großen Kredenz gedrückt und las Romane. Abends, wenndie Hitze allzu unerträglich war, nahm sie einen Sessel, stellte ihnauf die Gasse hinaus und blieb hier bis 2 Uhr nachts sitzen, umwenigstens die frische Luft der Gasse einzuatmen.Der Mediziner Korde, der Ministerialsekretär Drucker, derLieutenant Hollitscher und alle andren Lieblingsgäste waren schonweg. Wer sie meldeten sich. Jedesmal mittags, wenn FräuleinLouisi ins Lokal kam, lag schon eine oder die andre Ansichts-karte da.Der Mediziner Korde sandte die«herzlichsten Grüße" ausGastein. Das war eine wunderbare Ansichtskarte. Zwischen Fels-gestein und Gerolle stürzt wild schäumend, in toller Aufregung, derWildbach Gastein zischend und quirlend herunter. Der Wasserfallberuhigt sich, der wilde Bach wird sanfter, ein schmaler Holzsteg—„wie leicht man da ausrutschen kann", sagte Fräulein Louisizum Marqueur Franz— führt über das besänftigte Wasser. Vondrüben aber winkt in reiner Weiße, von greller Sonne beleuchtet, eingroßes dreistöckiges Hotel herüber, dem man es von außen ansieht,daß seine Treppen mit Teppichen belegt sind... Mit ihren großen,noch viel größer werdenden Augen sah sich Fräulein Louisi dieseAnsichtskarte an. Erst als der Zahlmarqueur Franz sagte:„Fräul'n,gestern nachts hab'n S' Jhna g'irrt bei der Wrechnung," da er-wachte sie.Ministerialsekretär Drucker sendet„dem herzigen FräuleinLouiserl die herzlichsten Grüße aus Traunkirchen". Auf dieserKarte war der Gmundener See abgebildet. In Ruhe lag der Seeda, von schwachen Brisen leicht gerippt, silbern glänzend. Bor demSee standen die schattigen, breiten, über und über belaubten altenBäume der Gmundener Promenade. Von drüben her. vom rechtenUfer des Sees, glitzerten die lichten Häuser und roten Dächer vonTraunkirchen herüber. Auf dem ruhigen See ruderten zwei Boote...Diese Karte kam am Abend. Wie Fräulein Louisi nachts sich denSessel vor die große Glasthür stellte, sah sie sich die GmundenerKarte nochmals an. Unlvillkürlich mutzte sie sich vorstellen, wie eswäre, wenn sie heute Nacht bei diesem schön ausgesternten Himmelin den Gmundener See hinausrudern könnte...„Fräulein Louisi," sagte in diesem Moment der MarqueurFranz, eine Ansichtskarte ist noch da, sie ist heruntergefallen, d'rumhaben Sie s' übersehen." Er reichte sie hin.Fräulein Louisi nahm die dritte Karte, wollte„Tcmke" sagen,merkte aber sofort, daß ihr etwas förmlich in der Kehle steckte, daß,wenn sie ein Wort sagte, ihr ein Schluchzen in die Kehle komme.So nahm sie schweigend die Karte. Aus„Ettcrek in Slavonien"war sie datiert, und was man auf der Ansichtskarte sah, das warein endloser, dichter Eichenwald, der sich über eine Hügelkette hinzog.So dicht schien hier das Laub der Eichenkronen, daß man spürte, wiekühl und schattig und lautlos es unter diesem Blätterdache war.Schwarz und finster starrte einem der Waldesanfang entgegen, un-durchdringlich und lichtlos... Drinnen im Cafe rief jetzt jemandheraus:«Fräulein Louisi, wissen Sie vielleicht, wo der zweite TeilLehmann ist?" Aber das sonst so pünktlich antwortende kleineFräulein gab diesmal keine Antwort I Von drinnen wurde nichtmehr angefragt, der Lehmann war offenbar gefunden worden. Einehalbe Stunde lang saß sie unbeweglich, mit geschlossenen Augen da.Eine Thräne rutschte ihr langsam über die Augenwimpern und fielgerade auf das schön geschwungene„H" der„Herzlichen Grüße"des Lieutenants Hollitscher.>—(Nachdruck verboten.)detterlcucbten im Hochgebirge.Ter frühere Leiter der Geologischen Landcsuntersuchung inEngland, Prof. Archibald Geikic, der sich augenblicklich in Mürrenaufhält, hat dort im Berner Oberland eine merkwürdige Natur-erscheinung beobachtet und in einer Zuschrift an die Londoner„Nature" beschrieben. Es handelte sich eigentlich um ein Wetter-leuchten in der Umgebung der Hochgebirgsgipfel, aber in der Arteines Schauspiels, das jeden Augenzeugen überraschen mußte.Während der zweiten Augustwoche waren mehrere Gewitter im nörd-lichen Oberland niedergegangen, und es war mehrfach heftigerRegen und Hagel gefallen, so auch am Tage vor jener Beobachtung.Der Himmel hatte sich ganz rasch aufgeklärt und war am Abendund in der Nacht tvolkenlos, so daß sich jede Spitze und jeder Kammscharf gegen den klaren Hintergrund abzeichnete. Auch der nächsteTag war schön und über Erwarten warm. Am späten Nachmittagbegannen sich Fetzen von weißem Nebel um den Gipfel der Jungfrauzu sammeln, und dünne Wolkenstreifen bildeten sich in den höherenLuftschichten über dem großen Bergrücken, der sich vom Silberhornbis zum Breithorn ausdehnt. Etwa um 8 Uhr abends bemerkteGeikie über sich«in schwaches zuckendes Licht, zuweilen verstärktdurch ein Aufleuchten von größerem Glanz und verschiedener Farbe.Diese Erscheinungen nahmen rasch an Bedeutung zu, bliebe» aberauf die gegenüberliegende Bergkette beschränkt. Allerdings bekundetenandre Zeugen, daß sich ein ähnliches Leuchten, unabhängig von jenem,in der Umgebung des Schilthorn gezeigt hätte. Nicht ein einzigerDonner war hörbar. Ueber den Gipfeln der Bergkette entwickeltesich eine lange Wolkenbank, so daß die bis dahin glänzend sichtbargelvcsenen Stern« über dem Kamm verschwanden.Bei genauer Betrachtung des Schauspiels war es leicht, zweiArten von Entladungen zu unterscheiden. Die eine nahm die Ge-statt eines schwachglänzenden, rötlichen oder rosigen Lichtes an,das mit einer zitternden Bewegung scheinbar von links nach rechtsin wagerechter Richtung dahinschotz, als ob es von einem Punkthinter der Jungfrau ausginge. Diese Streifen erinnerten so voll-kommen an die eines Nordlichtes, daß man, wenn nichts weiter zusehen gewesen wäre, auf den Einfall hätte kommen können, daß einNordlicht einen Ausflug in so südliche Gegenden gemacht hätte. DieLichtbänder waren so zart, daß, wenn sie über den klaren Himmelzuckten, die Sterne durch sie hindurch deutlich sichtbar blieben. Zu-weilen flackerten sie am äußersten Rande der Wolke auf, erleuchtetenderen Ränder und zogen dann noch in das unbewöltte Blau hinein.Zu andren Malen erschienen sie auf der zunächst gelegenen Seiteder Wolke und zeigten den dunklen Umriß der Berge in deutlicherZeichnung auf dem erleuchteten Hintergrunde. Die Lichtstreifenfolgten schnell genug aufeinander, daß man sie als dauernd be-zeichnen konnte, indem ein schwaches, rosiges Leuchten fortgesetztsichtbar zu bleiben schien, obgleich es durch rasches Erzittern derwagerechten Lichtstreifen in Bewegung erhalten wurde. Die hellerenEntladungen waren nicht nur glänzendere, sondern auch von kürzererDauer. Sie besaßen eine blasse bläulichweiße Farbe und kamenund gingen mit der Schnelligkeit gewöhnlicher Blitze. Aber auchsie waren offenbar an die Berge gebunden und nicht Wider-spiegelungen einer Reihe entfernter Blitze. Zuweilen traten sie aufder andren Seste des großen Bergrückens auf und ließen so den zer-rissenen Kamm vor der beleuchteten Wolkenfläche erkennen, währendalle diesseitigen Hänge und Spitzen im Schatten blieben.In andren Fällen aber zeigten sie sich diesseits der Berge underleuchteten besonders die Schneefclder und Gletscher nebst dendüsteren Felsspitzen in ihrer Umgebung. Niemals wurde etwa?ähnlich der Gabelung von Blitzen an ihnen wahrgenommen. Ineinem Fall schien ein horizontales Band lebhaften Lichtes von 2 bis3 Kilometer Länge vom Abhang an der Basis der Silberhornspitzeaufwärts zu schießen, als ob es vom Grund heraufsprang, untenscharf umrissen und glänzend, dann allmählich nach oben hin anLichtstärke abnehmend und schließlich auf halber Höhe zum Kammverschwindend. Die sonderbarste Erscheinung der helleren weißenEntladungen war eS. wenn eins der großen Schneefelder oder emTeil eines Gletschers für eine oder gar zwei Minuten fortgesetzt ineinem schwachen bläulichweitzen Licht erstrahlte. Nach einiger Zeitglühte derselbe oder ein andrer Teil des vorliegenden Gebirges inähnlicher Weise auf. Der erste Eindruck war, daß diese Strahlungnur der Widerschein von einem erleuchteten Teil der Wolke seinkonnte, aber der Beobachter vermochte sich keine Rechenschaft überdas Vorhandensein von dauernd erhellten Teilen der Wolke zu geben.Ueberdies blieb das Leuchten über dem Schnee und dem Eis örtlichbeschränkt und vereinzelt, als ob der Lichtstreifcn eines Scheinwerfersauf einen bestimmten Teil der Berggehänge gerichtet worden wäre undnach einiger Zeit auf eine andre. Bei der Betrachtung eines dieserLichtfleckcn nahm Geikie einen hellen Lichtpunkt am oberen Endeeines der Firnfelder auf den Gehängen des Mittagshorns wahr,der rasch verschwand, aber bald wieder erschien und dann mit ebensolcher Schnelligkeit wieder verloren ging. Zunächst dachte der Be-obachter, daß dieser Lichtpuntt ein Stern wäre, der für kurze Zeitdurch Wottenrisse hervorgetreten, obgleich sein Stand sich etwasunterhalb des Bergkammes zu befinden schien. Nach einer halbenStunde jedoch erschien ein ähnliches helles Licht an derselben Stelle,aber mehr zerstreut als das erste und von etwas länglich aus-gezogener Gestalt. Ob es in der That ein Stern war, der durcheinen in Bewegung befindlichen Nebelschleier hindurchschien, oder eineArt von Elmsfeuer, konnte nicht mit Sicherheit entschieden werden.Andre Augenzeugen sagten aus, daß zu gleicher Zeit in der Um-gebung des Schilthorn ähnliche Erscheinungen aufgetreten waren;dafür war für diese Beobachter die Jungfrauspitze dunkel geblieben.Der Wstand der beiden Mittelpunkte dieser elektrischen Vorgängemuß 8— 10 Kilometer betragen haben.Das ganze Schauspiel lieferte einen vollständigen Beweis fürdie Jrrtümlichkeit der früher herrschenden Ansicht, daß das Wetter-leuchten nur die Widerspiegelung entfernter gewöhnlicher Blitze dar-stellt und für die Wahrheit der neueren Ansichten über die Naturdieser Erscheinungen. Außerdem erwähnt Geikie noch, daß mit derZunahme des Wetterleuchtens die vorher ganz ruhige Luft durcheine starke Briese erfrischt wurde, die von Südwest her das Thalhinabwehte, aber nach dem Verschwinden der Lichterscheinungcngleichfalls aufhörte. Die Wotte über den Bergen begann die Gestalteiner unregelmäßigen dunflen Kumuluswolke anzunehmen, und derHimmel bezog sich dann allgemein. Von der Frühe des nächstenMorgens an fiel anhaltender Regen.—> Dr. X.Kteinee f cuilleton.— Ein Langobardenfriedhof in Italien. Der„Kölnischen Zeitung"wird geschrieben: Unweit der Stadt Ascoli am Tronto, der altenHauptstadt der Picenter, erhebt sich am rechten Ufer des BergbachesCastellano ein steiler Travertinfelsen, der nur im Süden durch eineschmale Felsenrampe zugänglich ist. Er beherrscht durch seine Lagedie wichttge Verbindung der Apennin- Pässe mit der Miste des