918 Wütend ging er an der Grenze seines Feldes auf und nieder.Ach, Pimento, Verbrecher, wenn nur die Feldhüter nicht wären...." Und wie die Schiffbrüchigen, die vor Hunger und Durst umkonimen, in ihrem Wahn ungeheuere Tafeln, zum festlichen Mahle hergerichtet, und klare, sprudelnde Quellen erblicken, so sah auch er mit seinen trüben Augen große Getreidefelder mit grünen, geraden Lehren. Er sah wie das Wasser in großen Wellen über die Böschungen stürzte und sich mit leuchtendem Rieseln verbreitete; die Erde schien förmlich fröhlich zu lachen, wenn sie gesättigt die angenehme Liebkosung des Wassers verspürte. Als die Sonne verschwand, empfand Batiste eine Art Er leichterung, als erlösche das Gestirn für immer, und als wäre seine Ernte gerettet. Nun entfernte er sich von seinen Aeckern und wanderte mit leichten Schritten bis zu Copas Wirts- haus. Wenn die Gendarmen auch nicht abgeschafft waren, so dachte er doch mit einem gewissen Wohlgefallen an die Möglichkeit, Pimento zu begegnen, der sich stets in der Nähe der Schenke aufhielt. Die Huerta schimmerte in bläulichem Licht. Am Horizont auf den düsteren Bergen färbten sich die Wolken mit dem Glänze eines fernen Brandes; auf der Seite des Meeres zitterten die ersten Sterne an dem unendlichen Azur; die Hunde heulten traurig, und der eintönige Gesang der Frösche und Grillen verschmolz mit dem Knirschen unsichtbarer Wagen, die über alle Straßen der ungeheueren Ebene dahinzogen. An den Wegrändern wandernd, näherten sich ihm die raschen Scharen der Mädchen, die, den Korb am Arm, mit bauschigen Röcken, aus den Fabriken von Valencia   nach Hause kamen. Er sah seine Tochter, abgesondert von allen anderen, wie sie mit müdem Schritt einherging. Dabei war sie aber nicht allein. Er glaubte zu bemerken, daß sie mit einem Mann plauderte, der dieselbe Richtung verfolgte, obwohl er ein bißchen von ihr getrennt blieb, wie es die Verlobten der Huerta stets tun. weil die allzu große Nähe ihnen ein Zeichen der Sünde dünkt. l Fortsetzung folgt.) lNachdruck verboten.) Der dnfterbUcKKeitsglaiibe. Bon I. Stern. Wiewohl Diskussionen über religiöse Glaubenslehren dem modernen Geschmack nicht mehr recht zusagen mit gutem Grund: die Arau- mente für und wider sind sattsam bekannt, die Scheidung der Geister hat sich so ziemlich vollzogen und die Erfahrung hat gelehrt, daß die Neigung weit mehr als die Logik in solchen Dingen entscheidend ist so dürfte doch eine h i st o r i s ch e Behandlung deS Un sterblichkeitSglaubens von Interesse sein. Der Unglaube an die Unsterblichkeit der Seele gehört wie der Atheismus zu den Anschauungen, die in der Regel auf recht niedriger oder auch recht hoher Zivilisationsstufe verbreitet sind. Der naive Naturmensch verfällt noch gar nicht auf die Meinung. daß ein Toter resp. ein unsichtbarer Teil des Toten weiter lebt, und der Freigeist belächelt alle Syllogismen der Unsterblichkeits- lehre als Trugschlüsse. Doch scheint der Glaube schon frühzeitig in der Periode der Barbarei aufgetaucht zu sein, da der Ahnen tultus noch jetzt bei sehr rückständigen Völlern und Stämmen an- getroffen wird. Vermutlich gaben den ersten Anstoß dazu Traum gesichte, in denen Verstorbene den Träumenden wie lebend erschienen find. redend und handelnd. Traf es fich gar. daß in solchen Träumen der Verstorbene ein Ereignis prophezeite, das zufällig eintraf, so erhärtete da» den Glauben an die Realität der Erscheinung. Aus dem primitiven Glanben entwickelte fich sodann ein Totenkultus, der namentlich in Egypten mn stärksten ausgebildet war; ferner die Amiahme eines Schattenreichs als Aufenthalt der Seelen, verbunden mit dem Glauben an jenseitige Be- lohnung und Bestrafung, Seligkeit und Verdammnis; so­dann die Auffassung der Bestattung als Liebesdienst, der den Toten erwiesen wird; und endlich die Nekromantie. Diese, die Be­schwörung der Toten, um allerlei Geheimnisse von ihnen zu erfahren, aus Priester- und Magiertrug beruhend, indem man mittels der Bauchrednerei eine Sttmme aus dein Grabe vermeintlich ertönen ließ swie in der Erzählung im Buche Samuelis  , Kapitel 28, von der Hexe von Endor). trug nicht wenig zur Befestigung des Unsterblichkeits- glaubenS bei. Die Vermutung. daß Träume zum Unsterblichkeitsglauben führten, wird durch die Stelle in, 23. Gesang der, I l i a s" be- stätigt, wonach der gefallene Patroklos seinem Freunde Achilleus   er- schienen war, und dieser dann ausrief: Götter, so ist denn sürwahr auch noch m Aide 5 Wohnung Seel' und Schattengebild, doch ganz der Besinnung entbehrtt stt l Diese Nacht ja stand des jammervollen Patroklos  Seele bei mir an, Lager, die klagende, herzlich betrübte, Und sie gebot mir manches und glich zum Erstaunen ihm selber." Die Stelle zeigt auch, daß die Alien da? Fortleben der Seele nicht als ein höheres, vollkommeneres, sondern als ein vermindertes Dasein sich dachten. Noch deutlicher ist das aus dem 11. Gesang derOdyssee" zu ersehen, wo OdysseuS   seine Fahrt in die Unterwelt berichtet. .Durchbebt von inniger Sehnsucht Wollt' ich umarmen die Seele der abgeschiedenen Mutter, Dreimal strebt ich hinan, voll heißer Begier der Umarmung, Dreimal hinweg aus den Händen, wie nichtiger Schatten und Traumbild Flog sie. und heftiger ward in meinem Herzen die Wehmut." Nach dem Grund befragt, erwidert der Geist der Mutter: Also will'S der Gebrauch der Sterblichen, wann sie verblüht find. Denn nicht mehr wird Fleisch und Gebein durch Sehnen ver- bunden, Sondern die große Gewalt der brennenden Flamme verzehrt dies Alles, sobald aus dem weißen Gebein das Leben hin wegfloh, Aber die Seele verfliegt wie ein luftiger Traum und entschwebet." Umgekehrt im christlichen Glauben. So lang fle in den Körper gebannt ist, haften der Seele auch die körperlichen Schwächen an, die physischen und moralischen; erst wen» sie der leiblichen Fessel ledig, kann sie ihre edleren Qualitäten ungehemmt entfallen und als reiner Geist eines gesteigerten Daseins teilhastig sein. Diese Aussassung stammt wohl wie nianches andere im Thristentum aus der griechischen Philosophie des Platon, der in seinemPhädon  ", der Schrift, die eigens den. Erweis der Un- sterblichkeit dienen soll, den Körper als eine Fessel der Seele be- zeichnet(was schon früher von den Pythagoräern gelehrt ward), ein Hindernis ihrer Tätigkeit; nur durch ihre Befteiimg vom Leibe gelangt sie zn ihrer wahren Existenz. PlatonS großer Antipode dagegen, Aristoteles  , erklärt, die Seele ohne Leib kann nicht existieren und so wenig gedacht werden, als ein Gehen ohne Füße. Merkwürdigerweise kennt die Religion der Hebräer in der klassisch-biblischen Periode eine Fortdauer nach christlicher Auffassung init einem Gottesgericht nicht. Wohl ist stellenweise von dem Aufenthalt der Abgeschiedenen in der Unter- welt(sdisol) die Rede, doch auch wenn das mehr bedeuten sollte als eine dichterische Schilderung des Grabes, so ist jenes Fort» leben doch nur im homerischen Sinne gedacht, als Dasein in herabgestimmter Potenz, als dumpfes Hinbrüten in traumartiger Halbschlummerexistenz. Erst in einer der spätesten Schriften des alten Testaments, dem sogenanntenPrediger Salomo  ", einer philosophischen Studie, wird der Unsterblichkeitsglaube erwähnt, aber nur um ihm flepttsch entgegenzutreten:Es gehet dem Menschen wie dem Vieh, wie dies stirbt, so stirbt er auch und haben allerlei einerlei Odem und der Mensch hat nichts mehr als das Vieh. Es fähret alles an Einen Ort. es ist alle? von Staub gemacht und wird wieder zu Staub. Wer weiß, ob der Odem des Menschen aufwärts fahre und der Odem des Viehes unterwärts unter die Erde fahre."(3. Kap. 19 21.) Zwar versichert der Schluß des Büches, daß nur der Staub zur Erde kommt, der Geist aberzu Gott zurückkehrt, der ihn gegeben hat", doch abgesehen davon, daß der ganze Schluß dieses Buches offenbar späteres Anhängsel ist, um die ketzerischen Aeußerungen des Verfassers als flüchtige Gedankenblasen erscheinen zu lasien, so ist damit keineswegs eine selbständige Fort- dauer ausgedrückt, sondern das Aufgehen der Seele in die göttliche Weltseele. Sogar in der älteren talmudischen Periode komtte im Judentum der Unsterblichkeitsglau b« noch nicht anerkannt gewesen sein, da in der.Mischnah"(dem älteren Teil de» Talmuds  ) ein so großes Gewicht auf die einstige Auserstehung der Toten und das damit verbundene jüngste Gericht gelegt wird, von der Fortdauer der Seele nach dem Tode aber erst in derGemara", der jüngeren Partie des Talmud, ausdrücklich die Rede ist. Eine eigentümliche Auffassung der Unsterblichkeitslehre vertritt MaimonideS  {11331204), der gefeierte Gesetzeslehrer und Religionsphilosoph des jüdischen Mittelalters, der biblische und aristotelische Ideen miteinander verschmolz. An sich sei die Seele nicht unsterblich, aber ste befitze die Fähigkeit, unsterblich zu werden dadurch, daß sie fich vom Göttlichen durchdringen läßt und fich sitt- lich veredell, womit sie fich von den Banden der Leiblichkeit befreit und fich derart hinaufläutert, daß sie mit den, Absterben des Leibes gar nicht vergehen kann, sondern in daS Lichtteich der Geisterwelt einttitt. Anklänge an diese Auffassung finden fich übrigens schon in PlatonsTimäus  ". Im Christentum wie im Judentum allmählich zum Dogma er» tarrt und neben dem Gottglauben zum wichtigsten Glaubens» ündament gestempelt, dabei mächtig unterstützt von dem Entsetzen >er Menschen vor dem Gedanken der Vernichtung, wurde der Un» terblichkeitsglaube erst von der neueren Philosophie vor das forum der Kritik gezogen und in der Aufklärungsperiode in weiteren i kreisen erschüttert, am stärksten durch den französischen  Materialismus, der mit dem lieben Gott auch ihn über die Klinge springen ließ. Daher suchte ihm der Champion jüdischer Aufklärung und LesfingS Freund Moses Mendels-