— 870—ein wenig von Szedvilas borgen, dessen Delikatessengeschäftebenfalls dem Ruin entgegenging. Die Nachbarn würdenkommen und ein wenig helfen. Die arme kranke Jadvygawürde ein paar Pfennige bringen, wie sie es stets tat, wennLeute am Verhungern waren, und Tamoszius Kusleikawürde ihnen den Ertrag eines Fiedelabends bringen. Sowürden sie sich durchquälen, bis er aus dem Gefängnisherauskam. Aber würden sie denn wissen, daß er im Ge-sängnis war? Würden sie imstande sein, irgend etwas überihn zu erfahren? Würde man ihnen erlauben, ihn zu be-suchen? Oder würde es einen Teil seiner Strafe ausmachen,daß man ihn über ihr Schicksal im Ungewissen ließ?lFortsetzung folgt.)tNochtonck verboten.)Scbmucfe-, Gebärden- und'Crommelfpracbe der Naturvölker.Bon Dr. I. Wiese.n.Ein eigentümlicher Humor herrscht, wenn im Kampfe der Todbei den Schivar�en seine Einkehr hält; Geschrei und Gesang er-tönt und fortwahrend verhöhnen sich die Gegner. Man kann demReger in aetvihcn Lagen Mut nicht absprechen, es ist aber mehrein fatali, tischer Mut. Im allgemeinen ist der Reger dagegenfeige, und dies betoeist er in gefährlichen Lagen recht drastisch.indem dann in der TodeZangst gcwifse Schließmuskeln an zweiverschiedenen Körperteilen den Dienst versagen. Be, Weibern machtsich dies im gegebenen Falle mehr einseitig bemerkbar. Die Angstmalt sich aus dem Gesichte wie bei den Weißen. Doch ist aus-fallend, mit welchem Gleichmut ein Todesurteil entgegengenommenwird.Der Verurteilte bittet niemals um Gnade. Es ist denNegern ganz undenkbar, daß er auf seine eigene Bitte hin amLeben gelassen merdcn könne. Ter zum Tode Verurteilte läßt sichmeist auf Hände und Füße nieder, drückt den Zeigefinger auf dieErde und leckt den daran haften gebliebenen Staub ab zum Zeichen,daß er sich unterworfen und dem Urteil gefügt hat. Meist lautlosunv sehr gefaßt empfängt er bei der Hinrichtung den Todesstreich.AlS eigentlichen Trost sagt sich der Reger:«man stirbt nur einmal."Bei traurigen Anlässen, z. B. bei dem Tode eines Ber-wandten, stützt der Reger das Kinn in die Hand, ohne den Ell-bogen mit der anderen Hand zu unterstützen, und schüttelt den Kopf.Weinen und Tränen vergießen sieht man den Reger nur höchstselten. Das Kisuaheli hat nicht einmal ein Wort für„weinen",Diese Spracke drückt«s aus mit„Kulia madschosie". d. i. ivörilich„Tränen schreien". Die Trauer des Negers gibt sich kund durchHaarausrausen und unangenehmes, plärrendes und wimmerndesHeule», wobei ein sehr gleichgültiges Gesicht zur Schau getragenwird, so daß es auf Fremde einen geradezu komischen Eindruckmacht. In Trauer oder Verzweiflung die Hände zu ringen, istdem Reger vollständig fremd.Dagegen sind dem Reger, der seine freudigen Erregungen solebhaft kund gibt, Aeußerungen der Liebe und Zärtlichkeit fremd.Der Kuß ist ihm völlig unbekannt, und lein Regerkind hat je einzärtliches und liebevolles Kosen seiner Mutter empfunden. Dieganze Behandlung des Kindes ist eine geschäftsmäßige und gleich-gültige. Dem zarten Geschlecht gegenüber gestattet sich der Regeröffentlich und in Gegenwart Tritter niemals die geringst« Zu«traulichkeit, und hierin sticht er vorteilhaft von manchem zivili-fiertcn Weißen ab. Das einzige, was er sich erlaubt, besteht imAnstarren des Weibes, das, einen Gefallen gefunden hat. TieWeiber aber verstehen das Kokcttiercii sehr gut, und, abgesehen vongroßer Sinnlicksteit und Lüsternheit im Ausdruck, geben sie ihrenweißen Schwestern darin wenig nach.Wohl noch interessanter als die Zeichensprache ist dieT r o m m e l s p r a ch e, in der sich die Naturvölker ein großartigesMittel geschaffen haben, sich auf weite Entfernungen zu unter-halte». Leo Frobenius, dieser ausgezeichnete Forscher auf demGebiet der Völkerkunde, der augenblicklich wieder im schwarzenErdteil«veilt, um ethnographische und ethnologische Studien zumachen, hat dieser Trommclsprache ein längeres Kapitel in seiner„Völkerkunde" gekvidmet. Cr führt uns in den afrikanischen Ur-wald, wo ödes Schtveigen, Hunger, Krankheit und sonstige Rot aufihre Opfer lauern.Schachmatt liegt da ein Forscher, der an der Spitze einer Ab-teilung von Haussay-Soldaten durch das Armvimigebiet marschierte.Er blieb in dem Dorfe liegen, in einem verlassenen Dorfe, mitten-im Urwalde. Seine Leute, die bis dahin ziemlich müde und mattwaren, fingen nun aber mit einmal an, hier aufzuleben; währendder Chef selbst immer mehr zusammenfiel, begannen sie schonabends fröhliche Tänze auszuführen.„Wie kommt es," fragte er,„daß es Euch mit eine». Male so viel besser geht?" Keine Antwort,sie grinsten nur— eS war ein verlegenes Grinsen. Sie sagtenauch nichts, bis der Führer selbst eines Tages eine Entdeckungmachte, eine fürchterliche Entdeckung:Die Leute hatten fich auf dir Lauer gelegt, hatten von denEinwohnern, die dem eigenen Dorfe entflohen unv nunmehr imweiten Walde versprengt waren, dann und wann einen gefangen,gebraten und verspeist. Der Chef kenn gerade dazu, als sie einenBurschen geknebelt hatten, und ih» eben zu ihrem in einem enb-legenen Winkel versteckten kannibalischen Kochplatz schleifen wollten.Der Offizier brauste auf, riß den Jüngling an sich, nahm ihn mitin seine Hütte. Wenn sein eigener Vorrat auch kärglich Ivar, sogab er ihm doch einige Bissen davon ab, dann ließ er ihn laufen.In der nächsten Nacht wachte er von einem Geräusch auf. DerBursche war herangeschlichen und hatte ihm einige Bananen undein Huhn gebracht. In der nächsten Nacht wiederholte sich das.Da hielt ihn der Offizier fest und hängte ihm ein zerbrochenesOpernglas als Geschenk um den Hals. Nun war alle Zurückhaltungvon ihm gewichen. Es begann ein eifriges Pantomimenspiel.Und siehe, eine Verständigung gelang. Soviel war dem Chef klargeworden, daß der Neger seine Standesgenosseu veranlassen wollte,mit dem Europäer einen Lcbensmrttelhandcl zu eröffnen. Aberdas Wie» das konnte er nicht verstehen. Dann erhob sich der Burscheplötzlich und zog ihn an seinen. Kleid ersetzen hinter sich her. Sieschritten bis zu einem Baume, der quer vor dem Versammlungs-Hause in der Mitte des Dorfes lag. Er war nur an einer Stelle,nämlich am Ende, aufgeschlitzt und ausgehöhlt. Der Bursche er-griff zwei Hölzer, die im Innern der trogartigen Höhle ruhtenund begann auf den Schiitzrandern zu trommeln, bald langtrillernd, bald kurz abgesetzt, bald mehr reibend, bald mehr hackend.Sofort hatte der Offizier den Sinn ergriffen.„Es war mir in diesem Momente, als sänken die Fesselndieser öden Einsamkeit," so schreibt er selbst,„von meinen Gliedern.In dieser Oede, in der jeder Vogelschrei, jedes gesprochene Wortwie ein fremder Laut klingt, da dröhnte mit einem Male einVokalkonzert vor meine Ohren, das ich sofort als die angeborene,oder ans dem Wesen des Waldes entspringende Sprache begriff,wenn ich sie auch noch nicht verstand. Ich hatte wochenlang mitmeinen nordischen Negern diese Straße durchzogen. Im Nordenhatte ich ihr Wesen verstanden. Hier im Süden waren sie mirfremd geworden. Mir war das Ganze fremd geblieben, diesewilde Einsamkeit, dieses wilde Schil'eigcn, die scheuen, immerflüchtigen Eingeborenen. Aber in diesem Augenblicke, als RufiroSPautenschläge erschallten,� da begriff ich mit einem Male denGeist dieser Szenerie, da löste sich das vordem unendlich erscheinende«ckwcigen in einer halbnielancholische» Klappersprache auf. Undals nun aus den verschiedensten Windrichtungen die verschiedenstenKlappertöne antworteten, bald aus jener Ecke ein Spruch, bald vonjener Seile ein Gemurmel, da stieg das beseligende Gefühl in mirauf. daß ich selbst in diese Umgebung jetzt hineingewachsen sei»daß ich ihr Verständnis gewonnen habe, daß ich vor meinen eigenenkannibalischen� Leuten sozusagen gerettet wäre."In der Tat änderte sich die Situation mit diesem Momente.Am nächsten Morgen kamen die Eingeborenen in ihr Torf zurück»schleppten von den entlegenen und verborgenen Feldern Bananenuild Hühner herbei, ja. sie schafften sogar Teile eines am vorigenTage m einer Falle gefangenen Elefanten heran, und alle Rot warfürs erste gehoben.Als in demselben Kriege der Gouverneur Five einst spätabends auf der Rückkehr in sein Lager in einem c-nlegeneuTorfe des Bisakogebicies die Mitteilung auf dem„Trommellele-arapbcn" anfgegeben hatte, man möchte ihm sein Abendessen auf-vetvahren, trat er, als er dann nach einigen Stunden daheimanlangte, die Tische gedeckt an. Die Nachricht war schon langevor sei»er Ankunft und kurze Zeit nach der Aufgabe des„Tele-gramms angelangt. Tic Nachricht hatte gelautet:„Abend AulaMatadi ankommen, nicht alles aufessen I"In senieM Verkehr mit Beamten, Reisenden und Missionarenim Kongogcbiet Halle Frobenius festgestellt, daß die eigenartigeTonsprache fast im ganzen zentralen Afrika westlich der Seenkettegehandhabt wird. Vordem war es aber schon lange bekannt, daßdie Dualla in der deutschen� Kolonie Kamerun ebenfalls eine der-artige außerordentlich ausgeprägte Signalsprache besitzen und beiden verschiedenste» Fällen zur Anwendung bringen. Durch denkilometerweit reichenden Klang der Paulo unterhalten die Dörfersich über die intimsten Angelegenheiten. Man neckt sich, man er-klärt sich den Krieg, man macht sich Mitteilungen über Gesundheits-zustand, Palaver, und GerichtSsitzilngcn,— ja, man schimpf fichsogar. Es ist bemerkenswert, daß jede Beschimpfung durch denTrommcltelegrapb strenger bestraft wird als eine solche durch Wortoder Tat. Die Sprache selbst wird hervorgebracht und differen-ziert durch Schläge an verschiedenen Stellen der Pauke. Es gibtvier verschiedene Töne. Diese Töne lmm man auch mit dem Mundenachahmen, und sie ergeben dann eine Sprache, die von der desalltäglichen Lebens absolut abweicht. Beispiele: To-go-lo-gu-lo-go-Io-gu-lo-madiba sim Dualla)— Wasser, Meer, Fluß;?o-lo-gu-Io-go-looder to-lo-gu-lo-go-lo- Ävambo ba Motumba sim Dualla)—-Prozeß, Verhandlung.Man kann das Getrommelte nicht nur leise bei geöffnetemMunde auf die Wange klopfen, sondern man vermag es auch zupfeifen und das erinnert uns daran, daß die Hornbläser derAschauti in ihre Signale ebenfalls einen bestimmten Sinn hinein-legen. So bläst das Horn deS Königs selbst:„Ich übertreffe alleKönige der Welt." Das Motto des Chefs der Staatspolizei lautet:„Bobie schläft nicht, er wacht für den Reichserhaltcr, in her Handdes ReichserhalterS wacht etwas."Und diese Sprache, eine selbständig entwickelte Silbensprache»bedeutet«inen großartigen Schatz im Kulturbesitzc der allerdingsnicht sehr zahlreichen Naturvölker, die sie besitzen. Am aus-