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Die Tollheifen, die sich die Scharen der jungen Männer gestatteten, die in ihren Kostümen von Haus zu Haus zogen, Scherzgedichte hersagten, Mastenspiele aufführten und dann mit Speise und Trant bewirtet wurden, überschritten zuweilen jedes Maß. Verordnungen der Stadtbehörden suchten der Zügellosigkeit Einhalt zu tun. So erinnerte der Nat dei Stadt Leipzig 1469 daran, daß das Larbentragen und überhaupt das Verkleiden verboten sei, daß sich die Leute nicht mit Lohe und Unsauberkeiten bewerfen sollten, und daß keine unzüchtigen Reimereien in den Häusern und auf der Straße geduldet werden würden. Auch die Kirche war der Mastenfreiheit abgeneigt und mißbilligte es besonders, daß Mönchs- und Nonnenkleider zur Maskerade benutzt würden.
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Schon im 16. Jahrhundert war Süddeutschland , und vor allem Nürnberg , berühmt wegen der Luftigkeit seiner Fastnachtsfeier. Wie es dabei herging, zeigt uns die Schilderung eines jungen Kaufmanns, Ulrich Wirschung, vom Jahre 1588. ,, Da nu endlich der frohe Tag tam," berichtet er, und das Glöcklein bei St. Sebald erflang, ließ der dle Rat die Eröffnung der Fastnacht ausrufen. Alsbald sprangen aus den Häusern heraus die Masken, gar fröhlich und froh, hatten fich angepuppt als Mohrenweiber, Heidenmänner, als schöne Frauen und fahrende Weiber, einige ils Vögel, Meerweiber, heidnische Prinzessinnen, Schäferinnen, Zauberinnen, Nonnen, Klausnerinnen und Besenmädchen, ander als Sänger, Pfeifer, Pidelheringe, Hofnarren, Leiermänner, Bauern, Mönche, Witbolde, und in allerlei Trachten und Kleidungen. Wo nun die Mujika erklang, liefen alsobald Springlustige zusammen, nahmen die Pläke und Märkte ein und tanzter einen Mummenschanz nach Belieben. Bir ließen aufspielen den Moriskentanz und fangen dazu. Ich selbst trat uf als wohlbeleibter Doktor mit Krause und Barett, ganz grün gekleidet, umhangen mit einem roten Mantel, der mit goldenen und filbernen Franzen garnierf war. Hinter uns her tobte das vilde Heer, gar sonderbare Figuren, gehörnt, geschnabelt, geschwänzt, befrallt, bebudelt, belangohrt, sausend und brausend, famalzend, pfeifend, zischend, scharrend, blökend und brummend, und ihm folgte ruf einem schwarzen Roß Frau Holda, die wilde Jägerin, stoßend ins Jägerhorn, schwingend die Inallende Peitsche und ihre Haupthaare wild schüttelnd, wie ein wahrer Wunderfrevel." Um die Mitte des 17. Jahrhunderts kommen zur Faschingszeit, schon ganz nach unserer heutigen Art, die Maskenbälle auf. Der Wiener Hofprediger Abraham a Santa Clara erzählt von einem solchen: Ich bin unlängst in einem vornehmen Hause gewesen, da hab' ich gesehen was? Ich hab' gesehen in Zimmer voll von Spiegeln, daß sich darin die Göttin Venus von vorn und hinten beschauen tönnte. In diesem Zimmer hab' ich auch gesehen etwelche Tische mit vielen Speisen beseßt, daß man wohl ein paar Duzend hungrige Bauern hätte aushalten können. In diesem Zimmer habe ich ferner gefehen allerhand Gattungen und Gorten von Menschen aus allerhand Orten, nämlich: Chinesen, Japoneser, Italiener , Mohammedaner, Niederländer und Franzosen , Schweizer mit pludrigen Hosen, Spanier und Kalmüden, Kroaten und Heiduden, Slowaken und Kosalen, in Summa allerhand Nationen und Profefsioner Ebenso hab' ich noch gesehen unterschiedliche Frauenzimmer, große und fleine, teils in großer Bracht, teils in schwäbischer und bäuerischer Tracht. Da hab' ich heimlich bei mir gedacht: was das doch für Leute sein müssen, daß sie sich in einem einzigen Zimmer zusammen versammeln? Ja, ich zweifelte, ob sie richtige Menschen wären, weil sie alle verpappte Gesichter hatten. Daher fragte ich einen Musikanten. Mein Pater," antwortete der Musitani, alle diefe, die Ihr hier sehet, die sind lauter Narren und graben heute den Fasching ein, morgen aber lassen sie sich ein wenig Asche auf den Kopf streuen, da werden sie wieder bescheiden und tun Buße." Vergnügungsfüchtige Cheweibchen verstanden es auch damals schon recht gut, den gestrengen Eheherren hinter das Licht zu führen, am an den fröhlichen Maskenbergnügungen teilnehmen zu fönnen. Abraham a Santa Clara plaudert darüber aus seinen Erlebnissen als Beichtvater:" Es kommt ein Frauenzimmer in den Beichtstuhl. Ach, Hochwürden," sagt sie, ich muß mit Tränen belennen, daß ich eine große und schwere Sünderin bin. Hab' mich: rst diesen vergangenen Fasching ohne Wissen und Willen meines Ehegemahls in verschiedenen Gesellschaften ingelassen, mich ber mastiert und getanzt. Aber was soll man tun? Es gibt ja auch Damen meinesgleichen, die es nicht anders nachen. Sollte ich nun eine solche Zeit wie ein einsamer Spaß auf dem Dache fißen, so würde mich der ganze Adel auslachen und mich eine Stuben hockerin oder Betschwester nennen. Doch ist es mir von Herzen leid."- Theo Seelmann.
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Kleines feuilleton.
gb. Eine Dame. Fräulein Böhmer," rief das fleine Laufmädchen zu der jungen Direttrice hinüber: Fräulein Böhmer, hier ift' ne Dame, die nach Arbeit frägt. Geben wir noch Stickereien fort?"
Fräulein Böhmer war gerade dabei, bunte Seide zu sortieren, fie sah auf und sagte freundlich:" Lassen Sie die Dame eine treten."
Es war eine elegante Dame, nur daß die Eleganz nicht mehr
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modern und auch schon etwas abgetragen war. Sie hielt sich abee ftola, sehr stolz sogar, und die Kopfbewegung, mit der fle grüßte war außerordentlich herablassend. Sie wünschen noch Arbeit?" fragte Fräulein Böhmer. „ Ach Arbeit!" Der Kopf der Dame recte sich noch höher: Jch brauche eigentlich nicht zu arbeiten, ich bin aus gutem Stande, aber wenn Sie Stickerei fortgeben, zum Vergnügen würde ich sie schon nehmen. Bloß für solch kleines Taschengeld, wissen Sie." Ein geziertes Lächeln spielte um ihren Mund. Fräulein Böhmers Lippen verzogen fich auch ein Klein wenig, fie nahm ihre Beschäftigung wieder auf:" Run, wenn Sie nicht zu arbeiten brauchen, dann. " Nein, ich brauch' auch eigentlich nicht." Die Dame wurde eifrig. Aber solch ein fleines Taschengeld hat man schließlich ganz gern, und wenn es für Handschuhe ist oder für den Konditor." Jal" fagte Fräulein Böhmer lakonisch und warf einen Blick auf die abgetragenen Handschuhe der anderen: Haben Sie denn schon für Geschäfte gearbeitet?"
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" Bewahre!"- das lam sehr entrüstet heraus- ich habe doch nicht nötig, zu arbeiten. Ich bin aus gutem Stande, ich langweile mich ja bloß und will mich beschäftigen."
" Ja, wenn Sie aber noch nicht gearbeitet haben, werden Sie auch für uns taum arbeiten fönnen."
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Nanu? Warum denn nicht?" Das Klang durchaus nicht mehr so vornehm.„ Ich kann doch sticken! Ich sticke doch Geschenke füle meine Verwandten, und das sind sehr vornehme Leute." Geschäftsstickerei ist aber doch noch etwas anderes." Fräulein Böhmer wurde etwas ungeduldig: Haben Sie denn eine Probes arbeit da?"
Brobearbeit? Nein, das ist ja auch nicht nötig, ich sage Ihnen ja, daß ich sticken kann. Ich habe jetzt erst einen Tischläufer für meine Cousine, die Frau Geheimrat, gestict, der Aufsehen ge macht hat."
" Ja, wenn Sie ihn nur hier hätten, meine Dame, damit man etwas sehen kann!" Nun, wenn ich Ihnen aber doch sage, ich kann stiden! Ich bin keine gewöhnliche Arbeiterin, ich mache Ihnen doch nichts vor." Fräulein Böhmer biß die Lippen zusammen.
doch
bin
und
Ich mache die elegantesten Stickereien, ich stide auch Gold, ich bei all meinen Bekannten berühmt wegen meiner Stickereien, das sind, wie gesagt, sehr vornehme Leute."
" Ja, ja, das glaube ich Ihnen ja, meine Dame, aber ich muß erst eine Probe sehen. Vielleicht stiden Sie mir mal hier ein Stückchen vor. Sehen Sie, ich habe hier einen Leinenläufer
"
"
Hier?" Die Dame warf einen niederschmetternden Blick auf Fräulein Böhmer. Ich soll hier sticken, auf der Fabrik?" ,, Nun, Sie brauchen ja auch nicht, meine Dame; dann kann ich Ihnen eben feine Arbeit geben." Aber, Fräulein, ich bin doch keine Arbeiterin! Sie haben doch eine Dame vor sich. Ich werde doch nicht hier auf der Fabrik arbeiten!"
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Hier haben schon sehr viele Damen gearbeitet."
Fräulein Böhmers Ungeduld wuchs. Aus dem Kontor nebenar flang ein unterdrücktes Nichern.
Die„ Dame" stand ferzengerade und schwieg, aber es zudte in ihrem Gesicht; nach einer Weile frug fie von neuem an:" Ich sage Ihnen noch einmal, Fräulein, ich kann sticken. Meine Cousine, die Frau Geheimrätin, sagte erst gestern.
" Ja, meine Dame, das ist mir egal, was Ihnen die Frau Ges heimrätin gesagt hat. Ich habe keine Zeit mehr, bringen Sie eine Probe, oder sticken Sie Probe, sonst kann ich Ihnen keine Arbeit geben." Fräulein Böhmers Geduld war zu Ende, sie warf ein paar Kartons hörbar" auf den Tisch.
Die Dame fuhr auf:„ Aber Fräulein, was schlagen Sie denn für einen Ton an! Das möchte ich mir denn doch sehr verbitten! Sie haben keine Arbeiterin vor sich!"
Ich
Ich schlage überhaupt keinen Ton an, aber..."
Sie find ein ganz impertinentes Mädchen! Wo ist Ihr Chef? werde mich beschweren, Sie tun, als wäre ich ein Arbeiterweib. Behandeln Sie doch Ihre Arbeiterinnen so, ich als Dame kann wohl anderes beanspruchen!" Der Dame fchnappte die Stimme über.
Was ist denn hier eigentlich los?" Ein Herrenkopf wurde in der Kontortür sichtbar.
Ach, die Dame will Arbeit haben und hat keine Probe." Fräulein Böhmer lächelte amüsiert, der Herr lächelte gleichfalls, aber die Dame sagte:„ Ich bin empört, Ihre Ladenmamsell ift unges zogen, fie behandelt mich, als wäre ich ihre Arbeiterin."
" Fräulein Böhmer behandelt unsere Arbeiterinnen immer sehr anständig und..
,, Ach, Sie billigen das auch noch?" Die Dame ließ ihn nicht ausreden. Und überhaupt Arbeit!... Das Mädchen lügt ja! Ich habe ihr ausdrücklich gesagt, ich suche nur Beschäftigung zum Vers gnügen."
Dann sind Sie bei uns schon von vornherein an der falschen Adresse, wir haben keine Vergnügungsanftalt."
Der Herr sagte es sehr höflich. Die Dame stand einen Augenblid regungslos, dann wandte sie sich plöglich um und schoß zur Tür hinaus.
Ein helles Lachen Klang hinter ihr her. Fräulein Böhmer aber drehte sich um und sagte ernsthaft: Was wollen Sie denn, Herr