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Kleines feuilleton.

Aus dem Tierleben.

Der Schnabeligel. Ein Vertreter der niedrigsten

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gel mit einem Stachelkleid, das ihm zum Schuße dient, bedecktes Geschöpf, aber mit langer, schnabelähnlicher Röhrenschnauze und einer weit hervorstreckbaren Zunge, die rasch herausgeschnellt, zur Erbeutung seiner Nahrung( Würmer und Insekten, hauptsächlich Ameisen) fehr geeignet erscheint. Das Merkwürdigste aber, was man früher nicht glauben wollte, ist, daß der Schnabeligel Eier legt, wie der frühere Direktor des Frankfurter Zoologischen Gartens, Dr. Wilhelm Haace, im Jahre 1884 unwider­leglich festgestellt hat. Aehnlich wie die Beuteltiere in ganz unentwickeltem Zustande geboren werden und in der Bauchtasche des Weibchens fich erft weiter ausbilden, so kommt beim Schnabeligel der Embryo noch in der Eihülle( sozusagen als Frühgeburt) zur Welt. Das einzige jährlich gelegte Ei des Schnabeligels hat etwa 12 Zentimeter Länge und eine pergamentartige Schale; es wird von der Mutter fogleich in den sich vorübergehend für einige Monate am Bauche bildenden Brutbeutel" gebracht. Der Embryo wird durch die aus den zißenlosen Nährdrüsen der Mutter hervorfidernde und von der Eischale aufgefogene Milch ernährt. Darin besteht nun allerdings, wie Matschie hervorhebt, ein wichtiger Unterschied zwischen diesem Säugetierei und einem Vogel- oder Reptilienei, in welchem der fich entwickelnde Embryo durch den Nahrungs­dotter ernährt wird und von außen her nur die nötige Wärme erhält, während der Embryo des Ameifenigels die dem mütterlichen Körper entstammende Nahrungsmilch durch die Eihäute hindurch empfängt, worin er, im Gegensatz zu den übrigen Sänge tieren, auch nach der Geburt noch einige Zeit eingefchloffen bleibt. Der Ameisenigel ist im Frankfurter   Garten durch ein schönes, naments lich gegen Abend munteres Eremplar vertreten, das sich bei seinem aus feingeschabtem Lendenfleisch, Ei, Milch und Friedrichsdorfer  8wieback zusammengesetzten Ersatzfutter recht wohl befindet. Ameisen­ igel   sind in den letzten Jahren fast in allen größeren Tiergärten ge­zeigt worden, während es bis jetzt leider noch nicht gelingen wollte, auch das rechte oder Waffer- Schnabeltier lebend nach Europa   zu über­führen, ein noch seltsameres Geschöpf und wohl das am meisten an die niedrigeren Wirbeltierklaffen erinnernde Säugetier; seine zivei Eier legt es in die Neftkammer feiner Höhle und brütet sie dort. ( Frif. 3tg.")

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Notizen.

K. Eine Theateraufführung im Irrenhaus. Die geheimnis- Säugetierordnung ist der Schnabel  - oder Ameisenigel, ein wie unser Gollen Grenzgebiete zwischen gesundem Menschenverstand und Irr­finn lassen es zu, daß man allerlei Veranstaltungen unter den Geistesgestörten arrangiert, wie sie sonst in ihren gefunden Zeiten von ihnen besucht wurden. Diese Zurückversehung in eine frühere Beit, die ungewohnte Atmosphäre, die Erinnerungen an ihr einstiges Leben im Licht des Verstandes auftauchen läßt, wirken auf den Ge­sundheitszustand der Kranten oft beffernd und heilend. So hat man denn Bälle im Frrenhaus veranstaltet und seit einiger Zeit auch Theatervorstellungen von Jrren vor Jrren zu inszenieren versucht. Wohl der am besten gelungene unter diesen Versuchen ist eine Vor­stellung der luftigen Operetten von Lecocq Die Tochter der Madame Angot  ", die vor einigen Tagen in dem großen Pariser Jrrenhaus zu Saint- Anne, das fast 1500 Unglüdliche männlichen und weiblichen Geschlechts beherbergt, stattfand. Ein scharfer Beobachter hat während dieser Theateraufführung die Schauspieler auf der Bühne und das Publikum vor der Bühne in ihrem Benehmen genau ver­folgt und berichtet darüber folgendermaßen: Eine mit allen Vor­richtungen versehene Bühne war unter den Bäumen des Irrenhaus­gartens aufgestellt, alles nötige Zubehör befand sich am rechten Orte. Um 8 Uhr nimmt der Kapellmeister vor seinem Bulte Plak mitten unter den Musikern. Bunte Lampions find überall angebracht und vermischen ihr farbiges und ungewisses Licht mit der blendenden Helligkeit der elektrischen Bogenlampen. In den ersten Reihen sitzt die Menge der Eingeladenen, die alle begierig sind, einem so seltenen Schauspiel beizuwohnen. Hinter ihnen, durch aufgespannte Stricke abgetrennt, fiben die unglücklichen Bewohner dieses Hauses, sorg­fältig bewacht und stetig im Auge behalten von den Wärtern in weißer Weste und den Wärterinnen in kleinen weißen Häubchen. Auf der einen Seite sind die Männer, auf der anderen die Frauen. Ueber alle diese Gesichter scheint eine große Neugierde sich zu verbreiten. Man hat natürlich nur diejenigen Kranken zugelassen, deren Wahn­finn noch nicht in einem fortgeschrittenen Stadium fich befindet. Die Lobfüchtigen und die Gefährlichsten find in ihren Bellen einge­fchloffen. Die Unglüdlichen allein haben wir vor uns, bei denen bas Empfinden eines geistigen Lebens noch nicht völlig abgeftumpft ist und die den Wunsch haben, für einige Stunden ihre firen Ideen und sonderbaren Vorstellungen zu vergessen. Einige entzückende, von tiefer Trauer beschattete Gesichter von jungen Frauen finden sich neben verwüsteten und zerwühlten Physiognomien. Sie sind sehr cubig, sehr gesetzt, diese Halbberrüdten, wie eingeschüchtert unter den gebieterischen Blicken ihrer Wärter. An der Rampe der Bühne flammt das elektrische Licht auf und badet die ganze hübsch herge­richtete Szenerie in Helligkeit. Das Orchester seht mit den ersten Taften der Musik ein. Die leichte und luftig prickelnde Musik tanzt über die andächtig laufende Zuhörerschaft hin. Nun fangen die Künstler zu singen an und beginnen ihre Rollen zu spielen. Es ist erstaunlich, wie gewandt und geistvoll sie alle ihren Part durchführen. Alles ist vorzüglich geregelt, die Massenszenen, wie der Ball im dritten Aft und der Eintritt des Chors der Verschworenen, find ausgezeichnet einstudiert. Die Chöre gehen in glänzender Weise mit dem Orchester zusammen und das sehr zahlreiche Personal, das in dem Stück vorkommt, läßt nichts zu wünschen übrig. Für den Beobachter ist das Schauspiel im Parterre freilich interessanter als auf der Bühne. Trotz des Halbdunkels, das über dem den Kranken reservierten Teil des Zuschauerraumes ausgebreitet ist, fann man doch deutlich ihre Gesten und ihre Bewegungen beobachten. Der wohltuende und beruhigende Einfluß der Musik macht sich in diesen amdüsterten Seelen und diesen zerrütterten Gehirnen deutlich be­merkbar. Bisweilen scheint ein Aufglänzen der Vernunft ihre groß geöffneten Augen, die so ausdrucelos vor sich hinftarren, zu beleben. Es ist nur ein jähes Muffladern, ein momentaner Blib, aber viel­leicht fann diese schnell erstorbene Flamme eine Morgenröte in der Nacht des Wahnsinns bedeuten, der die erhellende Sonne der Ver­Mamy machfolgt. Der Direktor der Anstalt, Maurice Guillot, äußerte sich dahin, daß das Theater einen wichtigen Faftor in der Heilung der Gerstesgestörten bilden fönne und schon einige günstige Resultate gezeitigt habe. Die Zeritreumgen, die Ruhe, die relative Freiheit der Bewegung tragen dazu bei. Natürlich handele es sich nur um leichtere Fälle des Wahnjinns; für die schwereren gäbe es Teigen feine Seilung. Am Ende des zweiten Aftes wird die Heiterfeit allgemein, die Künstler scheinen von ihrem Erfolg wie beam In diesem Augenblick nähert sich mir ein junger Mann bou impathischenz Aeußeren. Ich bin der Souffleur," fagt er, Gie tonnen fich gar nicht vorstellen, wie oft ich die Gedächtnis w. 8igeuner Treibjagden. In einem alten Jagd­schwächen bei einzelnen der Schauspieler korrigieren muß. Ich buche ist zu lesen: Geschossen 1 starter Hirsch, 5 Schmaltiere, merte, daß es ein Stranfer ist. Er erzählt mir, daß er seit zwei 3 grobe Sauen, 10 geringere Sauen, 28igeuner, 1 Zigeunerin Jahren in Saint- Anne festgehalten wird, obgleich er völlig gesund und 1 Kind". Auch die damalige Gesetzgebung ging barbarisch sei. Das kann ich Ihnen damit beweisen," fügt er hinzu, daß der mit den Zigeunern um. Ein deutscher Mittelstaat verordnete noch Direttor mich in seinem Bureau beschäftigt und die Kranten alle ein- anfangs des 18. Jahrhunderts bezüglich der Zigeuner, einerlei ob schreiben läßt." So spricht er immer weiter. Unter allgemeinem diese mit oder ohne Paß betroffen wurben: Die Mannesperſonen Beifall endet das Stück. Vor einem Büfett treffen sich Schauspieler sind auf der Stelle sofort niederzuschießen, die Weiber und Geladene. Man beglückwünscht die Künstler, die vergnügt ihr au peitschen und mit dem Galgenzeichen an der Stirn zu Glas Champagner auf das Wohl des Direktors leeren. Langsam brandmarken". Ein preußischer Erlaß aus dem Jahre 1725 schlägt die große Anstaltsuhr Mitternacht. Die Kranken ziehen fagt: Jeder Zigeuner und jede Zigeunerin über 18 Jahre alt, fich, von ihren Wärten begleitet, in die Schlafzimmer zurück. Und fofort abzutun". Auch in Württemberg wurde durch eine bald lastet wieder ein schweres und dumpfes Schweigen über dem un- Verordnung vom 12. Oftober 1736 das einfache Niederschießen der Heimlichen Gebäude mit den dicken Mauern. Bigeuner angeordnet.-

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Ein idealer Gatte", das vieraftige Schauspiel von Dstar Wilde, wurde vom Kleinen Theater zur Auf­führung angenommen. Das Trianon Theater beginnt feine neue Spielzeit am 12. August mit dem Lustspiel Die Notbrüde". Soubrettengage. Fräulein Milla Barh ist vom Kabaret Roland von Berlin" verpflichtet worden und erhält für ein neumonatiges Engagement in der nächsten Saison 24 000 M. Eine internationale Buchbinderkunst Aus­ftellung veranstaltet der Mitteldeutsche Kunstgewerbeverein vom 15. März bis 16. April in Frankfurt   a. M. - Schwalbengeschwindigkeit. Ein interessanter Versuch ist dieser Tage von einem Antwerpener gemacht worden. er fing, so lefen wir in der Bossischen Zeitung", eine Schwalbe, die unter dem Dach seines Hauses nistete, malte ihr mit Farbe ein Zeichen auf die Flügel und übergab sie einem Manne, der 250 Körbe Brieftauben nach Compiègne   begleitete. In Compiègne   wurde die Schwalbe am nächsten Morgen um 7 Uhr 15 Minuten, genau zu derfelben Zeit wie die Tauben, freigelassen und nahm, geschwind wie der Blitz, die Richtung nach Norden, während die Tauben zuerst planlos umherirrten und die Richtung nur schwer finden konnten. Um 8 1hr 23 Minuten traf die Schwalbe in Antwerpen   ein und fuchte sofort ihr Nest auf. Die ersten Tauben dagegen erreichten ihren Schlag erst gegen 11 Uhr 30 Minuten. Die Schwalbe hatte die 235 Stilometer in 1 Stunde 7 Minuten zurückgelegt, also mit der folossalen Geschwindigkeit von 3507 Meter in der Minute. Die Tauben brachten es nur auf eine Geschwindigkeit von 922 Meter in der Minute.

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In dem Breslauer Vorort Gräbschen wurden etwa 500 vorgeschichtliche Gräber mit zirfa 6000 Töpfen und 200 Wohngruben aufgedeckt. Die ältesten Gräber weisen ein Alter von ungefähr zweieinhalb Jahrtausenden auf.-

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Berantwortl. Redakteur: Paul Büttner  , Berlin.- Drud und Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u, Verlagsanstalt Baul Ginger& Co., Berlin   SW.