit Schlagsahne, aßen Nußtorte und schwazzten.
Eigentlich waren es immer dieselben Geschichten, aber heut' lag doch ein andrer Zug darin. Es war ein fremder Gast im Cirkel, die Schwester der Hausfrau, sie hatte sich vor drei Jahren nach Berlin verheiratet und war das erste Mal wieder in der Vaterstadt. Es drehte sich alles um Frau Helene.
Wie gefällt es Ihnen denn nun jetzt hier?" fragte die Apothekerin.
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Und zu Kaisers Geburtstag bringt das Stadtblatt immer so schöne Gedichte!" nickte die Apothekerin.
Na das letzte hatte lauter Reimfehler," sagte Frau Helene ettvas boshaft, und der Rhythmus...
Wollen Sie mir, bitte, den Zuder herreichen," unterbrach sie die scharfe Stimme der Oberlehrersgattin.
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Aber mit dem größten Vergnügen." Die Doktorin reichte die Buckerschale, hinter dem Taschentuch tuschelte sie Helene zu: Aber seien Sie doch im Himmels willen stille, ihr Mann hat ja das Gedicht gemacht!"
Es entstand eine neue Pause.
Die Apothekerin unterbrach zuerst das Schweigen, etwas spipig wandte sie sich an die Hausfrau:„ Haben Sie denn der Frau Schwester schon die neue Kirche gezeigt? Die wird ihr wohl gefallen!" " Ich habe sie gefehen", erwiderte Frau Helene.
" Ja, sie bauen eine neue Kirche, die alte ist doch eigentlich noch wunderschön."
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Aber doch viel zu flein", entrüstete sich die Bosträtin.
" So? Es stand doch aber neulich im Stadtblatt, die Kirche wäre leider immer halb leer."
" Das sind ja die Kirchen jetzt alle, Lenchen", begütigte die Hausfrau.
Und außerdem hoffen wir doch auch dadurch den Hof herzu bekommen", sagte die Hausfrau.„ Sieh mal, bisher hat der Hof uns hier ganz links liegen lassen, aber zur Grundsteinlegung war schon ein Kammerherr hier, zur Einweihung kommt vielleicht ein Prinz." „ Und das„ Leere" fommt auch noch von der Sache mit den Bastoren", fügte die Bosträtin hinzu.
ein
ist
"
Was ist mit den Pastoren?" Frau Helene Horchte auf. Eigentlich gar nichts", meinte die Apothekerin.
" Sie verstehen sich bloß nicht., Prediger Sause ist nämlich so na ja, ein Freigeist. Und unser Pastor Gräz ist Sehr fanatisch", warf die Doktorin ein.
" Nein, gar nicht! Er nimmt es nur ernst mit der Kirche und nach oben gut angeschrieben." Die Apothekerin wurde selber
fanatisch.
„ Ach und nun reiben sie sich?" Frau Helene lachte.
Wo sie tönnen," ficherte die Doktorsfrau, und denken Sie nur, die ganze Gemeinde ist in zwei Lager geteilt, und die einen gehen zu Pastor Grätz und die andern zu Pastor Sause."
" Herr Hilfslehrer Matterne geht immer zu Herrn Pastor Sause," sagte die Oberlehrersgattin, und es klang wieder wie ein Todesurteil.
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„ Er hält es überhaupt mit Bastor Saufe," nicht ernsthaft die Apothekersfrau, damals die Sache im Lehrerverein mit dem Vortrag, das war sein Werk."
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„ Es war sein Wert," echote die Oberlehrersgattin. Wenn mein Mann da gewesen wäre, hätt' Pastor Gräz den Luther - Vortrag halten müssen."
Und dann die Grundsteinlegung," rief die Pofträtin. " Empörend war die Grundsteinlegung," bestätigte dieApothekersfrau. Was war denn da?" fragte Frau Helene.
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" Ach, eigentlich kann man es fanm erzählen. Herr Bastor Sause hat die Schrift verfaßt, die in den Grundstein kommt, und hat die Namen nicht genamit, seinen Namen nicht und den von Pastor Gräz erst recht nicht."
" Das sollte nämlich recht bescheiden aussehen," erklärte die Posträtin, aber eigentlich war es nur' ne Bosheit, er wollte Gräzens Namen nicht der Nachwelt aufbewahren."
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Es ist ja alles wie es immer war," meinte Frau Helene und Bei einer Kirche, die auf solchem Grundstein ruht, kann doch lächelte leise. the fein Segen sein!"