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Bei Christian Dietrich Grabbe bestätigt sich beides.[ herstellen. Für Grabbe ist diefer Zug charakteristisch. Er verfährt Unzweifelhaft war er eine athletische Natur. Aber was frommt alles nicht psychologisch von innen heraus, sondern rekonstruktiv; er gibt Gigantentum, wenn es mit Felsblöcken um sich wirft, 8yklopen- Umrißzeichnungen statt seelischer Konflikte; er jongliert mit burgen auftürmt, chaotische Schrecknis verbreitet, statt der Kunst und physischen Kraftstücken, ähnlich den Riesen in ruffischen Volks dem Geiste würdige Tempelbauten zu errichten, in deren Gelaffen ärchen. Alle dichterischen Schwächen Grabbes ästhetisch und philologisch
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hafte um seiner ins Riefenhafte gesteigerten Helden willen und aufgedeckt zu haben, ist Blochs Verdienst. Wenn er so zu der Schlußze vermeinte, die Götter bom Siß zu stoßen. Da verdlieb er einfam folgerung gelangt, daß Grabbe als Dramatiker und Tragifer trot in eisiger Gletscherwildnis, wohin ihm kaum ein menschlich aller hervorragenden Qualitäten auf Adjektiva wie groß"," ge Auge, geschweige der Fuß des verwegenſten Gratsteigers folgen waltig"," genial"," gigantisch" usw. feinerlei Anrecht geltend machen Kunst hat nicht den Zweck zu blenden, oder Grauen tann, so gibt er nur der Wahrheit die Ehre. Damit wird und Entsezen in der Brust des Genießenden auszulösen. Grabbe er freilich alle furzsichtigen Grabbe - Enthusiasten derb vor den Kopf flößt Furcht ein, die tödlich ist. Und er ist kein Dramatiker, wie es stoßen. Nichtsdestoweniger wird seine wertvolle Studie als SchlußGrößere: ein Shakespeare, ein Schiller, ein Jbsen gewesen sind. Er stein für das literarische Denkmal Grabbes zu betrachten sein. Wer würde es vielleicht noch werden, wenn unser Theater sozusagen fünftig über diesen Dichterathleten Zeugnis wünscht, der wird an ayklopische Formen annimmt". Plochs Werk nicht achtlos vorübergehen dürfen, sondern sich mit dessen herben Wahrheiten vertraut machen müssen.
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So urteilt Grabbes neuester Biograph: Dr. Artur Bloch in seiner unlängst veröffentlichten Studie: Grabbes Stellung in der deutschen Literatur".( K. G. Th. Scheffers Berlag, Leipzig 1905.) Wer wollte an diesem Urteil etwas aussetzen? Aber ein pathologisches Problem, eine Doftorfrage bleibt Grabbe , wie er es gewesen ist. Wohl war er ein tief unglücklicher Mensch, doch eine noch interessantere, weil kompliziertere Persönlichfeit, die alle Kontraste: menschliches und unmenschliches, in sich ber einigte. An ihrer ungleichartigen Mischung, an ihrer Disharmonie mußte er früh zu Grunde gehen, selbst dann, wenn sein Wesen nicht bom Alkoholismus behaftet gewesen wäre. Seiner ganzen Anlage und Neigung nach war Grabbe ein Spätling der" Sturm- und Drang"-Periode, oder was noch tragischer ist, deren Ausgeburt. Einen Heros Goethe versteht er nicht. Die Mission des flassizistischen Zeitalters, die sich in diesem vollzog und vollendete, bleibt ihm fremd. Er gefällt fich im romantischen Wahne, größer als die Größten zu sein. Hier trifft wohl die Bemerkung zu, daß er seine Zeit nicht ertrug. Die Literaturperiode des jüngsten Deutschland weist ja ähnliche Erscheinungen auf. Wir sehen da Boeten, die im ersten Ansturm jener Bewegung stecken geblieben sind und mun für ihr Mißgeschick nicht sich, sondern das Volk anklagen weil die Dichtung neue Prozesse ihrer Weiterentwickelung beschritten hat. Dennoch ist Grabbe ein Poet erster Ordnung: seine Schöpfungen zeigen die große Gebärde eines solchen. Daran ändert nichts, daß er niemals, weder zu Lebzeiten noch später Wurzel im Gemüt des Voltes gefaßt hat und eigentlich bloß im Gedächtnis der Literaten mitgeschleppt wurde. Er wird auch nicht kleiner durch die Entdeckung, daß er viele Züge und Redewendungen aus Dichtungen anderer in seinen Dramen verwertete, denn es steht dem allem übergenug Eigenes und Großes gegenüber. Er ist nicht zum wenigsten eine giganteste Persönlichkeit, die, sie mag noch so furchtbar abstoßen, doch auch edelmenschlicher Wesenszüge nicht ermangelt. Von Zeit zu Zeit hat es daher immer Geist gegeben, die sich mit der Lösung des Problems: Grabbe wissenschaftlich befchäftigten.
Unserer Gegenwart blieb es vorbehalten, uns den Giganten näher zu bringen. Zunächst versuchte das der Mecklenburger Doktor Karl Anton Piper in seiner Promotionsarbeit:„ Beiträge zum Studium Grabbes". Er beurteilt ihn jedoch vorwiegend als eine " pathologische Natur". Seine Schrift war zweifellos das beste, was in neuerer Zeit über Grabbe geschrieben worden ist. Sie erschöpfte jedoch die Materie nicht; außerdem ging Piper mehrfach von irrigen Voraussetzungen aus und gelangte so zu einseitigen, abstrakten Schlußfolgerungen. Es mochte daher vom rein literarhistorischen Standpunkte ebenso verlockend als verdienstlich erscheinen, die Lücken der Piperschen Schrift durch Heranziehung neuer oder doch unbeachtet gelaffener Beweisstücke zu ergänzen und Irrtümer zu widerlegen.
Kleines feuilleton.
der Komischen Oper gesondert aufführte, lehnen sich an die indischen e. s. Die Tänze der Ruth St. Denis , die sie am Sonnabend in Tänze an, die der indischen Kulturanschauung entsprechend, dem religiösen Kult angehören. Doch kann man von dieser äußeren Bes deutung ganz absehen. Das Künstlerische dieser Darbietungen tritt bedeutsam hervor und schließlich denken wir nicht mehr an Indien , das nur die Anregungen hergab, sondern an die Persönlichkeit, die diese Anregungen so fein benutzte.
Die Tänzerin ist nicht schön, aber eigenartig. Sie hat einen hohen, schlanken Körper, der aalglatt ist und die feinsten Bewegungen mit einer Geschmeidigkeit ausführt, wie wir sie sonst nur an den Indiern kennen, den Gaullern, Seiltänzern, den Tänzerinnen. Die erstaunliche Fertigkeit, den Körper in verhaltener Extase zu winden, als befäße er feine Knochen, ist beinah unglaublich. Doch wäre das nur äußerlich Das Einzigartige ist, daß die Tänzerin damit wirk lich zarte und feine Dinge sagt, ohne in irgendwelche Uebertrei bungen, Künstlichkeiten zu verfallen. Troß allen Raffinements bleibt fie natürlich und immer künstlerisch. Sie gibt ein objektives Kunstwert, keine einschmeichelnden Posen, keine täuschenden Erregungen, die schließlich nur beschränkt persönlich bleiben würden.
Einer dieser Tänze wohl der markanteste, der die Eigenart indischen Straßenlebens dar: einen Schlangentanz. Die Tänzerin ahmt am schärfsten zeigt- heißt Cobra" und stellt eine Szene aus dem mit dem Körper, speziell den Armen, die graziösen und kraftvolleleganten Bewegungen der Schlangen nach. Fingern geschlagenen Holzinstrumente ertönt. Sie tritt auf. Die eigentümlich faszinierende Musik der mit den braun. Der Körper ist mattrotes Tuch umhüllt den Kopf wie ein Turban. Sie kommt langa Ein braunrotes Tuch schlingt sich um die Hüften. Ein sam, schleichend von der Seite herein. Die Schritte schleppen in einem eintönigen Rhythmus. Die Arme hat sie über den Schultern verschränkt, als verberge fie etwas. Langsam lösen sich die Arme. Dann zeigt sie plöblich die Hände. Jede Hand zeigt zwei große grüne Steine auf den braunen Fingern. Sie streckt sie nach vorn und die gekrümmte Hand erscheint wie ein Schlangenkopf, die roten Fingernägel wie der Mund der Schlangen, die Steine wie giftige Augen. So windet sie die Arme in schlangengleichen Bewegungen um den Körper, der selbst statuenhaft starr bleibt. Nur zuweilen öffnen fich die Augen und scheinen die Tiere zu beobachten. Schneller werden die Bewegungen. Die Schlangen begehren auf und zischen. Und wieder werden die Bewegungen langsamer. Die Tänzerin kniet platt am Boden und die Hände mit den grünen Steinen gleiten in langsamer müder Bewegung wie Schlangen hin. Das ist nun Dr. Arthur Bloch glänzend gelungen. Er hat ratüclichen Eindruck und nicht einen Augenblick läßt die Tänzerin Das mag tünstlich flingen. Es macht accc einen durchaus feine 224 Drudfeiten umfassende Studie forgfältig methodisch auf im unklaren, daß es ihr nicht auf äußere, nachahmende Effekte an allem irgendwie erreichbaren Material aufgebaut. Ift der Bewertung fommt, sondern auf die feinen reizvollen Bewegungen des Körpers, entwickelt der Autor kritischen Spürsinn und logische, fühl die so geschmeidig und vollendet sind, und im bewegten Spiel eine objektivierte Beweisführung. Seine glüdlichen Schlüsse zieht er aus eigene Schönheit offenbaren. Da diese Art ganz persönlich ist, wird dem Einzelnen und Ganzen. Kein Moment entgeht ihm. die Tänzerin feine Nachahmerinnen finden. Und das ist auch gut Seine Verteidigung Immermanns, der vielfach beschuldigt war, fo. Gerade in der freien und doch gebändigten Bewegung enthält an Grabbe unnobel gehandelt zu haben, ist gerecht der Körper eine Kultur und Schönheit, die ihm natürlich eigen ist, fertigt. Das Gegenteil dieser Anklagen wird dokumentarisch die wir aber in unserer engen und fünstlichen Zivilisation meist erwiesen. Merkwürdig mutet es an, zu erfahren, daß Friedrich verlieren, so daß wir Schönheit in der natürlichen Bewegung des Nietzsche in Grabbe gewissermaßen einen Vorläufer gehabt hat. Bei Körpers fast nur noch bei Naturvölkern oder bei den östlichen Kulturdiesem findet sich bereits das Urbild des„ llebermenschen": der über- völkern finden, deren freie Kleidung die Bewegung nicht hindert, triebene Subjektivismus, die begrenzte Anschauung von der Minder- deren Klima es gestattet, eine Kultur des Körpers in natürlicher wertigkeit des weiblichen Geschlechts, welche Grabbe übrigens mit 3wanglosigkeit zu entwideln. Schopenhauer teilt, und vieles andere mehr. In der Bevorzugung gigantischer Helden- und Kraftnaturen zeigt sich Grabbes Abhängig keit von den Stürmern und Drängern sehr deutlich. Nordische Geschichtslettüre scheint obendrein von Einfluß gewesen zu sein. Ich meinesteils möchte die Bemerkung nicht unterdrücken, daß die Formel für den Uebermenschen" bereits in der altgermanischen Redken- und Heldensage festgelegt worden ist. Ein ähnlicher Hang zur Menscherhebung zieht sich auch durch die deutsche Märchenpoefie, worin es ja von Königen, Prinzen, Prinzessinnen usw. wimmelt. Die Menschheit im Kindeszeitalter bedurfte monumentalisierter Gestalten, um an fie glauben zu können. Theatraliter nicht Dramatiker konstruieren sich ihre Helden aus ähnlichen Absichten: sie wollen zwischen diesen und Sen anderen Personen des Stides einen rein äußerlichen Abstand
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Theater.
Freie Volksbühne( im Neuen Schauspielhaus am Nollendorfplatz):" Der Sturm " von William Shake. speare. Unter der um acht Tage verzögerten Eröffnung des Neuen Schauspielhauses hat der Verein Freie Voltsbühne zu leiden gehabt. Störungen solcher Art find, so unangenehm sie auch emp funden werden, in diesem speziellen Falle gewiß entschuldbar. Dies mal durfte man an die Aufführung des Sturm" mit Recht hohe Gravartungen knüpfen. Die Eröffnungsvorstellung enttäuschte. In zwischen sind mehrfache Wiederholungen gefolgt. Es läßt sich nicht leugnen: manches ist runder, sicherer, einheitlicher geworden. Der szenische Apparat funktioniert passabel. Die Dekorationen, daß Schiff, die Fels- und Waldlandschaften verblüffen fürs erste, bald