Wnterhaltungsblatl des VorwärtsNr. 161. Mittwoch, den 19. Zlugust. 1903(Nachdruck verboten.)131 Die Hebenbacher»Roman von Anton v. Perfall.Der Forstgehilfe zögerte einen Augenblick, Lenz miteinem Augen fixierend, wahrend er das andre zudrückte, alsziele er auf ihn, dann stieß er den Bergstock fest auf die Dieleund rüstete sich zum Rückzug.„Ra, lauf halt für heut,'s kommt schon no Dein Tag.Pfiia Gott, Flori," sagte er dann, die Schüre aufreißend, miteinem vielsagenden Blick.„Dein Bater wird sich hübschwundern über die G'sellschaft da heroben, wenn ich's ihmverzähl'."Flori machte sich mit dem Milchgeschirr zu schaffen underwiderte kein Wort. Erst als die Thür heftig zufiel, erhober sich.„Recht hat er, a Schand is. Aber grad der Reslhast Du's z' dank'«, daß i mi zu so was hergeb'n Hab'."„Weiß i wohl," erwiderte Lenz schmunzelnd.„Soz'wider mir die Sach selber is, heut hat's ma grad taugt.Alleweil no im Kopf, d' Resl? Daß Tu net müad wirst?"„Daß Du net müad wirst, dageg'n z'red'n? Was kann'sdenn Dir verschlag'»?" fragte Flori.Lenz zog sein Bein herauf und stocherte in der Aschedes Herdes.„Weil i's kein Achenbacher net vergunn, dasMadel."Flori lachte.„Was hast denn Du z' vergunna? Ja,wenn Dein Bruder so red't, ihr Vater, uacha begreif i's, d'Feindschaft red't aus ihm, der Haß, und bei mir dahoam a,aber Du? Du bist ja gar kein richtiger Lehner!"Lenz zuckte zusammen wie unter einem Peitschenhieb.Das war seine empfindlichste Stelle. Das Verhalten Florisvor wenigen Minuten hatte ihn versöhnlicher gestimmt, jetzterwachte der böse Geist wieder in seinem Innern.„A Feindschaft also meinst, stand Dir im Weg?" Erlachte boshaft vor sich hin.„Wenn i Dir aber's Gegenteilsag', a Freundschaft, a alte heiße Freundschaft, viel älter undviel heißer, als Du mit der Resl—"Flori lachte hell auf.„Vielleicht gar zwischen demLehner und mein Vätern?"„Muaß denn grad Dein Vater sein? Hast denn nieg'hört, wen der Lehner eigentli Hütt' heirat'n soll'«?"Flori stutzte.„Na, die Muatt'r halt, das is do a alteG'schicht."In Flori tauchte eine dunkle Erinnerung auf, davonschon gehört zu haben. In dieser sonderbaren Verbindunggebracht, jetzt wieder erweckt, nachdem er selbst die Liebe kennengelernt, wirkte sie viel stärker.Er starrte nachdenklich aus den Boden,„lind desweg'n?Des war' a Grund!" Plötzlich zeigte sich wieder die alteHeiterkeit auf seinem Antlitz.„Aber schau, Lenz, wenn'swirklich so war, nacha müßten's ja die größte Freud' daranhab'n, wenn wir z'samm' kcma, d' Resl und i, ihre Kind'r?"„Meinst?" erwiderte Lenz.„Ja, wenn der Urban undDein' Muatt'r um zwanzig Jahr' älter wär'n, wär's wohlmögli— aber sie san's halt net."Lenz' Blicke wurden immer lauernder, dieses langsameEintröpfeln des Giftes in Floris unschuldiges Ohr machteihm höllischen Spaß.„Was hat denn bei der G'schicht's Alter z' thun?" fragtedieser.„All'si Gar all's! Weil d' Hoffnung stirbt mit demAlter."Dieser Tropfen wirkte schon.„D' Hoffnung?" fragte Flori erschreckt,„was für aHoffnung?"„Dieselbe, die Du hast, Narr, auf's Z'samm'kemma,z'guat'r Letzt."Lenz sprach die Worte flüsternd; um so düsterer, uuheil-voller klangen sie, Flori rieselte es kalt über den Rücken.„Aber— aber—"Die Raubtieraugen neben ihm bannten ihn.„All's nir mit Dei'm Aber. Die Cens is a krank'sWeib, bei der steht's von heut auf morg'n. Dein Vater—no— Dein Vater—" Er machte eine sonderbare Pause.„Um fünfzehn Jahre älter is er, is a schon was— aberwenn d' Resl und Du z'samm'kemma, nacha war' des all'sfür nix. Leucht's Dir jetzt ein? Ja?"Flori wich entsetzt vor dem Menschen zurück.„Jesses,bist Du schlecht!" Sonst brachte er nichts hervor.„Ha, alleweil i! Natiirli, weil i mi net stimm« laß undd'� Sach beim recht'n Nam' nenn'. Meinst, Dei' Muatt'rglaubet, daß solche Gedauka mögli' wär'n oder der Urban?Beileib net! No weniger als Du selb'r. Das wär' ja aSünd, a Verbrech'n! Und do san's voll davon. Ja, in deneJahr hat d'Liab a ganz anders G'sicht als in Dein', da woantma net, seufzt ma net, wird net rot und blaß, schaut a netin d' Stern und in Mond und dudelt auf der Guitarr', da isall's ganz stad, wia ausg'storb'n nach auß'n, aber da drin—"Lenz preßte beide Fäuste auf die Brust—„da brennt's undarbeit's, kehrt's unterst z' oberst, bis endli an Ausweg find',uacha aber kimmt's daher wia a wild's Bcrgwass'r, das all'sz'sammreißt, was ihm im Weg steht."Lenz war jetzt völlig verändert, das ständig bleiche Ge-ficht war tief gerötet, die halb geschlossenen Augen lodertenin leidenschaftlicher Glut, und die schmächtige Gestalt reckteund dehnte sich plötzlich in fremdartigem Kraftgefühl. Florigefiel er so viel besser, so entsetzt er auch über seine Worte war.Plötzlich jedoch brach Lenz ab und lachte wieder spöttischüber das' stumme Staunen Floris,„er habe ihn nur a bißlschreck'n woll'n, so schlimm wird's wohl net sein." Dann saher wieder scheu in der Hütte herum, schlich an das Fenster,spähte gebückt hinaus, doch da prallte er mit einem Aufschreizurück.Ein Mannskopf verdeckte ihm plötzlich die Aussicht, indemselben Augenblick ging schon die Thür auf, der Achenbachertrat ein, schweißtriefend, außer Atem vom schnellen Gang.Er hatte den Bergstock verdächtig um die Mitte gefaßt, seineganze Stellung war eine drohende gegen Lenz, der sich un-willkürlich an Flori drückte.„Hätt's dem Forstg'hilf'n bald net glaubt, daß mögliwar'," begann Lorenz, bebend vor Wut.«Mei' Alm anUnterschlupf für so a Diabsvolk."„Er hat ma an Gruaß'bracht von der Resl," erklärteFlori, ohne sich in diesem Augenblick einer Lüge bewußtzu sein.Der Vater warf ihm nur einen verächtlichen Blick zu.„Ja, so fangt ma die Gimpeln! Aber Dir will i alle Grüaßaustreib'n, ein für allemal." Mit diesen Worten packte erLenz vorn an der Brust und schlug auf ihn ein.„Wart' iwill Di zeichna für morg'n. Is dem Herrn Bürgermeist'rscho's Fress'n ausganga, daß er Di auf's Stchl'u schickt?"Schlag auf Schlag folgte, Lenz gab keinen Laut von sich,wehrte sich nicht, erhob nicht einmal abwehrend den Arm, aberin dem lcichenblassen Antlitz schillerten die grauen Augen inunheimlichen Lichtern.Für Flori hatte dieses wehrlose Erdulden der Miß-Handlungen etwas Unheimliches, über das er sich nicht Rechen-schaft geben konnte, während es seineu Vater nur noch mehrerhitzte; er mußte dazwischen treten, die angeborene Ehrfurchtvor dem Vater überwindend.Lenz erhob sich langsam, schweigend, aber seine Brusthob sich schwer, die schmalen, farblosen Lippen zitterten, als erzur offenen Thür wankte. Dort blieb er einen Augenblickstehen, sich au dem Pfosten festhaltend. Sein Blick kroch aufdem Boden umher, dann hob er sich plötzlich an Lorenz herauf,der in einer Anwandlung von Ekel den Bergstock in die Eckegeschleudert.„Mach a schwarz's Kreuzl hinter den Tag, Achenbacher,"sagte er,„daß Tu'n net vergißt," setzte er nach einer Pausehinzu.Lorenz wich unwillkürlich dem drohenden Blick aus, derin dem zerschlagenen Antlitz aufleuchtete. Als er wieder hin-sah, war der Raum unter der Thür leer, Lenz war ver-schwunden.Sein Polten? gegen Flori blieb setzt wirkungslos. Waswar dieser kindische Zorn gegen den Abgrund wilder Leiden-schaft, in den dieser eben zum erstenmale in seinem.Lebendurch das leuchtende Raubtierauge des Lenz wie durch einenZauberspicgel geblickt hatte.Draußen flammte das Geschröff in purpurner Röte, von..