Da zog fie der Bruder cm sich, guckte ihr ernsthaft in die Augen und sprach:Du, Thyra, Vater Witt wissen, ob Du mit nach Reikjanes gehst, wenn ich nun reise. Ich meine, das ver- steht sich doch ganz dem selbst, nicht wahr?" Sie fuhr ihm mit ihren zehn Fingern in den inzwischen noch viel dicker gewordenen schwarzen Haarwust und drückte ihn so von sich ab, indem sie lachend, aber bestimmt rief:Nein, das versteht sich gar nicht von selbst. Du ungeschorener Absalom  ! Denn Tu mußt wissen, ich habe ein Gelübde ge- than, den Vater Mortensen nie zu verlassen, wenn ich nicht einen Mann finde, den ich so schrecklich liebe, daß ich ihn heiraten muß. Na, und.der Wundermann wird nicht so leicht zu beschaffen sein, denn Du weißt es ja, Ole, nicht wahr? er müßte ja sogar noch viel bezaubernder sein, als selbst Du! Wenn nicht der Himmel Zwch einmal ein Einsehen hat und mir den großartigen Zukiinstigen auch noch als Strandgut anschwemmt, dann weiß ich wirklich nicht, wie ich von dem alten gräulichen Feuerturm fortkommen soll. Aber der Himmel wirft mit liebenswürdigen Ehemännern nicht so um sich, wie mit langweiligen Brüdern! Ach, ich werde wohl alte Jungfer werden und schließlich mich mit Assistenteichenfion zur Ruhe setzen. Aber dann, das verspreche ich Dir, langer Ole, dann kommen wir beide nach Reikjanes, Vater Mortensen und ich: und die alte, wackelige Tante Thyra wiegt Dir Dein Jüngstes und kräht dazu: Visseliroa mit Mja Barn, Tanten hon sidder aa vinnjer Garn. Tutut Trara l Tutui" (Nachdruck verboten.) Kömgstreue Junker. Tie wohlgesinnte Presse traktiert den militärischen Ilmsturz in Serbien   mit einem Eifer, der darauf schließen läßt, daß den Örd- nungsfreunden die Belgrader   Katastrophe für den Philister geeignet erscheint: zu einemGespräch von Krieg und Kricgsgeschrei, wenn hinten weit in der Türkei   die Völker auf einander schlagen". Die Geschehnisse auf dem Ballan sollen nach Absicht jener Fabrikanten öffentlicher Meinung die Aufmerksamkeit von der brennenden inner- politischen Frage der Reichstagswahlcn ablenken. Nicht allein von dem neuen Serbcnkönig in statu nascenäi aber gilt, was Platen in einem Polenlicd an den preußischen Kronprinzen, nachmaligen König Friedrich Wilhelm IV.   sagt: Nur rühm' er nicht sich und erdichte Ein göttlich' Recht. Es ruft Geschichte Ihr lautes Nein. Wie manche, deren Gräber sprechen, Erlangten Kronen durch Verbrechen: Kann ein Verbrechen göttlich sein? Manch Reich entstand durch Schwert und Flamme, Es ist von manchem hohen Stamme Die Wurzel faul." Damit stichelt Platen wohl in erster Linie auf die beiden russischen Palastrevolutionen, durch die 1801 des Polenschlächters Nikolaus Bruder Alexander über die Leiche des Vaters weg, 1762 des würdigen Gruderpaars ebenbürtige Großmutter über die der eignen Gatter, zur Herrschaft gelangten. Aber man braucht gar nicht so in die Ferne zu schweifen, um Anklänge an den serbischen   Mordsspektakel zu hören. Unser eignes Vaterland besitzt eine Gattung von Menschen, die zwar auf den Ge- horsam gegen den obersten Kriegsherrn cingcschworen sind und aus der Königstreue ein Handwerk machen, die aber damit drohen, die Throne krachen zu lassen, wenn nicht alles nach ihrem selbstsüchtigen Willen geht. Von dieser angenehmen Sorte war aber der Monarchis- mus des Junkertums von jeher; schon Chamisso wußte das, als er 1526 den Edelsten und Besten das bekannte Wort in den Mund legte: Und der König absolut, Wenn er unfern Willen thut." In Prosa sagte noch früher dasselbe der Königöberger Nationalökonom Kraus, zur Zeit der Freiheitskriege und der Stein- Hardenbergschen Reformen, der bedeutenste Vertreter von Adam Smiths Lehren in Deutschland  :Der preußische Staat, weit ent- fernt, eine unumschränkte Mpnarchie zu sein, ist eine etwa? ver- schleierte Aristokratie". Dasselbe aber sagte gleichzeitig auch das Junkertum selber durch den Mund seines Wortführers in der Oppo- sition gegen die Reformpolitiler, des Frciherrn von der Marwitz. Der entrüstet sich 1812 darüber, daß der Adligeein Mensch sein solle, wie ein anderer", während er doch nichts anders sei,als ein grund- besitzender Herr mit verfassungsmäßigen Rechten, ein Vasall, der seinem Landesherrn Treue, seinein Vaterlande den Schutz seines Schwertes schuldig sei, übrigens aber auf seinem eignen Boden zu befehlen habe". Ihm zufolge hatte der brandcnburgisch-preußische Staat von Geschichtswegen eine republikanische, nicht eine despotische Verfassung. Erst die Einführung des römischen Rechts und die Politik der Hohenzollern  , vor denen die Junker längst im Lande waren, Hab« diese glückliche Adelsrepublik untergraben.Es ist noch eine große Frage," meint Marwitz dreist,ob die Quitzows, Nochows usw. so schlecht waren, wie die den Fürsten ergebenen Schriftsteller sie schildern." Sieht man von dieser Versittlichung der adligen Straßenräuber ab, und nimmt man von der Adelsrepublik das Prädikatglücklich" weg, so ist gegen das Glanbensbekenntnis der Herren von der Mar- Witz im übrigen nicht viel einzuwenden. Wie das Junkertum die Jnthronisierung der Hohenzollern   in der Mark begrüßte, ist allzu bekannt, um der Erwähnung zu bedürfen. Männiglich weiß mich, daß noch gegen 1S00 die Liebe der märkischen Junker zu ihrem ange- stammten Herrschergeschlecht von Gottes Gnaden so groß war. daß sich unter ihnen vor lauter moralischer Entrüstung über die Hinrichtung etlicher RäuEer aus gutem Samen ein Komplott zur Ermordung Joachims l. bildete, und daß der Kammerherr von Otterstedt   dem Kurfürsten einen Zettel auf die Thür klebte, der lakonisch mahnte: Jochimken, Jochimkcn, höde dy, Wo wy dy krygen, hängen Wh dy." Aber die ganze ältere Geschichte des brandenburgisch-prcußischen Staates ist voll von ähnlichen Beweisen adliger Konigstreue, junker- lichen Respekts vor dem Gottesgnadcntum. Wenn die christliche Ritterschaft dem Kurfürsten gerade einmal nicht mit Waffengewalt entgegentrat im offenen Krieg, wie die Märker noch unter Joachim I.  , die Pommern   unter Friedrich II.   tharcn, so wurden die Landesherren dadurch matt gesetzt, daß die Stände ihnen die Zölle und Steuern verweigerten. Markgraf Johann z. B., der für Albrecht Achilles   in Brandenburg   regierte, konnte lange Zeit nich» heiraten, weil es ihm durch die Renitenz der Junker an den nötigen Geldern fehlte. Jeder Groschen mußte ihnen mit Aufgcbung der wichtigsten staatlichen Hoheitsrechte bezahlt werden, und die Bauern- schaft bezahlte schließlich die Zeche, indem sie mit Leib und Gut in die Hände der Junker überantwortet wurden, denen die Adelsrepublik dann freilichglücklich" vorkommen mochte. Der herkömmlichen Legende zufolge wäre nun diesem ganzen Wesen durch den Absolutismus eines Shirfürftcn Friedrich Wilhelm, den die höfische Geschichtsschreibung den Großen getauft hat, ein Ende bereitet worden. Die Hohenzollern   sollen dem früher bock- beinigcn Junkertum jene echte Königstreue eingeimpft haben, die mit dem angestammten Monarchen durch dick und dünn geht und landes- herrliche Befehle ohne Murren ausführt, auch wenn sie wunderlich er- scheinen. Die unverfälschte Geschichte weiß davon aber rein gar nichts. König Friedrich Wilhelm I.   hat zwar gegenüber dem ostpreußischen Adel die Absicht ausgesprochen:Den Junkers Ihre Ottorität Nipos- wollam(wir erlauben es nicht") wird ruinieret werden". Es ist ihm aber nicht gelungen. Sein Nachfolger Friedrich II.   hat in der demütigendsten Form die Erfahrung machen müssen, daß jene von der polnischen Adelsrepublik übernommene Zauberformel des preußischen Junkertums nach wie vor gelte, daß er nur absolut sei, soweit er seinen Junkern den Willen thue. In einem Augenblick königlichen Größenwahns ist der König bald nach dem Schluß des siebenjährigen Krieges auf die Idee verfallen, dem pommcrschen Adel von Kolberg   aus am 23. Mai 1763 die Freilassung der länd- lichen Sklaven in unzweideutiger Weise anzubefehlen:Sollen ab- solut, und ohne das geringste Raisonnicren, alle Leibeigenschaften, sowohl in Königlichen, Adligen, als Stadteigentumsdörfcrn, von Stund   an gänzlich abgeschafft werden, und alle diejenigen, so sich da- gegen opponieren würden, soweit möglich mit Güte, in deren Ent- stchung aber mit korce dahin gebracht werden, daß diese von Sr. K. Mi. festgesetzte Idee zum Nutzen der ganzen Provinz ins Werk gerichtet werde." Diese Probe auf das Exempcl, ob die Junkerkönigstreu" seien, fiel in einer Weise ans, die auf Friedrich geradezu nieder- schmetternd gewirkt haben muß. Keine adlige Menschenseele dachte im Traume daran, dem Utas gemäß die leibeignen Seelen aus den Klanen zu lassen, und kein adliger Beamter rührte einen Finger, um dem königlichen Befehl Nachachtnng zu verschaffen. Und anstatt sich desNaisonnierens" zu begeben, kamen am 29. Juni 1763 die Landstände in Demmin   zusammen, und erklärten mit frecher Wort- klaubcrei, bei ihnen gebe es gar keine Leibeigenschaft, sondern bloß Gutshörigkeit. Die aber sei ihr verfassungsmäßiges Recht, ans das sie nicht verzichten könnten. In der dem Junkertum geläufigen Kasernensprache heißt dies ganze Verfahren Gehorsamsverweigerung. Friedrich sah nun ein, daß er es mit derkorce  " gar nicht erst ver- suchen dürfe, wenn er nicht eine Junkerrevolution erleben wolle; denn die Armee ward von den Junkern befehligt. Er kroch also zu Kreuze, indem er im folgenden Jahre eine Bauernordnung erließ, die den Junkern alle Sklavenhalterrechte bestätigte. In dem nächsten halben Jahrhundert hatten die Junker, weil ihre Interessen respektiert wurden, keine Ursache gegen das König- tum zu rebellieren. Dann aber bewiesen sie, daß sie auch vor den revolutionärsten Mittel» nicht zurückschreckten, wenn es ihnen not- lvendig erscheine. Nach dem großen Zusammenbruch des Junker- staates, der nach Jena   benannt wird, unternahmen die Stein und Hardenberg den Versuch, Preußen nach französischem Muster um- zugestalten. Sobald die Junker sich von der ersten Betäubung in- folge der Niederlagen erholt hatten, wehrten sie sich mit Zähnen und Nägeln gegen alle Reformen, die ihrer hergebrachten Macht und Herrlichkeit Abbruch thun könnten. Wie drohend sie dabei wurden.