Raßliche, Verdrießliche,-- hui Danke, Sophie,— behaltdie Pillen nur für Dich.— Nein, es fällt mir wirklich nichtein.— � Aber Abraham soll ein wenig extra guten Rheinweinhaben, und ich will auch so viel davon nippen, daß ich fühle,was eigentlich eine gemütliche Stimmung ist.— Das istlange,— sehr lange her, Abraham!"XXVI.Abraham ist ein vorzügliches Opiat für mich, er mitseinen Interessen. Ihn glücklich zu sehen.Aber man ist nun einmal nicht Abraham, man ist seinVater, der gearbeitet und Geld zusammengetragen hat, umihn mit Glanz zu umgeben, und der dafür verantwortlich ist.Man kann sich natürlich glücklich machen, diese Einbildungenabstreifen und sich in gute Laune versetzen. Aber den Eidhabe ich nun einmal abgelegt— und klebt irgend etwas Un-rechtes daran? Das ist und bleibt die Sache für mich, ichmag es nun vergessen oder nicht.Ja, ja, da haben wir es! Erwache ich nicht wieder mittenin dieser Ewigkeits-Grübelei? In der vorigen Nacht schliefich so prächtig, nach Abrahams Heimkehr, schlug die Augenauf und glaubte, es sei wie gewöhnlich erst halb zwei Uhrnachts,— und dann war es acht Uhr und der Tag schien helldurch das Rouleaux!— ich stürzte mich gleich ins Geschäft,frisch wie in Fisch, um einen Tag für die Reise mit Abrahamzu gewinnen.-- Ich fühlte mich gestern den ganzen Taghindurch so leicht.-- Und nun,— hier bin ich wieder,—mitten drin in diesem Dunklen, Häßlichen.—Man bleibt stets in alle Ewigkeit dabei stehen,— daßder Mensch allein ist— allein— und alles andre schließlichnur Lärm und Geräusch um uns her ist.|£s ist eine Krankheit, sich so schwindelnd allein zu fühlen, und das mach' einenso bang! Die Wahrheit ist, daß wir mit dem ganzen Daseinzusammengehören: so fühlt man auch, wenn man gesund ist,»nd da wird man sicher.Aber ich, ich bin krank. Das heißt, ich habe Gewissens-bisse auf eine Art und Weise, der ich nicht entrinnen kann.Sobald die Sache aufgeklärt ist, würde ich gesund, könnte ichmit Abraham in den Wald, ins Bad reisen. Aber das Gefühl,daß ich mir nie so recht klar darüber werde, ob ich etwas inmir habe, was nagt,— wenn ich das mit mir nehmen soll,dann——Es ist nicht unmöglich, daß die Uhr zu schnell gegangenist,— alte verschlissene Uhrwerke, die von neueingesetztenFedern getrieben werden.-- Zwischen zwanzig, vielleichtnur fünfzehn oder zehn Minuten nach elf, und ein Viertelvor.-- Dann wäre es doch eine völlige Unmöglichkeit, sichSkrupel zu machen.— Ach ja, man glaubt das, was manwünscht.-- Aber, dann kommt es nicht auf die Einbildungan.---Er lag da und starrte den goldenen Zeiger und die Zahlan,— wie lange konnte der sich verzögert haben?-- setzteer mit niedrigcrem und niedrigerem Ausgangspunkt an.—Und dann begann der Wirbel von Berechnungen, ob erhätte nach Hause fahren können, und ob das TelegrammZeit gehabt haben würde, dort zu liegen oder nicht-- biser plötzlich in Schweiß gebadet aus dem Bette sprang undanfing, sich Gesicht und Stirn mit dem Handtuch zu kühlen.Er stand da und starrte auf das Bett.--Unmöglich, sich wieder auf die Folterbank zu legen.--jEs war wohl das beste, sich anzukleiden und den Versuch zumachen, in den Kleidern zu schlafen,— das war doch einekleine Abwechslung.— Und dann an Abraham zu denken.—Ein Buch nehmen.-- Er setzte sich hin und las beimSchein des Lichtes.— Nein----Es kann leicht sein, daß ich in Bezug auf diese Sache derunschuldigste Mensch unter der Sonne bin, kann leicht sein.Und mein gesunder Verstand, wenn ich wohl bin, würde mirdas auch wohl sagen. Er sagte es mir so klar an dem Tage,als Abraham nach Hause kam.Aber trotzdem bringt mich die Sache noch zum Wahnsinn.Ich kann es nicht ertragen, und wenn mir alle Schätze der Weltgeboten würden, so wollte ich nicht noch einmal schwören, daßich nicht ganz unschuldig bin. Wie kann ich das wissen? Ichsehe nicht so weit.Dies ist für mich das Entweder— oder!Könnte ich mich alles dessen entäußern, was ich direktund indirekt dadurch gewonnen habe, meines ganzen Ver-mögens, so würde ich wieder nackt und frei und fröhlich da-stehen, ich würde jubeln, jubeln!Aber man thut es nur nicht, denn ich bin ja so„über-glücklich"! Ja, je mehr ich verdiene, desto mehr bedrücktes mich.Wie oft ich nun wohl bis zu diesem Punkt gelangt bin!Es ist gleichsam eine Station, bei der ich stets ende. Abermein Fleisch und Blut will nicht, es ist zu unnatürlich, manhängt zu sehr daran fest.-- Hat ja den Familiensinn.—Der sitzt zu tief in mir eingewurzelt.--Es wegtestieren? Die ganze Geschichte schon zu Leb-zeiten verschenken? Gott weiß, wie leicht und wie froh mirums Herz sein würde!Ja, ich bin fest überzeugt, daß manches Vermögen ausdem Grunde forttestiert ist, um etwas zu sühnen. Wenn ichgleich Ernst daraus machte?Sonst könnte ich armer, schwacher, thörichter Mensch esbereuen! rief er aus.(Fortsetzung folgt. X(Nachdruck verboten.)Vornehme Giftmischer.Für den Hervorragendsten Vertreter der unumschränkten Mon-archie von Gottes Gnaden gilt nach wie vor König Ludwig XIV-von Frankreich. Jene deutschen Fürsten des 17. und 18. Jahr-Hunderts, die sich den Sonnenkönig zum Vorbilde nahmen, werdenzwar selbst von den wohlgesinnten Historikern unsrcs Landes, wasgewiß viel sagen will, nicht eben als Muster aufgestellt. Aber dieRegierung dessen, den die deutschen Landesväter der guten, alten Zeitnachäfften, wird von der landläufigen Geschichtschreibung seinerHeimat wie Deutschlands unentwegt für die Glanzzeit derfranzösischen Geschichte ausgegeben. Man muß den Blick ganz ander Oberfläche, an etlichen auffälligen Erhebungen der Oberfläche!haften lassen, um den Glanz zu entdecken. Glänzende Siege— gewiß; aber schon ein Zeitgenosse hat die Kehrseite gezeigt durch dastreffende Wort:„Man starb vor Hunger beim Schall des Tedeums".Ein glänzender Hof und ein glänzender Adel— aber die Masse desVolks in Lumpen und halb vertiert. Und wenn man absehen willvon der Thatsache, daß der Glanz der oberen Zehntausend die Notder Millionen nur übel verhüllte, dieser Glanz selber war wieder bloßein dünner Firniß, der abgekratzt werden muß, um die wahren Zügeder französischen vornehmen Gesellschaft des 17. Jahrhunderts zumVorschein zu bringen. Wer diese Herrschaften nur daraufhin be-trachtet, wie sie sich nach außen hin gaben, der sieht die Schauspielerbloß auf der Bühne, nicht hinter den Coulissen. Auf offener Bühnesieht die französische Adelsgesellschaft der Zeit Ludwigs XIV. gewißhöchst civilisiert aus, da ist alles edle Sitte, guter Ton, gemessenerAnstand. Aber je mehr die urkundliche Geschichtsforschung den Blickeröffnet in Regionen, wl die vornehmen Schauspieler ohne Schminkeund Kostüme, ohne das gezierte Thun des Hofparketts ihr innerstesWesen zeigen, um so weniger bleibt von der vielgepriesenen Civilisationübrig, um so mehr erscheint dieser zierliche Adel als eine wilde Hordebösartiger Bestien, die ihren tierischen Instinkten freien Lauf lassen.wo sie es für zweckmäßig halten und sich unbeobachtet glauben.Ein soeben in deutscher Uebersetzung erschienenes Werk desfranzösischen Gelehrten Frantz Funck-Brentano") öffnet an der Handeines umfassenden und unanfechtbaren Aktenmaterials in die ange-deuteten Mysterien der französischen Sittengeschichte des 17. Jahr-Hunderts einen tiefen Einblick, der geradezu verblüffend wirkt. Manüberzeugt sich mit Staunen, daß diese ganze feine und feingebildeteGesellschaft— mindestens fast der ganze weibliche Teil— an die Möglichkeit des Zauberns steif und fest geglaubt hat und zu vermeintenHexen und Hexenmeistern hingelaufen ist, nicht allein, um sich wahr-sagen zu lassen, sondern auch, um durch Ableiern sinnloser Be-fchtvörungsformeln und Einhandeln widerwärtiger Licbestränke oder-Pulver Wirkungen zu erzielen, für die kein gewöhnliches Mittellangte. Das zeigt den französischen Adel von der intellektuellenSeite: in den hirnverbranntesten Wahnvorstellungen barbarischerVölker befangen. Von der moralischen nimmt er sich noch lieblicheraus. Von der Fabrikation von Licbestränkcn ist nur ein kleinerSchritt zum Brauen ganz anders höllischer Mixturen, nämlich zumGiftmischen. Den Schritt hatten die französischen Hexen der Zeitgemacht; denn in den Kreisen ihrer zahlreichen und zahlungsfähigenKundschaft aus dem Adel bestand damals eine riesige Nachfrage nachgeeigneten Mitteln, um Konkurrenten im Kampf um Liebe undGunst, um Macht und Reichtum geräuschlos und ohne Aufsehen ausdem Wege zu räumen.Unter der Kundschaft der Giftmischer ist kein Name, der allge-gemeiner bekannt wäre, als der von Frau de Montespan.Jedermann hat von ihr gehört als einer der Hauptmaitreflen desSonnenkönigs. Bildschön und liebreizend, klug und gebildet, hattedie adlige Abenteuerin ihre Vorgängerin La Balliere im betveglichenHerzen Ludwigs XIV. ausgestochen und sich seitdem dreizehn Jahre,von 1667— 1679, wenn auch nicht unangefochten durch gelegentliche•) Frantz Funck-Brentano, Die Giftmord«Tragödie nach den Archiven der Bastille. Deutschvon Rina Koblich. Mit 8 Illustrationen. Verlag von Albert Langen,München 1963. Geheftet 4 M.