Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 51.

1]

Sonntag, den 12. März.

( Nachdruck verboten.)

Die fchöne Andrea.

Erzählung von Karl Busse .

Die schöne Andrea Falk spitzte die Lippen, als wollte sie pfeifen, und sah an Bogdan Konarski vorbei die Chaussee entlang.

Die Chaussee war hügelig; man konnte sie nicht weit überblicken. Zu beiden Seiten schloß der Wald sie ein. Auch

er stieg und fiel unregelmäßig.

, Dachte immer, es sind auch meine! der Stadt, Euer Wohlgeboren?"

1905

-

Nun, wie geht's

Das legte rief er dem Vater der schönen Andrea zu, der eben auf seinem Fuhrwerk herankam.

Ein absonderliches Gefährt. Ein kleiner, alter Esel zog den kleinen, alten Wagen. Weil der Sitz zu niedrig war, mußte Valentin Falk die Beine stets weit nach vorn aus­strecken. Hinter ihm klapperten bei jeder Umdrehung der Räder die leeren blechernen Milchkannen.

besser als mir. Sie steht fest, wie sie gestanden, und fällt

" Der Stadt," sagte er nickend und grüßend, geht's

" Pani!" sagte der Bursch, um die schöne Andrea zu er- nicht. Ich aber schwanke wie betrunken. Bald, Freundchen, innern, daß er auch noch da sei. Seine groben, ausgearbeiteten fann ich mir selbst Maß nehmen zum Sarge. Kurios, Hände zogen den breiten Traggurt hin und her über den kurios man glaubt, es war vor kurzem, daß man den Schultern. ersten machte. Und nun soll der letzte kommen."

Seht Ihr den Vater schon?" gab sie zurück. ,, Er kommt auch so. Er kommt jeden Tag. Ich aber habe Euch nur selten. Erinnert Euch, daß Ihr mir eine

"

Antwort schuldig seid."

Da bog sie das Gesicht ihm zu. Es war von feiner, heller Bräune, wie man sie wohl bei jungen Zigeunerinnen sieht, und edel geschnitten. Frei und hoch waren die Brauen ge­schwungen und neigten sich weit zueinander. Darunter die Augen, dunkel, tief, unbeweglich aber es wußte jeder Bursch im Dorfe, daß dieses Dunkel hin und wieder glänzen und brennen konnte, als würde es von innen durchleuchtet. Jetzt jedoch war es nur unbewegliches Dunkel. Und ein stiller Hochmut stand in dem Antlitz.

Drei Häuser weiter," sprach sie. Sagt dort dasselbe, und ich höre den Jubel bis hierher."

,, Wenn ich drei Häuser weiter wollte, wäre ich nicht hier Stehen geblieben."

sein."

Vielleicht waret Ihr müde. Die Karre wird schwer

Der Bursch drehte langsam den Kopf. Am Rand der Straße stand ein Schubkarren. Das Holz war hoch auf­geschichtet und mit Striden gegen das Abgleiten gesichert. Seine Brust dehnte sich.

,, Man sorgt für den Winter. Es wird kalt werden, Bani. Und leicht war es nicht, das Holz bis hierher zu kriegen. Aber die Mutter ist alt. Wer weiß, wie lange sie noch lebt!

Mir hilft keiner!"

" Und deshalb," fuhr Andrea statt seiner fort, dachtet Ihr: eine Frau wäre nicht schlecht. Sie könnte ziehen, sie fönnte helfen. Man spannt sie als Pferdchen vor..., das geht firer. Gerade muß ich dastehen: so kamt Ihr heran."

-

Aechzend war er herabgeklettert und rieb sich die Beine. Dann schirrte er den Esel ab.

Er

befestigte den Traggurt schon an den Griffen der Karre.

,, Seit wann unkt Ihr so, Gevatter?" fragte der Bursch.

,, Seit es in mir sitt., Anton genug für heut. Man verträgt den Stall in Deinen Jahren. Natürlich- junges Blut friert nicht. Brennt das Blut. brennt die Liebe. Was meinst Du zu Andrea, Freundchen?"

Bogdan Konarski hatte mit schwerem Ruck schon die Karre erhoben. Es wird lange dauern, bis der Prinz für sie kommt, Gevatter," rief er, ohne sich umzusehen. Aechzend drehte sich das Rad.

Die schöne Andrea blickte unverwandt nach dem Walde. In letzter Nachmittagssonne flammte das rote Laub der Buchen und rieselte, lichtgetroffen, in den Herbstwinden nieder. Ueberall nur dieses brennende Rotbraun, in das sich, jenseits der Chaussee, die mattgrünen Wipfel der Kiefern mischten. Sie aber stand und sah, ob nicht zu diesen beiden Farben sich eine dritte gesellen wollte: ein helleres Grün, wie es Julian Libelt, der Förster, trug.

An ihr vorbei trabte Anton, der Esel, nach dem Stalle. Ihr Vater folgte mit den leeren Milchkannen. Er hatte trübe Augen. Sie erhellten sich nur, wenn sie auf Andrea fielen.

*

*

Julian Libelt war Unterförster in herrschaftlichen Diensten. Wenn er in seiner Uniform, die Flinte über der Schulter, durchs Revier ging, liefen ihm mehr Mädels über den Weg als Rehe. Kein Wunder: wo gab es auf Meilen einen zweiten so hübschen und forschen Kerl? Selbst die Schulzentochter in Laslowice wäre gern Pani Libelt ge­worden.

Denn vorher

Bogdan Konarski brachte die Worte nicht glatt heraus. fie brachte eine Geldkatze mit und Andrea nur einen Esel. Sie war nicht so schön wie die schöne Andrea Falf. Aber Weiberzungen sind schneller als Mannsgedanken," erwiderte Eine böse Geschichte. Böse besonders seit ein paar Tagen! er. Ich habe über ein Jahr bei mir nachgedacht. Ihr seid Stolz und habt zu schöne Hände. Schöne Hände sind schlechte Arbeiter. Da, seht die guten Arbeiter sind so!" Er streckte ihr die harten, mächtigen Pranken hin und lachte ruhig bei fich. Eine Prinzessin kann ich nicht brauchen. Meine Frau muß arbeiten. Und wenn sie die Karre ziehen hilft, ist die Last leichter. Die Pani Madurowicz weiß das!"

-

Eben bog ein anderer Karren aus dem Walde. Vorn ein junges Weib, das sich mit Brust und Schultern stark in die Stride legte, während der Mann hinten schob. So famen sie rasch vorwärts.

Seht, Pan," sagte das Mädchen plötzlich, das gefällt Euch. So möchtet Ihr es auch haben. Drei Häuser weiter, und Ihr habt es so. Warum wollt Ihr mich? Glaubt hr, ich lasse mich vorspannen? Bis jetzt habe ich's nicht gebraucht, und wenn ich heirate, will ich's besser haben, nicht schlechter. Das versteht Ihr doch! Warum also viel Worte? Als Vor­spann bin ich zu gut!"

-

Bogdan Konarski blickte lange zur Erde. Dann spuckte er in die Hände. ,, Wie Gott will! Also Einspänner. Schwer, schwer jedoch es geht alles. Da kommt auch Euer Vater. Er bestärkt nur immer Euern Hochmut, Pani. Nach wem Ihr seht, weiß ich. Das ist der Grünrock aus dem Walde. Grün ist die Hoffnung; alle Narren laufen danach."

,, Was kümmert Ihr Euch um meine Angelegenheiten, Pan Bogdan?"

Er machte die Augen zu. Wie sie warm an seinem Halse hing:" Julek!" Wie das Brennen in die dunklen Augen kam:" Julek!" Wie sie küßte, die schöne Andrea! eine war ihr vergleichbar.

Und der Alte, der Tischler, Milchfahrer, und was er sonst noch war, hatte gelächelt. Niemals war aus ihm klug zu Die einen versicherten, er hätte nicht nur ein werden. Kapitälchen auf der Sparkasse, sondern auch sonst noch mancherlei ausstehen. Die anderen hingegen meinten, er quäle sich gerade so durch und wäre ein lustiger Hungerleider. Julian Libelt neigte sich der ersteren Ansicht zu. Aber für alle Fälle hielt er auch die Schulzentochter noch am losen Fädchen.

Da war vor ein paar Tagen etwas geschehen, was ihn recht verstört hatte. Er war schräg durchs Revier gegangen, auf die Chaussee zu. Sprang da ein Wild? Wer lief so? Ein klingender Aufruf. Ein stockender Schritt. Julek!" Und weinend hängt ihm die schöne Andrea am Halse. Was ist los, wo brennt's? Ach, sie kommt vom Doktor. Der Vater will sterben. Hat immerzu gehobelt, am eigenen Sarg. Bis er hinfällt. Der Doktor will morgen nachsehen. es schmeckt bitter durch alles Süße.

"

Küsse und Tränen Geh' mit! Rette ihn!" Lieber Gott, die Weiber

-

wenn fie einen lieb haben,