Er verständigte den Richter, der just von einem Markte heimgekommen war, und eine halbe Stunde später war der junge Siwitschverhaftet.„Du bist der letzte gewesen, der mit den» Hausierer gesprochenhat. Du bist mit ihm hinausgegangen 1"— sagte der Richter.„Herr, so wahr mir Gott helfe, ich habe ihn nicht umgebracht.Wir sagteir uns„Gute Nacht". Er blieb stehen, um seinen Gürtelfester zu ziehen, und ich ging," beteuerte der Angeklagte. Sein tod-blasses Gesicht aber und seine zitternden Hände sprachen ihnschuldig.Das Messer hier, mit dem der Arme erstochen worden ist, istDein Messer I"„Nein, Herr I"„Es find zwanzig Zeugen dafür da."„Herr, gehen Sie von Haus zu Hau»— Sie finden überallsolche Messer. Warum sollte es gerade meines sein?"„Der Wirt hat einen Schrei gehört und eine» Mann über denPlatz laufen gesehen. Er hat— Dich gesehen" donnerte der Richter.„Unmöglich— Herr I— Mich nicht!"„Antworte mir"— die strengen Augen bohrten sich förmlich indas Antlitz des Mörders—,„wo bist Du diese Nacht gewesen?"Der Bursche schwieg.„Warum antwortest Du nicht?"Da kam es leise— zögernd:„Ich kami nicht— Herr!—Fragen Sie was Sie wollen, nur das nicht I"„Mensch, verstehst Du denn nicht, daß Du damit den Mord ein-gestanden hast?"„Ich habe keinen Mord begangen, Herr Richter!"„Wo bist Du also gewesen? Sprich I"„Das— das sage ich nicht."Er wurde abgeführt.Die alte Siwitsch erbettelte sich mit tausend Tränen Einlaß zuihrem Sohn. Sie herzte und küßte den Unglücklichen, als wäre er«in kleiner Junge.„Sag' mir mein Kind, nur mir: wo bist Dudiese Nacht gewesen?"Er biß die Zäbne zusammen.„Sohn, ich weiß— ich weiß— Du hast es nicht getan.—Wenn Du ein Wort sprichst, das rechte Wort, bist Du frei. Mir—mir— sag' es— mein Kind I Mir— die ich Dich geborenHab'„Mutter— martert[mich nicht 1" schrie er aus und kniete vorihr nieder.Und er blieb dabei— er sagte es nicht.Achtzehn Jahre waren vergangen. Im Lepoglawaer Zuchthausesaß ein grauhaariger Mann in der Zelle und schnitzte eine Holz-flasche.— Eine.Künstlerarbeit.Die Tür öffnete sich und der Gefängnisdirektor trat ein. Er-staunt blickte ihn der Gefangene an.— Der Herr grüßte ihn freund-lich und setzte sich ihn: gegenüber.—„Höre, Mile, hast Du jemalseinen Pero Awakumowilsch gekannt?"Mile legte die Hand an die Stirn und dachte nach. Ach, eS lagihm alles so fern— so fern.Dann nickte er.„Dieser Mann ist vor vierzehn Tagen gestorben."„Gestorben", wiederholte Mile leise.— Warum starb er dem:noch immer nicht?„Vor seinem Tode hat er gebeichtet."Siwiffch nickte. Das war gut so. Das war in der JCrd-nung.„Er hat etwas gebeichtet, was Dich betrifft, Mile!" Der Direktortrocknete sich mit einem veilchenduftenden Tuch die Stirn. Es wardoch gräßlich schwer, den: Manne da zu sagen--Jetzt schäme ihm Siwiffch starr ins Geficht.Und da sagte er es ihm in einem Zuge.— So ein Bauet wirddoch nicht gleich den Verstand verlieren?—„Erinnerst Du Dich andie— Nacht? Ja? Awakumowitsch saß auf der Bant in der Ecke.Ihr beachtetet ihn nicht. Er schlich vor Euch hinaus. Dann kamstDu und der Bosniak>md noch einer!"„Der Jllesch Jmre war's", ergänzte Siwiffch heiser.„Ja, so hieß er! Du gingst nach rechts, Jllesch links, derHausierer blieb stehen und zog sich den Messergut fester. Da sprangAwakumowiffch hinter dem Zaun hervor, riß ihn» ein Messer heraus,stach ihn nieder und beraubte ihn. Fünfnndachtzig Gulden nahm erihm ab. Der Wirt sah ihn über den Platz laufen."Mile fiel bewußtlos hintenüber. Sie konnten ihn kaum zumLeben erwecken.Am dritten Tag darauf war er zu Hause.Es war ein bluffunger Richter im Orte, der die alten Protokolleund Akten durchgestöbert hatte— der wollte noch eines wissen—nur noch das eine.„Wo bist Du in jener Nacht gewesen?" fragte er den Bauer,wie ihn schon so viele vorher gefragt.„Achtzehn Jahre— achtzehn Jahre", murmelte Mile vor sichhin— und laut:„Holt den Bürgermeister her, Herr Richter!"Ein Pandur wurde weggeschickt.Die Sonne schien hell und breit durch die schmutzigen Fenster.Sie beleuchtete scharf die Runzeln und Falten in Siwitsch' Gesichte,die harten Linien, die das Leid langer Jahre gegraben.— DerBeamte wagte nicht zu sprechen. Er tromnielte nervös auf demTisch henun und schaute die Bilder des Kaisers und der Kaiserinan, die an der Wand hingen,— so interessiert, als hätte er sie nisgesehen.Der Bürgermeister kam.„Wer ist seit achtzehn Jahren hier gestorben?" fragte Siwitsch.„Mein Seelchen, das weiß ich nicht! Ich bin erst acht Jahrehier."„Dann holt den Pfarrer!" rief Siwitsch und versank wieder inein dumpfes Brüten.Der Pfarrer brachte sein Kirchenbuch mit. Er setzte sich an dengroßen Tisch und las langsam Namen für Namen.Siwitsch regte sich nicht.Als der Pfarrer geendet hatte, herrschte eine lange WeilsSchweigen.Plötzlich richtete sich Siwitsch auf.„Kömtt Ihr beschwören. Hochwürden, daß die alle gestorben sind,die Ihr genannt habt?"„Ja."„Ihr wollt wissen, wo ich in der Nacht vom 24. auf den25. Juli gewesen bin?"— Sein Auge flammte und die welkenLippen zitterten.„Bei Kala Seiveriffch bin ich gewesen, der Fraudes Richters."Er attnete ffef auf.DaS Geheimnis, das er achtzehn Jahre bewahrt, er schrie esbeinahe hinaus, als befreie er sich von einer schweren, schweren Last.„Warum hast Du das nicht früher gesagt? Du hast so viel umsie gelitten."„Eh-- sagen!— So was darf man doch nicht sagen—"Der Pfarrer hatte sich abgewendet und der Bürgermeisterschneuzte sich geräuschvoll.„Du bist frei, Siwitsch," sprach der Richter.„Dir ist großes,großes Unrecht geschehen. Ich bedauere Dich von Herzen."„O, jetzt ist's gleich" anllvortete der Bauer.„Du kannst gehen, wohin Du magst, Siivitsch l"Und er ging.— Gerade in den nächsten Kramladen. Dortkaufte er sich einen Strick. Am ersten Banni vor dem Dorfe hängteer sich auf.— Was sollte er im Leben anfangen? Und in Lepoglawamochten sie ihn nicht mehr haben....kleines feuilleton.1. Freie BolkSbtthne: Mozartfeier. Die Freie Volksbühne hatteihren zwölften Kunstabend zu einer Mozartfeier gestaltet, die wiederdeutlich bewies, auf wie fruchtbaren Boden die Bemühungen desVereins fallen. Das Publikum, das den Rathaussaal vollständigfüllte, folgte mit gcspannler Aufmerksamkeit und deutlich wahr-nehmbarem Interesse den Darbietungen. Beste Kunst dein Volke!Hier steckt noch wahre Begeisterung, hier ist noch die Fähigkeit derunmittelbaren Aufnahme und der völligen Hingebung an das lvahr-Haft Schöne, das niä� verspintisiert und ausgetüftelt ist, sondernseine natürliche Sprache spricht und aus der Fülle geschöpft ist. ESist besonders dankenswert, daß bei dieser Gelegenheit hauptsächlichKammermusik geboten wurde, denn die großen Werke des Meisters,seine drei unsterblichen Opern, gehören ja ständig dem Spielplander Theater atr und können da eher gehört und gesehen werden.Aber die Kammermusik ist immer noch das Aschenbrödel, das nichtzu seiner Geltung kommen kann. Zum Teil ist das ja in ihremCharakter begründet. Ihre Intimität erfordert den engeren Kreis.Das bedeutet aber nicht, daß ihr das größere Publikum fremdbleiben soll, oder sie ihm. Es ginge dadurch dein Volke einer seinerschönsten musikalischen Schätze verloren, es verlöre da? Innigste undTiefste, das Wärmste, und fast möchte ich sagen, Deutscheste, wasseine hervorragendsten Meister in der Musik ausgedrückt haben.Hier erfüllt der Verein eine nicht hoch genug zu schätzende Er»zichungsaufgabe, eine Erziehung zur Kunst, zur Versenkung in denGeist und, das Gemüt dieser Schöpfungen. Es ist nun bei Mozartbesonders das Gemüt, das anspricht, dies goldene Herz, das nichtseines eigenen Ergötzen? müde wird. Mau wird hier weniger hin-gerissen, man muß sich vielmehr in diese Musik, in das feine Spielund Wechselspiel der Sätze und Themen, in die Uebergänge undVerbindungen, in die Wiederholungen und launigen Hervor-kehrungen, in die Eadenzcn und Verfchnörkelungen lauschend ver-senken und den einfachen Harmonien sich hingeben, lvie sie sichherniederneigen zum Kleinen un! Zarten, zu Anmut und Grazie, mInnigkeiten und Heimeligkeiten, und wieder aufschivellen zumBollen und Großen, zur Breite und geradezu religiösen Tiefe. Soergänzten sich das„Adagio" aus dem„.�-Our-Konzert" und das„Larghetto" aus dem„Klarinettenquintetit", Bioline und Cello,und so faßten dann schließlich die drei Sätze des O-moll-Ouartettsalles zusammen, was der Meister in dieser Art ausdrücken wollte.Die etwas schwere Breite des Allegro, die innige GesanglichMt desAndante, die sich bis zur Choralfeierlichkeit erhob, und schließlichdas charakteristische Rondo, mit seinem deutlichen Zeitkolorit undfühlbaren Hinweis ans des Meister Amadeus melodiöseste Oper»„Die Zauberslöte". Nicht ohne deutliche Bcrwandffchaft mit diesemRondo ist das„Wiegenliedchen"— der Schwerenöter Mozart istauch da noch drin—, das von Frau Richter» Burchard wieder«holt gesungen werden mußte