noch nicht verplempert. Zog er im Herbst den Soldatenrock aus. stand seiner Verheiratung nichts im Weg. Der Allendörfer hob den Kopf empor, und seine Blicke wandten sich über den Hof hinweg der Einfahrt zu. Gleich mußte der Hannpeter kommen. Der hatte gestern den Bern- Harb Dotzheimer wegen der Mariann ausgeklugt. Er war doch neugierig, wie der Bescheid ausfallen würde. Der Dotz- heimer war ihm nicht grün. Vor langem schon hatten sie sich erzürnt. Um einer Kleinigkeit willen. Er hatte an einem Sonntag Frucht gebunden und hatte sich dabei die Schulter ausgerengt. Auf dem Heimweg litt er große Schmerzen. Am Prozeßheckchen traf er den Dotzheimerberz. Der sprach: Karges, Du hast den Sonntag verschändt. Dessentwegen hat Dich uns' Herrgott gestraft." Wann ich so ein Dommes war wie Du, tat ich das glauben," gab er zurück.Ich schätz, uns' Herrgott hat mehr zu tun, als droben an einem Stück aus dem Fenster zu gucken und Obacht zu geben, was wir zwei für Schluppstreich machen." Tu bist ein schlechter Kerl," sagte darauf der Dotzheimer wütig und ging. Seit der Zeit vermieden sie, miteinander in Berührung zu kommen. Nun hatte der Walzeheinrich von Krainfeld eine Versammlung einberufen, für den Bauernverein Mitglieder zu werben. ImPflug  " saßen an fünfzig Männer bei- fammen, darunter auch der Dotzheimerberz. Im letzten Augenblick ließ der Walzeheinrich sagen, er habe sich stark verkältet und stecke im Bett. Statt seiner solle ein anderer den Bericht übernehmen. Jetzt hieß es:Allendörfer, Du hast die Sach sturiert, schieß los." Freilich hatte er die Sache studiert, und es war ihm eben recht, daß er sich einmal Luft machen konnte. Die meisten hatten keine Ahnung, um was es sich handelte. Wie er nun vom Bauernverein sprach und alles hübsch auseinanderlegte, sperrten sie Augen und Ohren auf, und er glaubte, sie alle in der Tasche zu haben. Er hatte aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Nach ihm nahm der Dotzheimer das Wort. Die Politik, sagte er. sei ein Ver- derb für den Bauersmann. Man solle sich doch nicht ver- messen, denen ins Handwerk zu pfuschen, die nach Gottes Willen die Zügel in Händen hätten. Man solle lernen, sich in die Zeit zu schicken. Wer sich nach der Decke strecke, achtsam und fleißig sei. der könne nach wie vor sein Bestehen finden. Was den Bauernverein anbelange, so sei er unbedingt da- gegen. Solange der Eigennutz die Welt regiere und jeder bloß an seinen Sack denke, halte er nichts von der Vereins- brüderschaft. Die eine Mark, die er als Mitglied bezahlen solle, getraue er sich besser anzuwenden. Mit solcherlei Redensarten brachte der Dotzheimer   viele auf seiner Seite. und die Versammlung war ein Schlag ins Wasser. Selbigmal hatte er vor Zorn geknirscht, und er wäre am liebsten auf- gesprungen und hätte dem Berz den Buckel blau gefärbt. Heute dachte er ruhiger über die Dinge. Jeder machte es, wie er's verstand. Wenn er so alt wurde wie Methusalem  , mit dem Dotzheimer   zög er nie an einem Strang, aber die Mariann als Sohnsfrau, die tät ihm passen. Die Allendörfern kam in vollem Staat aus der Kirche und unterbach seinen Gedankengang. Sie war eine hübsche, aber etwas beschränkte Frau, die bei ihrem Manne nicht viel galt. Ihr Heimatort war Herchenhain  . Dort hatte ihr Vater eine Holzschneiderei geründet. Da er keine kaufmännische Bildung besaß, sah er sich gezwungen, den Betrieb einer Ge- nosscnschaft zu überlassen. Diese machte glänzende Geschäfte, während der Gründer des Unternehmens verarmte. Wie is es dann," hob die Bäuerin an,machen wir morn Heu?" Ich denk ja." versetzte der Karges. Auf der Wetterfahn sitzt ein Rab. Man spricht da gibt's Regen." Die Bemerkung war ihm zuläppisch", als daß er darauf geantwortet hätte. Nun packte sie die Neuigkeiten aus, die dieser und jener ihr zugetragen. Dem Bäckerphilipp sein Zuchtstier war widerbörstig geworden, hatte seinen Herrn auf die Hörner gesetzt und war mit ihm im Galopp davongejagt. Schließlich hatte er ihn abgeworfen. In der Vorstellung, wie der Philipp sich dabei ausgenommen haben mochte, schüttelte sich die Bäuerin vor Lachen. Der Wolfeschorsch hatte seine Gritt mit dem Landbriefträger Heß in der. Scheuer erwischt und hatte sie derart verhauen, daß die ganze Nachbarschaft zu- Lamineiigelaufen war. Derlei Schwätzereien zu hören, war der Allendörfer nicht aufgelegt, darum stand er auf und fragte mürrisch:Hast Du den Hannpeter net gesehn?" lgortsctzung folgt.! (Nachdruck verboten) Sancta Iultitia. Von A» a t o l e France. Autorisierte Uebersetzung von Gertrud Savic. Ich kannte einen strengen Richter. Er hieß Thomas v. Maulan, und war von kleinem Landadel. Er trat unter dem Septennat des Marschalls Mac Mahon   in die Richterkarriere ein, in der Hoffnung, eines Tages im Nanien des Königs Recht sprechen zu können. Die Prinzipien, die er hatte, konnte er für unerschütter- lich halten, weil er nie daran gerührt hatte. Sobald man nämlich ein Prinzip genau untersucht, findet man, daß es gar kein Prinzip ist. Thomas v. Maulan bewahrte seine religiösen und sozialen Prinzipien sorgfältig vor seiner eigenen Neugierde. Er war Landrichter in der kleinen Stadt X.... wo ich seiner- zeit wohnete. Sein Aeußeres flößte Achtung und sogar eine gewisse Snmpathie ein. Er hatte ein gelbes Gesicht und einen langen dürren Körper, an dem die Haut sich straff über die Knochen spmmte. Seine außerordentliche Einfachheit gab ihm etwas Vornehmes. Er ließ sich schlichtwegHerr Thomas" nennen, nicht weil er seinen Adel mißachtete, sondern weil er sich für zu arm hielt, um ihn würdig zu repräsentieren. Ich habe genügend mit ihm verkehrt, um mich überzeugen zu können, daß sein Wesen mit semem Aeußeren in Einklang stand. Bei beschränkter Intelligenz und schwächlicher Leibesbeschaffenheit, hatte er ein« große Seele; ich gewahrte hohe moralische Eigenschaften in ihm. Aber da ich Gelegenheit hatte, zu beobachten, in welcher Weise er sein Amt als Richter ausübte, bemerkte ich, daß gerade sein streng redlicher Sinn und die Auf- fassung, die er von seine» Pflichten hatte, ihn grausam maclsten und ihm bisweilen jede klare Einsicht raubten. Da er außerordent- lich fromm war, deckte sich in seinem Geist, ohne daß er sich dessen bewußt war, der Begriff Sünde und Buße mit Vergehen und Strafe, und es war klar, daß er die Schuldigen in dem angenehmen Gedanken bestrafte, sie zu reinigen und zu läutern. Er betrachtete die menschliche Gerechtigkeit als ein geschwächtes, aber immer noch schönes Ebenbild der göttlichen Gerechtigkeit. Schon in seiner Kind- heit hatte er gelernt, daß Leiden außerordentlich heilsam seien, daß sie ein großes Verdienst und mannigfaltige Tugend in sich trügen und sichere Sühne. Auch glaubte er fest daran und er meinte daher, daß diejenigen, die gefehlt haben, leiden niüßten. Er liebte es, zu züchtigen, es war eine Aeußerung seiner Güte. Wie er ge- wohnt war, Gott   zu danken, wenn er ihm Zahnschmerzen und Koliken schickte zur Strafe für seine Adamssündcn und zu seinem ewigen Heil, so gewährte er den Landstreichern und Vagabunden Gefängnis- und Geldstrafen gleichsam als eine Wohltat und Hülfe. Seinem Katechismus entnahm er die Philosophie der Gesetze und vor lauter Gerechtigkeit und Geifteseinfalt war er ohne Erbarmen. Man konnte nicht sagen, daß er grausam gewesen wäre, aber da ihm alle Sinnlichkeit abging, war er gefühllos. Er hatte von den menschlichen Leiden keinen konkreten, physischen Begriff, sondern nur eine moralische und dogmatische Borst allung. Für das Zellensystem hatte er eine etwas mystische Vorliebe und zu seiner Herzensfreude und Augenweide koimte er mir ünes Tages ein schönes Gesängnis zeigen, das in seinem Gebiet neu er- baut worden war: ein großes, weißes Ding, sauber, stumm und schrecklich; die Zellen waren in Krcisform um den Wachtturm des Gefangcnwärters geordnet. Er sah aus wie ein Laboratorium, das von Verrückten gebaut war, um Verrückte zu fabrizieren. Und wahrlich: nur unheimlich verrückte Menschen konnten dies System der Einzelhaft erfinden, um einen Missetäter, den sie bessern wollten, einer Tortur zu unterwerfen, die ihn blödsinnig oder rasend macht. Herr Thomas urteilte anders. Mit Genugtuung betrachtete er stillschtveigeud diese fürchterlichen Zellen. Er hatte seine eigenen Gedanken darüber: er meinte, der Gefangene sei niemals allein, da ja Gott mit ihm sei, und sein ruhiger, zufriedener Blick schien zu sagen:Ich habe da fünf oder sechs hineingesetzt, die sich nun ganz allein angesichts ihres Schöpfers und erhabenen Richters be- finden. Kein Schicksal der Well ist so beneidenswert als das ihre." Dieser selbe Beamte hatte in verschiedenen Fällen die Unter- suchung zu führen, so auch in der Sache eines Schulmeisters. Es war gerade die Zeit, wo die weltlichen und geistlichen Lehrer im Kriege miteinander lagen. Die Republikaner   hatten die Unwissen­heit und Brutalität der Ordensbrüder denunziert, worauf ein klerikales Blatt der Gegend einen weltlichen Lehrer beschuldigte, er habe ein Kind auf einen glühenden Ofen gesetzt, und diese Be- schuldigung fand Glauben in den ländlichen aristokratischen Kreisen. Die Tatsache wurde mit allen ihren empörenden Einzelheiten so- lange erzählt, bis das Gerücht davon der Justiz zu Ohren drang. Als ehrlicher Mann, der er war, wäre Herr Thomas nie seinen