Cr verlangte für dm Aufschwung in seiner Industrie, die für die Armee von großer Bedeutung war, keinen Orden, obwohl er ihn längst hätte haben können, mit der Baronie oben- drein, er lehnte es ab, ein Ehrenamt zu bekleiden, oder sich in irgend einer Weise hcrvorzuthun. Er wünschte nicht von sich sprechen zu machen, noch in die Zeitungen zu kommen, er war kein Streber, kein Jude, er verlangte nichts als unbehelligt zu bleiben, unbehelligt von lästigen Verpflichtungen� unbehelligt zugleich von aller Kritik. Er verachtete das Urteil der Menge, aber er wollte sich ihm nicht aussehen, darum vermied er ängstlich jeden Eklat, darum vermied er es, sich von seiner Gattin scheiden zu lassen, obwohl seine Abneigung gegen sie stets im Wachsen war. Dieser musterhafte Mensch spielte auch nicht an der Börse'. Er verachte mühelosen Gewinn, hieß es. Er arbeitete viel. oft anstrengend bis tief in die Nacht hinein. Er schlief daher wenig und schlecht, und da er an einem schweren Gastricismus litt, waren auch die Freuden der Tafel für ihn nicht vorhanden. Er beneidete seine Arbeiter, welche, sobald die Glocke schlug, von ihrer Arbeit erlöst waren, er beneidete sie um ihre Nachtruhe, sie gingen frühzeitig zu Bette; er beneidete sie um ihren Appetit. Er konnte beobachten, wie sie während der Frühstückspause, die er auf ihr Andrängen neuerdings um eine Viertelstunde verlängert hatte, sich auf das Schwarzbrot und die fetten Würsteln stürzten und sie mit herrlichem Appetit verzehrten. Er hatte es nicht so gut. Die Konkurrenz, der Aufschwung der Industrie, saß ihm am Nacken und peitschte ihn vorwärts, unbarmherzig. Er durste nicht ruhen, er mußte seine Be- triebe beständig vergrößern, immer neue Maschinen einführen, Verbesserungen nach allen Seiten, um in dem Kampfe oben zu bleiben, wie er es gewohnt war, als Sieger. Er baute eine Fabrik nach der andern, in Mähren  , in Böhmen  , in Ungarn  . Er war begabt und er erfand selbst neue Maschinen und leitete ihre Aufstellung er rechnete und prüfte, hatte Märkte und Börse im Auge zu behalten, die technische Ent- Wicklung stetig zu verfolgen. Er gehorchte eine m Gesetze, das ihn unaufhaltsam vorwärts trieb. Sein Reichtum wuchs ebenso durch die Verbilligung der Betriebe, als die dadurch wachsende Masse der Produktion ins enorme. Und dieser Reichtum wurde sofort wieder in der Produktion angelegt. Profit, Mehrwert es war um den Verstand zu verlieren Mit dem sich mehrenden Reichtum wuchs auch sein An- sehen in der Gesellschaft. Er mochte sich wehren soviel er wollte, er mußte sich doch hier und da ihr verpflichten. Er war kein Sportsmann wie sein Bruder, er bewegte sich nicht in Künstler- kreisen und lud ständig Künstler an seine Tafel, wie jener, aber er hielt seine segnende Hand heimlicherweise über einige Theater und hatte Einfluß auf ihre Bedeutung. Sein Vater traf ihn auch an diesem Morgen einsam beim Frühstück, das äußerst frugal war. Paul war über, de» frühen Besuch erstaunt. Er lud den Vater nicht ein, eine Tasse Thee   mit ihm zu trinken, er hatte Elle eine wichttge Konferenz der Wagen wartete. Der Baron kannte diese unsohnliche Art und war doch peinlich davon berührt, zwang ihn doch diese rücksichtslose Elle ohne Umschweife mit seinem Anliegen hervorzutreten. Er bat ihn, etwas für die kleine Schönbrunner zu thun. Ein wirkliches Talent galt es zu fördern; da der Direktor ihm finanziell verpflichtet sei, würde es ihm ein leichtes sein. Paul leugnete seinen Einfluß. Der Baron hielt sich nicht damit auf, diese Heuchelei zu widerlegen.Es kostet Dich nur ein Wort," fuhr er fort. >, Deine Protektion würde sie sofort" »Ich protegiere niemand," unterbrach ihn Paul,absolut Niemand, Du solltest es wissen." Kalt und stolz war sein Ton. t, Das wirst Du bei Deinem Schützling schon selbst besorgen müssen." Das werde ich auch," sagte der Baron, blaß vor Aerger, gewiß werde ich es" Ich möchte Dich nur bitten, den pöre prodiAne nicht allzu auffällig zu spielen, in Deinem Alter" Der Baron lachte zornig.Was weißt Du ich kann mirs erlauben. Ich bin jünger als Du, jünger als Ferdinand, Ihr seid die Greise. Ich bin frischer, weniger verbraucht als Ihr, und wenn ich wollte" »O bitte, geniere Dich nicht Du bist frei und waS Du kannst, das darfst Du auch." Er mochte seinem Vater eine ironische Verbeugung und verließ das Haus. Der Baron begab sich zu seiner Schwiegertochter. Ihr gegenüber konnte er sich in der abfälligsten Weise über den Sohn äußern und begegnete Sympathie und Ver- ständnis. Noch an demselben Vormittag suchte Paul den Direktor auf, um chm Fräulein Schönbrunner auf das nachdrücklichste zu empfehlen. Er forderte die weitgehendsten Be- günstigungen sein Wunsch war Befehl. (Fortsetzung folgt.); (Nachdruck verboten.) Hus friibcren Kämpfend Die Zahl derer, welche der Socialdemokratie vor Erlaß des Socialistengesetzes angehörten, lichtet sich von Jahr zu Jahr. Die jüngere Generation hat von den Lrämpfen, welche die Partei in jener Zeit führte, nur eine uickestimmte Vorstellung. Die Art des Kampfes war in vielen Hinsichten von der heutigen verschieden. Nach innen und nach außen stellten sich die Fragen vielfach anders dar als heute. Die Machtmittel der Partei waren andre, die gegnerischen Parteien kämpften mit andern Schlagworten und in andrer Gruppie- rung, andre Fragen standen im Vordergrund des öffentlichen Interesses. Die Taktik, welche die Gegner der Socialdemokratie gegenüber beobachteten, bestand in der Hauptsache im Totschweigen. Man be- schäftigte sich so wenig wie nur möglich mit der«Umsturzpartei". suchte sie vielmehr als eine unbedeutende Verbindung unklarer oder gewissenloser Elemente hinzustellen. Um die inneren Kämpfe der Partei kümmerte man sich so gut wie gar nicht. Das hatte die eine gute Seite, daß in den Reihen der Partei selbst diese Kämpfe mit erheblich weniger Nervosität ausgefochten wurden als heute. Lebhaft genug ging es trotzdem bei diesen Kämpfen zu. Aber die Rücksicht auf die Außenwelt beeinträchtigte die Debatten nur wenig. Als ich im Frühjahr 1872 als kaum mündig Gewordener der Socialdemokratie beitrat, bestand noch die Spaltung zwischen Eisenackern und Lassalleancrn. Ja, an einzelnen Orten fristeten sogar Ueberbleibsel des Hatzfeldtschen Flügels des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins   noch ihr Dasein, um allerdings bald völlig von der Bildfläche zu verschwinden. Von der Heftigkeit des Kampfes der beiden Fraktionen der Socialdemokratie gegen einander macht man sich heute kaum eine Vorstellung. Es herrschte eine Verbitterung, ein Mißtrauen, ja ein Haß gegeneinander, von denen die späteren Gegensätze zwischen der Partei und denJungen" nur einen schwachen Abklatsch darstellen. Die Mitglieder des Allgemeinen Deutschen   Ar- beitervereins blickten auf die EisenacherEhrlichen", wie der Spitz- name lautete, als auf eine Gesellschaft von Abtrünnigen und Bourgeoiselementen aller Art, die im Grunde nur partikularistische Interessen vertraten. Dem Eisenacher aber war der Lassalleaner oder, wie hier lange der Spitzname lautete, derSchweitzerianer", nur ein bewußter oder unbewußter Bismarckischer Agent. Ich selbst war der Eisenacher Partei beigetreten, deren Haupt- führer Bebel und Liebknecht eben in Leipzig   wegen Hoch- Verrats bor Gericht standen. Ihr Anhang in Berlin   war äußerst gering. Im Organ der Lassalleaner wurde von ihm nur als von den 13 Mühlendammern" gesprochen. Der Mühlendamm in Berlin  . heute auch eine verschwundene Größe, war der Centralpunkt des Ladenverkaufs in alten Kleidern, der fast nur in Händen von Juden war und in etwas orientalischer Weise betrieben wurde. Mühlen  - dammer hieß Anreißer oder Trödeljude niederer Gattung. Die Berliner   Eisenacher hatten nun in der That mehrere Juden Karl Hirsch, Max Kayser, L. Aron usw. zu Mitgliedern und darauf stützt sich der Spottname. Aber die Mehrheit bestand auch bei ihnen aus Arbeitern: Schriftsetzer, Mechaniker und ähnliche qualifizierte Arbeiter, sowie eine Anzahl Weber, deren es damals noch in löerlin gab. Bei den Lassallcanern dagegen überwog um jene Zeit in Berlin  der Bauhandwerkcr, der im ganzen noch einen ziemlich groben Arbeitertypus darstellte und in Versammlungen sich entsprechend ge- bürdete. Unzweifelhaft herrschte in den Versammlungen der Berliner  Lassalleaner damals kein sehr schöner Ton, so daß der Eisenacher auf den Lassalleaner als auf eine geistig minderwertige Persönlichkeit herabsah. In einer Hinsicht und wenn man den Durchschnitt nimmt nicht mit Unrecht. Bei den Ketzern herrscht gewöhnlich ein regeres geistiges Leben als bei den Gläubigen, und in Berlin  waren die Eisenacher die Ketzer. Ich nannte oben einige ihrer jüdischen Mitglieder. Im übrigen brauche ich nur die Namen Th. Metzner, Aug. Hcinsch, Fritz Mielke, Aug. Baumann, I. Peter zu nennen, um die Qualität der Arbeiter zu bezeichnen, aus denen sich die Berliner   Mitgliedschaft der Eisenacher zusmnmensetzte. Als Organisation diente ihr damals in der Hauptsache ein Verein, der sich Demokratischer Arbeiterverein nannte. Nur einmal im Monat versammelten sie sich als Parteimitgliedschaft. Der Arbeiterverein war ursprünglich eine Absplitterung vom Schulze- Delitzschschen Berliner Arbeiterverein gewesen, gebildet von Arbeitern, denen das Schulzesche Programm nicht radikal genug war. Dieser Verein feierte im März oder April 1872 im Norden Berlins   das Lokal hieß, glaube ich. Elysium sein Stiftungs- 'est und hatte zum Festredner August Bebel  , der jedoch zu jener .Aus dem«9!eiie Welt-Kalender" für 1905.