Göttern geweiht ist. Um keinen Preis würde ein Ainu durch diesesKenster hinaussehen, und von außen einen Blick durch das Fensterin das Innere der Hütte zu wagen, gilt nahezu als ein Verbrechen.Das unfruchtbare, öde Land gewährt den Ainus nur karge Nahrung.Sie jagen und fischen, müssen aber einen großen Teil ihres Fangesals Tribut an die Japaner abliefern. Die Ainus haben auch einen„König", der die Reisende mit allen Ehren in seiner Hütteempfing. Er war angetan mit seinem Staatsileid und hatte eineKrone auf aus Fichtenspänen mit der Bronzefigur eines Bären inder Mitte.In längst vergangenen Jahrhunderten war da� Volk un»abhängig: jeder Stamm hatte seinen Häuptling und ein Königherrschte über das ganze Volk. Dann aber nahmen die Japaner dasLand in Besitz und unterjochten die Ainus, wenn auch nicht ohneharte Kämpfe. Die japanische Regierung kümmert sich jedoch wenigoder gar nicht um dieses Volk und tut nichts, seine Lage zu ver-bessern, so daß es immer weiter zurückkommt und langsam ausstirbt.Man schätzt die Zahl der Ainus jetzt auf nicht mehr als 20 000.Wie bei allen tiefstehenden Völkern ist auch bei den Ainus die Lageder Frauen keine beneidenswerte. Sie huldigen der Vielweibereiund behandeln die Frauen mit großer Geringschätzung. Die Frauenmüssen an allen Arbeiten teilnehmen, am Hausbau, am Fischfangund so weiter, ja sie tragen sogar die Hauptlast der Arbeit undleisten dazu noch ihren Herren und Gebietern jeden erdenklichenpersönlichen Dienst: dabei' blicken sie mit größter Ehrerbietung zuihnen auf. Begegnet ein Mann einer Frau aus der Straße, so trittsie sofort beiseite, verneigt sich tief und hält die Hand vor den Mund,damit nicht etwa der Atem eines Weibes den Herrn der Schöpfungberühre und beflecke.Eine merkwürdige Sitte üben die Ainumädchen mit einem er-staunlichen Maß von Geschicklichkeit. Ihr Ursprung mag so alt seinwie die Verstümmelung der Füße in China, und der damit zunächstbeabsichtigte Zweck ist nicht mehr erkennbar: die Ainus wissen selberkeinen anderen Grund anzugeben, als daß„die Vorfahren es sotaten". Kein Ainumädchen darf nämlich hoffen, das Wohlgefalleneines Mannes zu erregen, ehe sie sich nicht einen großen Schnurr-bart auf die Oberlippe tätowiert hat. Da das Verfahren sehrschmerzhaft ist, so wird es langsam und in einzelnen Abschnittenvorgenommen, und es dauert gut zwei Jahre, bis die Operationvollendet ist. Die Ainus sind im höchsten Maße abergläubisch: siehaben eine primitive Religion, die auf der Existenz von Tausendenvon Geistern basiert, meistens bösen, die Tag und Nacht Opferheischen. Abgeschälte Fichtenstämme mit darauf befestigten Bären-schädeln dienen als Talisman gegen Wassergefahr, Feuersnot undalle anderen Uebel. Bei ihrer Armut haben sie ein eigenartigesMittel ausfindig gemacht, den Göttern ohne zu großen Aufwand zuopfern; den Götzenbildern werden die ersten erlegten Tiere zumOpfer gebracht, jedoch nur die Haut, das Fleisch essen die Ainusselber. Das größte Heldenstück bildet in den Augen des Ainu dasEinfangen eines lebendigen Bärenjungen: dieses bildet dann denStolz und das Schaustück des ganzen Dorfes, es wird groß ge-zogen und gemästet, um schließlich bei einem großen Volksfeste, zudem die ganze Nachbarschaft herbeiströmt, gebraten und verzehrt zuwerden. Nach diesem Feste wird dann die Haut des Bären zu derreligiösen Kultstätte gebracht und auf den Fichtenftangen aufgehängt,dort bleibt sie, solange noch ein Fetzen von ihr übrig ist.—Die Erforschung der Affensprache. Der vor mehreren Jahrenviel genannte Professor R. L. Garner, der berühmte Entdecker der„Affensprache", rüstet zu einer neuen Expedition an die WestküsteAfrikas. Seine Hauptquartiere werden Gaboon und Kap Lopez sein.Auch diesmal begleitet ihn der grüne Drahtkäfig, in den er sich setzt,während die Bewohner des Urwaldes in voller Freiheit an ihm vor-beistreifen. Diesem merkwürdigen Einfalle, sich einmal lieber selbstin den Käfig zu sperren, verdankt Professor Garner seine wertvollstenEntdeckungen. Nur so war eS ihm möglich, viele Monate goinz,allein, gegen Raubtiere und Schlangen geschützt, im tiefsten Dschungelzu leben. Kein zweiter Mensch wie er hat wohl Eindrücke von solcherwilden Größe erfahren, denn das ganze große Leben des Urwaldespulsierte an ihm vorüber, während die feinsten Apparate im Käfigjeden Laut registrierten. So lernte Garner die Laute der Affen»spräche, deren er ungefähr zehn verschiedene entdeckte, nicht nur ver-stehen, sondern auch selbst nachahmen, so daß er mit den Affen„Konversation" führen konnte. Ein bestimmte« Laut bedeutet„flüssige Nahrung", ein anderer„feste Speise". Mit dem Kriegsrufekonnte er wildeste Flucht, mit„alles sicher" Ruhe und Gemütlichkeitnach Willkür bei einer Affenherde hervorrufen. Diesmal führtGarner die feinsten und vollkomniensten Phonographen mit sich, dieje fabriziert wurden— Thomas A. Edison hat selbst die Ausführungüberwacht. Außerdem hat Garner noch eine Reihe von Apparatenselbst konstruiert, die ihm für psychologische Untersuchungen dienensollen, denn er will diesmal die Affen auf ihren Form- und Farben-sinn, auch auf musikalische Veranlagung hin untersuchen. Die meistendieser Apparate funktionieren elektrisch, so daß kaum ein Bruchteileiner Sekunde zwischen Wahrnehmung und Registrierung verstreicht.„So gut wie diesmal", sagt Professor Garner.„war ich noch nie aus-gerüstet, und so hoffe ich auch auf um so günstigere Resultate. DasFaszinierende an meinem Unternehmen ist, daß man nie weiß, wannsich etivas Wichtiges ereignen wird— plötzlich und verblüffendkommen die Entdeckungen. Dann aber, um ihmn den Wissenschast-lichen Wert zu geben, muß allerdings jedes Experiment mit unend-licher Geduld immer wieder versucht werden, um alle Fehlerquellenauszumerzen." Die neue Expedttion ist auf ungefähr zwei Jahreberechnet.—Eine wärmere Epoche? Wilhelm Schuster will deutliche orni»thologische Anzeichen dafür anführen(Mitteil. üb. d. Vogelwelt,1905), daß wir einer wärmeren Epoche, also einer neuen Tertiär-zeit, entgegengehen. Erstens sei es das immer mehr— und zwarhinsichtlich der Arten- wie Jndividuenzahl— um sich greifende, zurGewohnheit werdende Ueberwintern derjenigen Vögel, die eigentlichZugvögel sind: sehr bezeichnend sei hierbei zugleich die Tatsache, daßdie Winterquartiere eben dieser zu Standvögeln werdenden Sängerund Lufträuber mit den Jahren immer weiter in höhere Breiten vor-geschoben werden Dann kämen nordische Vögel, wie beispielsweisedie Seidenschwänze, jetzt lange nicht mehr so zahlreich zu uns wie infrüheren Jahrzehnten. Sommerquartiere wie Brutgebiete südlicherVögel fänden sich jetzt in Teutschland, von denen früher nichts zusehen war. Dabei rückten die südlichen und selbst die heimischenVögel nicht allein in horizontaler Linie gegen Norden vor, sondernauch in vertikaler gegen die Berghöhen. Beispielsweise kannte Nau-mann den Girlitz noch nicht aus der Beobachtung in der freien Natur.Heute kommt es überall in Mitteldeutschland vor, vereinzelt bis nachHolland und Island hin. Vom Steppenhuhn und seinen Wände-rungen in den letzten Jahrzehnten wissen wir noch alle. Die orni-thologischen Beobachtungen befänden sich in Uebereinstimmung mitder neuen Reibisch-Simrothschen Theorie der Erdpendulation.(„Globus.")'Humoristisches.— Begreiflich. Polizeikommissär:„Nun, Huber,wie hat denn das Automobil, von dem Sie überfahren wurden,eigentlich ausgesehen?"Bauer:„Ja. wenn i' das wüßt', Herr Kommissär I I' hab'sg'hört, g'rochen und g' s p ü r t, aber— g' s e h' n Hab' i'Sn e t!"—— Zur Ausbildung. Chef(zum Lehrling):„DiesesJahr werden wir'mal Pleite machen, damit Sie das auchlernen, Müllerl"—— Der Pantoffelheld. Frau:„Eine innere Stimmesagt mir—"Mann:„Was, um Gottes Willen, eine innere Stimmehast Du auch noch?"—(„Fliegende Blätter")Notizen.— 75 000 Zeitungen und Zeitschriften erscheinennach der„Lit. Praxis" gegenwärtig auf der Erde, davon 9000in deutscher Sprache. Am zeitungsärmsten ist Rußland.Als ä l t e st e Zeitung wird die„Pekinger Zeitung" registriert;chinesische Werke erwähnen sie schon im Anfange des achten Jahr-Hunderts.—c. Für einen Shakespeare-Druck, eine alte Quart-ausgäbe von„Richard Hl."— 46 bedruckte Blätter, an den Eckenverbrannt, teils beschmutzt oder anderweit beschädigt— sind aufeiner Auktion 35 000 M. bezahlt worden.—— DaS Neue Theater wird seine Spielzeit am 1. Sep-tember mit dem„Sommer nachtstraum" eröffnen. Spätergeht Ibsens„Fest auf Solhaug" in Szene.——„D e r Li e b es kö ni g", Schauspiel von Leo Greiner,wird als die erste Neuheit der kommenden Spielzeit imDeutschen Theater bezeichnet.——„Ohne Religion" heißt ein bieraktigeS Lustspiel vonClaude Fremy, das die Comedis franqaise in Paris aufführenwill.—— Leon Achard, einer der berühmtesten stanzösischenOpernsänger, ist in Paris gestorben.—— Eine Ausstellung der gesamten deutschenMalerei des neunzehnten Jahrhunderts wird inBerlin für den nächsten Winter geplant.—— Ein Wüstenlaboratorium wird in der ProvinzSonora(Mexiko) errichtet werden. ES soll die Wüstennatur er-forschen, insbesondere Untersuchungen über die Pflanzen-weit der Wüste anstellen.—t. Eine neue Entdeckungsfahrt nach dem Nord-pol im Luftballon beabsichUgt der französische AöronautMarcillac. Er will das Unternehmen u. a. dadurch möglichstsicher gestalten, daß er die drahtlose Telegraphie benutzt,um durch einfache, vorher vereinbarte Zeichen fortwährend Meldungennach dem Ausgangspunkte seiner Fahrt gelangen zu lassen. Einvon Marcillac konstruierter Apparat„Thermogen" soll den Ein-fluß der polaren Kälte aus das Gas im Ballon bekämpfen.Auf die Abkühlung des GaseS und die dadurch herbeigestihrte Ver-Minderung der Tragfähigkeit führt Marcillac im wesentlichen denMißerfolg AndröS zurück.—— An einer Kirsche erstickt ist daS halbjährige Kindeiner Bergmannsfamilie in Hochheide bei Ruhrort.—Verantwortl. Redakteur: Franz Rehbei», Berlin.— Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.VerlagSanstaltPaul Singer LcCo., Berlin S W.