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Lorenz ging neu verjüngt, in einem ihm bisher fremden Glücksgefühle, dem Hofe zu. Er hatte das Rechte getroffen, tausend Stimmen riefen es ihm zu. Erst der Gedanke an Erst der Gedanke an Burgl verdüsterte etwas seine Freude. Sie sollte es sofort wissen. Nach dem, was er eben über fich gebracht, war das doch keine Leistung mehr.

Raum war er fort, padte Urban eine heftige Unruhe.[ halten; wir wissen ferner, daß fie mittels alphabetischer Zeichen, Diese Gefügigkeit war unnatürlich bei einem Menschen wie denen fie eine geheimnisvolle Kraft zuwiesen, nicht nur verborgenes der Lenz. Die weitere Gedankenfolge konnte nicht ausbleiben. Wissen vermitteln, sondern auch das Schicksal zu erkunden und zu Frühere Unterredungen, Andeutungen, Drohungen tönten beherrschen suchten, und man geht in der Annahme wohl nicht wieder in sein Ohr, und zum erstenmale blickte er in den völlig fehl, daß diese Runenkunde auch medizinischen" Zweden dienen mußte. entschleierten Abgrund, an dessen Rand er selber stand. Eine wichtige Rolle in der Krankheitsbehandlung spielt bei mehr Er schauerte in seinem Innersten vor dem Entsetzlichen, oder minder allen Völkern schon frühzeitig das Wasser, mag dies was ihm da entgegenglotte. nun in den bald erkannten heilkräftigen Wirkungen besonderer Quellen, in dem wachsenden Bewußtsein von der Bedeutung förperlicher Rein­lichkeit oder sonstwie seine Erklärung finden. Die Verehrung, welche unfre germanischen Vorfahren fließenden Gewässern, insbesondere den Quellen zollten, ist bekannt. Unter den verschiedensten Gestalten, bald verderbenbringend, bald glück- und segenspendend, treten physischen Leiden behaftete Mensch, der sich ihrer befonderen Sorge die Wasserfrauen auf, und häufig genug ist es der franke, mit erfreut. In unzählige Volfserzählungen spielt der Gedanke von dem gefundenden Einfluß des Wassers hinein. So weiß, um nur ein einziges martantes Beispiel unter vielen herauszugreifen, die alte Voltshistorie die Geburt des nachmaligen römischen Kaisers Caligula  nach langer Unfruchtbarkeit seiner Mutter Agrippina  , die sich mit ihrem Gemahl Germanicus   längere Zeit in den Standquartieren der folchen Wasserfrau zurückzuführen; diese habe Agrippina   von der römischen Legionen am Rhein   befand, auf das Eingreifen einer wohlthätigen Wirkung einer nahen Quelle unterrichtet und so das freudige Ereignis" im römischen Kaiserhause zu Wege gebracht, ein Ereignis, dem der Bubenquell" zu Ems noch heute den Namen verdanke.

Burgl, weißt, woher i tomm'?" trat er ihr freimütig entgegen, nach ihrer Hand greifend.

Sie weigerte sie ihm.

,, Was kann das mi kümmern?" sagte sie abweisend. Doch er war heute schon an das Sichbeherrschen gewöhnt und wollte sich sein junges Glück nicht so leicht rauben lassen. glaub' do, a weng! Vom Urban komm' i! Du fannst nir dawider hab'n." Er sprach die Worte bittend. Um d' Rest hab' i ang'halt'n für' n Flori!"

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In Burgls Antlig spiegelte sich nichts.

,, Und der Lehner?" fragte sie nach einer Pause. ,, Hat nachgeb'n."

Burgl veränderte unmerklich die Farbe und fuhr fich mit der Hand über die Stirn. Nachgeb'n hat er. Das heißt net so leicht, als ma meinen sollt.' s hat an hübsch'n Kampf fost. 3'legt hat er do eing'sehn, daß a Frevel wär'," nein"' sag'n in seiner Lage. Und so hat alle Feindschaft a End und a Ruah is für unsre alt'n Tag. Was sagst nun dazu, Burgl?"

Sie zuckte die Achseln, ohne irgend eine Teilnahme zu verraten.

" Ja, ja, wenn ma sein ganz's Leb'n mit amal so aus­lösch'n kann, wia a Rech'ntafl. Nacha geht all's- ja wohl! Nur begreif' i dann net, warum Du so an Lärm aufg'schlag'n hast, Jahre hindurch, und mi g'schund'n und quält hast weg'n dem Urban."

Mit ihrer Ruhe war es nun zu Ende.

Lorenz war wieder ernüchtert, aus seinem erträumten Paradiese vertrieben alles umsonst! Ja, wenn das so leicht ginge!' s Glück will a verdient sein, und er hat's net verdient. Diese Einsicht verlieh ihm Resignation.

" Is das all's, was Du z'sag'n hast?" fragte er nur. Was denn no'?" flang die kalte Gegenfrage. No, Du bist do sein' Muatter, bist a Weib, das a wiss'n muaß, was is um

"

Er stockte, sah zu Boden vor ihrem brennenden Blick, in dem höhnische Geister ihr Spiel trieben.

Die Liab," fegte er fleinlaut hinzu.

Lorenz nickte nur ergeben mit dem Haupte.

,, Recht hat s' schon! Ganz recht! A dumm's Verlanga für an Bauern, heut säen und morg'n scho ernt'n woll'n. Wenn des so leicht gang!"

"

Es erklärt sich danach, wie das Heidentum gerade in den Wasserfrauen mit Vorliebe die besonderen Schußgeister einer Gegend erblicken konnte, Gegen sie richtet sich daher der Kampf der nach­

maligen christlichen Glaubensboten nicht minder wie gegen die

heidnischen Hauptgötter selber, und die fromme. Phantasie der christlichen Widersacher hat es sich nicht nehmen laffen, die lieblichen Gestalten des Voltsglaubens mit dem lüfternen Gewande der Dirnen­haftigkeit zu versehen, um sie desto bequemer als Dämonen in die Hölle spedieren zu können. Unterscheidet sich somit der christliche Aberglaube seinem Wesen nach in nichts vom heidnischen, so fehrt er doch von vornherein jenes Moment hervor, das das gesamte religiöse Leben des Mittelalters beherrschen sollte, den Wunderglauben, von dem dann der Reliquienkult bald genug untrennbar ward. Reliquienglauben in Bausch und Bogen auf Betrug zurückführen. Es hieße zu weit gehen, wollte man den Wunder- und In Zeiten ungeläuterter Religions- und Sittlichkeitsbegriffe, wo sich eine frohsinnliche Auffassung in alle Dinge drängt, sucht der Mensch nach überraschenden Erscheinungen, nach den Offenbarungen einer geheimnisvollen Macht, die, wie sie das Bewegende im Natur­gange darstellen, so auch die unverstandenen Vorgänge desselben er flären und die Widersprüche des eignen Selbst lösen soll. Diese innere Wunderbedürftigkeit ist es, die die Stimmung und die Empfänglichkeit verleiht, überall Wunder zu erblicken, wo keine sind, und jeder absonderlichen Erzählung von angeblich geschehenen außerordentlichen Dingen Glauben beizumessen. Es liegt nahe, daß Krankheitserscheinungen Geltung verschafft, zumal das Fehlen jeder sich eine folche Strömung am nachhaltigsten auf dem Gebiete der zusammenhängenden ärztlichen Wissenschaft den Kranken mehr oder minder völlig dem Zufall überliefert. Dazu kam dann freilich noch ein gut Teil frommen Betrugs, der sich der Krantenheilung mit be­sonderer Vorliebe bemächtigen mochte.

" Hast ma's Du vielleicht g'lernt?" erwiderte sie höhnisch, underſtätten die menschliche Wunderkunst der himmlischen um Es lag nahe, daß bei der bestehenden Rivalität der einzelnen sich entfernend. so eher nachzuhelfen trachtete, als damals der Ruhm und in erster Linie von damit die Frequenz und die Einkünfte eines Wallfahrtsortes gezeigten Wunder" abhängig war. der Zahl und der Größe der dort Damit soll nicht gesagt sein, daß man daneben, namentlich in den mit Klöstern vers bundenen Hofpitälern, sich nicht bemüht habe, den Kranken mit den einfachen Mitteln der damaligen Heilkunde eine, soweit man es ver­stand, angemessene Behandlung angedeihen zu lassen. Sofern wir barüber unterrichtet sind, kam auch diese in der Hauptsache auf Wafferbehandlung hinaus.

Der Großpater kam jetzt hastig, mit aufgeregter Be­wegung, in seinen Schlappschuhen hereingeklappert. Burgl hatte ihn wohl geschickt.

Dieser wußte, was er wollte, ehe er zu sprechen anhub. Aber was Burgl gegenüber ihn milder gestimmt, das Gefühl der eignen Schuld, verkehrte sich diesem Greis gegenüber in das Gegenteil. Das war ja der Vertreter dieses alten, zähen Achenbacherhasses, in dem er aufgewachsen, der sein Herz ver­härtet, der ihm jede Lebensfreude geraubt,

( Fortsetzung folgt.);

berichtet uns eine Schrift des Bautenministers Karls des Großen, Ueber die Zustände in einer solchen mittelalterlichen Kuranstalt Einhard  , die Ueberführung der Gebeine des Hl. Betrus und Marcellinus". Die letteren waren zuerst in der von Einhard erbauten Kirche zu Michelstädt untergebracht, wo Ludwig der Fromme   Einhard einen Ruhesiz geschenkt hatte. Wie fich aber später herausstellte, ließen sich beide Heilige die Heilung bon Krankheiten angelegen sein. Für die Zwecke einer Heilanstalt lag nun aber Michelstädt mitten in dem damals unwirt­lichen Odenwald   sehr ungünstig. Daher verlangten die Heiligen durch Wunder und Traumgesichte sehr bald ihre Ueberführung nach einem andren, gleichfalls von Ludwig dem Frommen an Einhard geschenkten Platz, dem heutigen Seligenstadt   am Main  . Hier, an der günstig gelegenen Wasserstraße von Rhein   und Main, in der un­Das älteste Medizinalwesen, wenn man so sagen darf, knüpft mittelbaren Nähe der vielfrequentierten und dichter bevölkerten Rhein­unmittelbar an Zauberei und Beschwörung an. Durch Zuhilfenahme ebene, entfalteten sie denn auch ihre volle Wirksamkeit, und bald er des Einflusses vermeintlicher guter und böser Geister glaubt der im langte die Anstalt eine Berühmtheit, die ihr nicht nur Krante aus Banne der Naturmächte stehende Mensch der Uebel, die ihn befallen Köln   und Lüttich  , aus der Gegend von Reims  , sondern schließlich oder bedrohen, Herr werden zu können. So sind uns aus den Tagen gar aus dem Schweizer   Aargau  , dem südwestlichen Zipfel Frant unsrer germanischen Vorfahren besondere Beschwörungsformeln er- reichs und selbst aus England zuführte. Wie die Mehrzahl

Wunderkuren.

( Nachdruck verboten.)