Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 59.

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Das Geld.

Mittwoch, den 25. März.

( Nachdruck verboten.)

Roman von Emile Zola  .

Noch eine Minute fann Saccard hin und her. ,, Nun, abgemacht! Suchen Sie mit Ihrem Manne eine Zusammenkunft und bringen Sie mir ihn hierher. Sie sollen das Blatt leiten, und ich will zusehen, daß ich unser ganzes Reklamewesen in Ihren Händen vereinige. Ich will eine ganz außergewöhnliche, eine ungeheure Reklame, später, sobald wir die Mittel haben werden, die Maschine tüchtig zu heizen!"

Er war mit diesen Worten aufgestanden, Jantrou eben­falls. Dieser verbarg seine Freude, jett Broterwerb gefunden zu haben, unter dem renommistischen Lachen des herunter­gekommenen Bummlers, der des Pariser Straßenfotes über­drüssig ist.

Endlich werde ich also wieder in meinem Elemente sein, in meiner geliebten Litteratur!"

Nehmen Sie noch keine Mitarbeiter an," sagte Saccard, indem er ihn hinausbegleitete. Salt! da ich eben daran denke, notieren Sie' mal einen Schüßling von mir auf, Paul Jordan. Den jungen Mann halte ich für ein bemerkens wertes Talent; aus ihm werden Sie einen vortrefflichen litterarischen Redakteur machen. Ich will ihm schreiben, daß er Sie aufsuchen soll."

Jantrou ging zur Seitenthüre hinaus, als ihm die glück­liche Anordnung dieses Doppelausganges auffiel.

Ei, das ist bequem!" sagte er mit seiner gewohnten Bertraulichkeit, man läßt die Leute verschwinden... Wenn dann schöne Damen kommen, zum Beispiel die, welche ich vorhin im Vorzimmer begrüßt habe, die Baronin San­dorff...

Saccard war die Anwesenheit der Baronin unbekannt. Er zudte gleichgültig die Achseln; aber der andre lachte höhnisch und wollte an diese Gleichgültigkeit nicht glauben. Beide Männer tauschten einen fräftigen Händedruck aus.

Als Saccard allein war, trat er unwillkürlich vor den Spiegel und fuhr sich durch das Haar, worin noch kein weißes Fädchen sich zeigte. Trotzdem hatte er nicht gelogen: die Weiber fümmerten ihn nicht viel mehr, seitdem die Geschäfte ihn wieder ganz in Anspruch nahmen. Er ließ sich nur von der unfreiwilligen Galanterie hinreißen, die in Frankreich  so weit geht, daß ein Mann mit einer Frau nicht allein sein fann, ohne zu fürchten, für einen Thoren zu gelten, wenn er sie nicht zu erobern sucht.

Sobald er die Baronin hereingebeten hatte, zeigte er sich überaus dienſteifrig.

Gnädige Frau, darf ich Sie bitten, Platz zu nehmen?" Noch nie war ihm die Baronin so eigentümlich ver­führerisch vorgekommen, mit ihren roten Lippen und den um­ränderten Lidern ihrer glühenden Augen, die unter buschigen Brauen tief versteckt waren. Was konnte sie von ihm wollen? Er blieb überrascht und fast enttäuscht, als sie ihm den Be­weggrund ihres Besuches dargelegt hatte.

"

Mein Gott, verehrter Herr. Sie verzeihen, wenn ich Sie ohne Nutzen für Sie bemühe; aber unter Leuten gleicher Ge­sellschaftskreise muß man sich gegenseitig derlei kleine Dienste leisten... Sie haben fürzlich einen Küchenchef gehabt, den mein Mann anzustellen bereit ist. Ich komme also einfach, um mich über den Mann zu erkundigen."

Daraufhin ließ er sich ausfragen und antwortete mit größter Verbindlichkeit, ohne indessen die Augen von ihr zu Tassen; denn er glaubte zu erraten, daß dies ein bloßer Vor­wand sei; ihr konnte der Küchenchef gleichgültig sein, sie fam offenbar aus einem andren Grunde.

In der That machte die Baronin bald eine schlaue Schwenkung und kam endlich auf einen gemeinsamen Be­fannten zu sprechen, den Marquis de Bohain  , welcher ihr von der Banque Universelle   erzählt hatte. Es kostet so große Mühe, sein. Geld anzulegen und sichere Werte zu finden! Schließlich begriff Saccard, daß sie gerne Aftien nehmen wollte, mit der dem Konsortium eingeräumten Prämie von zehn Prozent. Noch besser begriff er dann, daß sie nichts zahlen würde, wenn er ihr ein Conto eröffnete.

1903

Ich habe nämlich mein eignes Vermögen, mein Mann fümmert sich niemals darum. Dies verursacht mir viel Plackereien, macht mir aber auch etwas Vergnügen, das gehe ich zu!. Nicht wahr, wenn man sieht, daß eine Frau sich mit Geldgeschäften abgiebt, und noch dazu eine junge Frau, so wundert man sich und ist versucht, sie darob zu tadeln.. Mitunter bin ich in tödlicher Verlegenheit, da ich keine Freunde habe, die mir Nat erteilen wollen. Erst beim letzten Stichtag habe ich in Ermangelung einer richtigen Auskunft eine er­hebliche Surime verloren... O! bald werden Sie in so günstiger Lage sein, um alles zu wissen; wenn Sie nun liebens­würdig genug wären, wenn Sie wollten..

Die Spielerin schaute hinter der Maske der feinen Dame hervor, die gierige, leidenschaftliche Spielerin. Die Tochter des Hauses Ladricourt, deren Ahne einst Antiochia   erobert hatte, diese Frau eines Diplomaten, vor welcher die Bariser Fremden­kolonie sehr tief den Hut zog, sie wurde durch ihre Spielwut als zweideutige Bittstellerin in das Haus aller Finanzmänner getrieben. Ihre Lippen glühten blutrot, ihre Augen flammten heißer auf, ihre Gier machte sich gewaltsam Luft, daß in ihr alles zusammenzuckte, wie in heißem Verlangen.

Es würde mir allerdings sehr angenehm sein, meine Gnädige, Ihnen meine Erfahrungen zu Füßen zu legen." Er hatte seinen Stihl näher gerückt und ergriff ihre Hand. Sofort schien sie ernüchtert.

Onein! so weit war's mit ihr noch nicht gekommen; es wäre immer noch Zeit, die Mitteilung einer wichtigen Depesche um diesen Preis zu erkaufen. Für sie war schon das Ver­hältnis zum Generalstaatsanwalt Delcambre eine entsegliche Plage, zu diesem hageren und gelblichen Mann, den sie infolge der Knickerei ihres Mannes erhören mußte. Und ihre Gleich­gültigkeit gegen das männliche Geschlecht, ihre heimliche Ver­achtung desselben hatte sich in eben diesem Augenblick in Ge­stalt einer matten Blässe auf ihrem leidenschaftlich geröteten Antlitz gezeigt, das nur in Spielaufregung erglühte.

Sie erhob sich. In ihr empörte sich das adelige Geschlecht und die Erziehung, so daß ihr wieder einmal das Geschäft verdorben war.

,, Sie sagten also, mein Herr, daß Sie mit dem Küchen­chef zufrieden waren?"

Verwundert hatte sich Saccard gleichfalls erhoben. Was hatte sie denn gehofft? daß er sie ganz umsonst als Teilhaberin einschreiben und mit Nachrichten versehen würde? Alles in allem, sagte er sich man muß den Weibern mißtrauen, denn beim Handel beweisen sie eine zweifellose Unredlichkeit. Obwohl er diese Frau begehrte, drang er nicht weiter in sie und verbeugte sich mit einem Lächeln, welches be­deutete: Wie Sie wünschen, gnädige Frau, sobald es Ihnen belieben wird," während er laut antwortete:

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,, Sehr zufrieden, ich wiederhole es, nur eine Umgestaltung meines Haushalts fonnte mich veranlassen, ihn abzudanken. Die Baronin Sandorff zögerte kaum eine Sefunde lang, nicht als ob ihr jene Empörung ihres Ichs leid gethan hätte, aber sie fühlte ohne Zweifel, wie kindlich naiv es von ihr war, zu einem Saccard zu kommen, ohne zum voraus mit den äußersten Folgen zu rechnen. Dies erbitterte sie gegen sich selbst, denn sie bildete sich ein, eine fluge Frau zu sein. Schließlich erwiderte sie mit leichtem Kopfnicken den achtungs­vollen Gruß, womit Saccard sie entließ.

Er begleitete seinen Besuch bis zum Seitenthürchen, als dieses von einer vertrauten Hand rasch geöffnet wurde. Es war Marime, der an jenem Morgen bei seinem Vater speiste und als Angehöriger durch den Gang hereinkam. Er trat beiseite und verneigte sich gleichfalls, um die Baronin hinaus­zulassen. Als sie draußen war, schlug er eine leichte Lache an. So beginnt jegt Dein Unternehmen? Sind das die Vorprämien, die Du einnimmst?"

Troß seiner noch großen Jugend besaß Marime das Selbstbewußtsein eines erfahrenen Mannes, und war unfähig, in einem gewagten Vergnügen seine Kraft nußlos zu ver­geuden. Der Vater begriff seine höhnisch- überlegene Haltung.

,, Nein, keineswegs, ich habe gar nichts eingenommen, aber nicht aus weiser Zurückhaltung; denn, lieber Kleiner, ich bin ebenso stolz darauf, immer noch zwanzig Jahre alt zu sein, als Du darüber stolz zu sein scheinst, daß Du sechzig bist." Marimes Lachen wurde lauter, sein altes, leicht perlendes Dirnengelächter, dessen zweideutiges Girren trotz seiner an