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Musik.

Theater. Kleines Theater. Ghetto. Trauerspiel in drei Auf- Der vielbeliebte Roman von Henri Murger   vom Jahre zügen von Hermann Heyermans. Dies ältere Stück zeigt 1851, Scènes de la Bohème  ", der die" Boheme" sozusagen literatur­in seiner dramatischen Struktur bei aller Verschiedenheit der sozialen fähig und terminologiefäbig gemacht hat, reizt nunmehr immer Sphäre einen unverkennbaren Parallelismus zum" Panzer", dem wieder zur Komponierung. Am meisten Erfolg hat wohl der neuesten, lehthin von der Freien Volksbühne" aufgeführten Werke Italiener Puccini mit seiner Vertonung gehabt( 1897). Die Herab­Heyermans. In beiden erscheint die Tendenz als das treibende zerrung des zartgewobenen Gebildes auf das Niveau einer als Element, aus dem heraus die Handlung und die Kontrastierung der Operette bezeichneten Posse erlebten wir am vergangenen Sonn­Personen gefunden ist. Sie richtet sich im Panzer" wider den abend im 3entral Theater. Drei Namen werden als Tert­allmächtigen Militarismus, im Ghetto gegen den altgläubig verfasser genannt, nur der des ursprünglichen Dichters nicht. Vielleicht jüdischen Kastengeist, der hier und da in einzelnen Kreisen von spricht sich darin das böse Gewissen aus, daß mit dem ursprüng­Heyermans Stammesgenossen, ein Rudiment vergangener Zeiten, lichen Text unbarmherzig umgegangen ist. Der tiefgehende Welt­mit zäher Kraft sich forterhält. Das Aufeinanderprallen freierer humor" der Dichtung, wenn wir so sagen dürfen, und die rührende menschlich aufgeklärten Denfart mit der ideenlosen, auf bloße Innigkeit, die in einzelnen Gestalten lebt, sind hier verloren, und Autorität gestützten Tradition bildet den Inhalt der Handlung, übrig geblieben ist höchstens die Darstellung einer ungebundenen und die gegensätzlichen Standpunkte sind hier wie dort in gleicher Rustigkeit. Der erste Aft spielt auf dem Dach eines Ofenfabrikanten Weise auf Väter und Söhne verteilt. Die Söhne, im Panzer" der und vereinigt hier die lustige Gesellschaft, die ihren verschiedent­Sefondeleutnant Stamm, im Ghetto  " der junge Rafael, werden, lichen Einsperrern und dergleichen zu entkommen sucht. Die zwei indem sie das Recht, nach ihrer Ueberzeugung zu leben, für sich verwunderlieblichen Mädchen des Romans, Musette und Mimi, lassen langen, zum offenen Bruche mit dem väterlichen Willen, zum Bruch sich von Adeligen umgarnen, kehren aber am Schlusse des Stückes mit der Familie getrieben. Noch weiter geht die Aehnlichkeit in der sehr vergnügt in ihr Mileu zurück. Struktur; wie der zweite Akt des Panzers" in der prinzipiellen Auseinandersetzung des rebellischen Leutnants mit dem alten oder Jones, schreibt keine Operettendramatit, wohl aber hübsche Henri Herblay  , der dies komponiert hat, ist kein Audran Stamm und den hinzugezogenen Hauptleuten, fo gipftelt auch voll- Stückchen, die uns wenigstens über das Leiermäßige so vieler kommen parallel der Mittelpunkt des Ghetto  " in dem freigeistigen anderer Operetten hinausheben. Namentlich pflegt er den Typus Bekenntnis, das Rafael in dem Gespräche mit dem alten Sachel derjenigen Themen, welche durch rasch perlende Tonreihen wirken und dem zur Hülfe herbeigeholten wortreichen Rabbiner ablegt. und zwischen diesen mit größeren Fermaten oder sonstigen Ein­Aber wenn in dem neueren Stück über das Tendenziöse hinaus schnitten anhalten. Auch ein geschicktes Ensemble in Kanonform durch die eingehende naturalistische Individualisierung des jungen und schließlich kräftig aufgebaute Finales erfreuen den Hörer, der Soldaten, den die ewigen Reibungen zum Neurastheniker gemacht sich durch die zerrissene Ouvertüre nicht hat abschrecken lassen und haben, zugleich ein psychologisches Interesse für ihn geweckt und auf eine Wiederherstellung der ursprünglichen Poesie durch den durch ein kluges Arrangement eine bis zum Schlusse reichende Komponisten nicht rechnet. Theaterspannung ermöglicht wird, bleibt Rafael, der Held des Ghetto  ", fast ganz im Deklamatorischen stecken, die Handlung schleicht im langsamsten Schneckengang und mündet schließlich in Szenen von erschreckend melodramatischer unwahrhaftigkeit. Dazu kommt, daß die Tendenz, die sich gegen ganz partikulare relativ ungefährliche und dem weiteren Publikum unbekannte Er­scheinungen fehrt, an und für sich hier weniger fesseln kann. Was dann noch bleibt, die stimmungsvolle Schilderung des Milieus im Amsterdamer Judenviertel, die anschauliche Charakteristik des alten blinden tyrannisch- rechtgläubigen Trödlers Sachel, der noch in seiner Blindheit die Kunden pfiffig übers Ohr hat, wie der anderen um ihn herum gruppierten altjüdischen Typen reicht nicht hin, das Drama über Wasser zu halten. Die wesentlichen Züge, die in dieser Schilderung und Charakteristik interessieren, sind großenteils schon in dem ersten Akt erschöpft, und für den Mangel an Bewegung und Entwidelung fann die breite Ausmalung des Zuständlichen dann weiterhin feinerlei Ersatz schaffen. Um den Konflikt zwischen dem idealistischen Jüngling, der ein Mensch, nicht Jude noch Christ sein will, und dem in schmutziger Habsucht, mißtrauischer Abschließung, trodenem Buchstabendienst verknöcherten Alten zu verschärfen und dem Stück einen Ausgang zu sichern, muß ein Liebeshandel Rafaels mit dem christlichen Dienstmädchen im väterlichen Hause herhalten. Er erklärt zur allgemeinen Empörung, Aarons hübsche Tochter Rebekka trotz der dreitausend Gulden, die sie mitbekommt, nicht zu Heiraten; Rose, das gute, nur ein bißchen gedankenlose Ding, die Der Sommernachtstraum" wird im Schaus ihm in freier Wahl sich hingegeben, soll seine Frau werden. Eigent- spielhause neu einstudiert und gelangt im Januar zur lich steht dem, als Rafael sich von der Familie losgesagt, auch nichts Aufführung. An derselben Bühne erlebt- ebenfalls im Januar im Wege. Aber Heyermans, wohl in der ganz richtigen Gustav Renners fünfattige Tragödie Merlin die Ur­Empfindung, daß eine Dupendehe für ein Aposteltemperament wie aufführung.­Rafael recht übel paßt, fährt mit flammendem Schwerte   dazwischen. In dem gedruckten Stücke wird dem Leser zugemutet: er soll glauben, daß Rose auf die bloße Versicherung des alten Lügners Sachel, Rafael, der ihr vor ein paar Stunden noch Liebeseide schwor, wolle nichts mehr von ihr wissen, ohne auch nur den Geliebten abzuwarten, hopsa ins Wasser springt! Für die Aufführung ist der Schluß abgeändert, das heißt, noch mehr verschlechtert worden. Die Verrücktheit verdoppelt sich. Rose kommt nämlich, von dem Alten wütend beschimpft, auf die Idee, ihm zuzuschwören, daß sie, wenn Rafael ihr Mann wird, Jüdin werden und ihre Kinder jüdisch erziehen lassen wolle. Rafael, wie er das hört, erklärt das Mädchen auf einmal als unwürdig seiner Liebe; und im Augen­blick ist die Trennung perfekt. Ich habe Pflichten, große Pflichten, auferlegt von dem Gotte, den ihr nicht kennt, und den die Christen nicht fennen!"

" Musette" ist der Titel des Stückes, da dieser Figur be= sonders viel Aufmerksamkeit geschenkt ist. In der Aufführung war diese Hauptrolle einem Gast aus Budapest   anvertraut: Klara von Küry. Das ergab nicht nur aufdringlichen Beifall und Aufbietung von Blumen in den unglaublichsten Arrangments, sondern auch eine Verhinderung des Publikums an seinem all­gemeinen, gleichen und direkten Wahlrecht. Doch gab es noch fobiel zisleithanische Vernunft, daß Mia Werber   in der Rolle der Mimi die ihrem wirklich kunstvollen Spiel gebührende Anerkennung fand. Wenn wir gegen diese große Künstlerin manchmal ein skeptisches Wort hatten: was soll man dann zu der theatralischen Künstlichkeit und Falschsingerei des Gastes sagen?!

Die alte Garde des Zentral- Theaters tat im ganzen wiederum so viel Gutes, daß abermals der Mangel größerer fünstlerischer Aufgaben für diese Kräfte bedauert werden kann. Dem Gebrauche gegenüber, bei der Nennung von Schauspielernamen die Auswahl nach den Hauptrollen zu richten, möchten wir das Beispiel von Hedwig Morchel herausgreifen, die sich in einer Nebenrolle gut präsentierte, und möchten den übrigen gegenüber mit einer Ge­samtreverenz schließen.

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Notizen.

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SZ.

Großen Erfolg hatten: Sudermanns, Stein unter Steinen" im Wiener Burgtheater, Flauto solo", eine neue einaftige Oper von Eugen d'Albert   im Neuen deutschen Theater in Prag  .

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V

Die Komische Oper soll am Sonnabend, den 18. No­bember, mit, Hoffmanns Erzählungen  " eröffnet werden.- Bei dem Preisausschreiben um Einlieferung von Plänen für einen Waisenhaus Neubau in Kolmar   er­hielten unter 134 Bewerbern die Architekten Graf und Räkle in Stuttgart   den ersten Preis( 2000 M.), Stadtbaumeister 2. Grüne wald Straßburg den zweiten Preis( 1000 M.) und H. Stumpf, Assistent an der Technischen Hochschule in Darmstadt  , den dritten Preis ( 500 M.).

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c. Künstliche Nester. Aus Genf   wird berichtet: Vor andert­halb Jahren hat die Gemeinde Orbe   im Kanton Waadt   im ganzen Die ersten Akte wurden vorwiegend mit Beifall aufgenommen, Bezirk fünstliche Nester in den Bäumen anbringen lassen, um nach dem letzten gab es einen sensationellen Tumult, ein wüstes insektenfressende Vögel zu schüßen und zu erhalten. Die Aeste der Durcheinander von Klatschen, Pfeifen, Bischen, Bfuirufen. Die Bäume wurden mit scharfen Nägeln versehen, damit die Feinde der Demonstranten sollen Zionisten gewesen sein, die Anstoß nahmen an Vögel nicht zu den Nestern gelangen konnten. Amseln und Drosseln der Tendenz des Dramas. Regie und Spiel war alles Lobes wert. bedienten sich zuerst der künstlichen Nester; aber auch andere Vögel Herr Edgar Licho wirkte als Sachel, Jlka Grüning als folgten bald ihrem Beispiel. Die Nester sind genau den natürlichen Esther von Grund auf raffeecht. Alfred Abel   in der nachgeahnt, und ein Schweizer   Naturforscher leitet diese neue Figur des Aaron, Thurner, in der des Rabbiners, boten scharf Industrie, die ganz in den Händen von Frauen liegt. umrissene Gestalten. Tilli Niemann hob die undankbare Die neue Basler Rheinbrücke ist dem Verkehr Rolle des Dienstmädchens durch die schlicht sympathische Art ihrer übergeben worden. Sie ist aus Granit erbaut. Ihre Länge beträgt Darstellung. Lettinger endlich war in dem ersten Aft als 195 Meter, ihre nugbare Breite 18 Meter. Sie ruht auf sieben ge­Rafael voll feiner Jnnigkeit, später freilich in den langen patheti- waltigen Pfeilern, von denen fünf im Flußbett gegründet sind. Die schen Reden verwischte sich, wie ja kaum anders möglich, dieser Lichtweiten zwischen den Pfeilern betragen 28 Meter in der Mitte, Eindruck mehr und mehr. dt. 241 Meter an den Enden der Brücke. Berantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin  , Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruderei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin   SW

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