AlS an der Tut g-ichellt Eurde. stellte Edinund Hall seine Sachen weg, zog den Kittel ab und einen schwarzen Rock an, ehe er öffnete. Es war Madame d'Ora   in extravaganter Straßentoilette mit Straußenfedern auf dem Kopf. ..Darf ich stören?" fragte sie verlegen, aber mit großen, kühnen Augen. Ja," antwortete Hall fröhlich und trat von der Tür zurück. Madame d'Ora   rauschte herein, ging in all ihrer Pracht und Herrlichkeit bis mitten in das Zimmer und wandte sich dort um, so daß die Seide sie umbrauste. Hall schloß die Tür, blieb aber stehen, um die Erscheinung zu genießen, die zu ihm hereingekommen war. Sie sahen sich ein wenig an, bis sie lachen mußten. Hall seufzte tief auf vor Freude. (Fortsetzung folgt.) Hit- Berlin* Von Ernst Schur  . DaS alte Verlin ist eine kleine Welt für sich. Eng und Leschränlt, doch mit eigenem Charakter. Das Ku p f e r st i ch k a b i n e t t hat eine sehenswerte amüsante Ausstellung veranstaltet, die in zahlreichen alten Kupferstichen ein Bild von Alt-Berlin gibt. Es ist, als sähe man durch ein Verkleinerungsglas eine putzige, absonderliche Welt. Sehen wir uns dieses alte Berlin   zuerst aus der Ferne an. Eine ganze Reihe von umfangreichen, kolorierten Kupferstichen von Hennig (1800) geben ein Bild, wie Berlin   sich zu dieser Zeit aus der Ferne ausnahm. Zugleich haben wir damit eine Vorstellung, wie Berlin   in der Peripherie aussah. Da führt eine breite Chaussee einen kleinen Hohl- Iveg hinab. In der Ferne eine leichte Silhouette, das Städtchen. Tie Luft liegt gelblich über den Wiesen. Unter einem hohen Baum steht eine Gruppe Menschen. Seltsame, schwerfällige, geschweifte Karossen bewegen sich auf die Stadt zu. Berlin   von den Rollbergcn aus gesehen l Ringsum Wiesen. Das Gelände senkt und hebt sich in leichter Wellung. Kühe weiden. Ein weiter Blick zur fernen Stadt. Auf einem kleinen Weg, der da? Bild durchschneidet, ein paar Damen im Vordergrund in roten und hellen Kostümen, grünen Schirmen. Ein bläulicher Schimmer liegt über den Wiesen. Im Hintergrunde verschwommen eine Mühle. Dann Berlin   vom Kreuzberg   aus. Fern liegt die Stadt. Ein kleines, turmartiges Denkinal steht zu ebener Erde. Schlicht und einfach ist es hingesetzt. Aus einem Hügelchen, ohne Unterbau. Auf einer sich breit windenden Chaussee nähern wir uuS der Stadt. Die ersten Häuser, die äußersten Gassen. Keine Stadtgrenze. Wiesen. Blaugrüne Schatten über den Wiesen. Wir gehen direkt an den Häuschen entlang. Der Nordrand des alten Berlin  . Aber gerade die schlichte Einfachheit dieser Architekturen lägt einen Stil ahnen. Anspruchslos stehen sie nebeneinander, einfachste Form. Doch in dieser Einfachheit passen sie in die Landschaft. Keine Bauern- Häuser mit speziell betontem Charakter. Städtische Art, Nützlichkeit, Bescheidenheit. So zeigt sich uns Berlin   auf einer Deckfarben- malerci von Barth(1830). Oder wenn wir von einer anderen Seite kommen, z. B. von Charlottenburg   aus. Die schlichte Schönheit des Charlottenburger  Schloßparks. Auf dem schmalen Wässerchen, das durch den Park fließt, breite Segel. Seitlich�ein Durchblick. Zwischen grünen  , dichten Bäumen erscheint das Schloß. Charlottenburg   wirlt über- Haupt wie ein Dörfchen. Im Grünen   liegt es eingebettot, kleine Häuschen. Blau fließt das Wasser hin. Aug dem Schloßgarten ein Blick nach Spandau. daS fern am Horizont verschwimmt. Im Grünen   hinten die Stadt. Ein paar Menschen auf dem Wege im Vordergrunde, die das Bild betrachten. Die genannten kolorierten Kupferstiche von Hennig wie die Deckfarbenmalereien von Barth zeichnen sich durch gute Lusttöne aus. Das dämmernde Stille der weiten Ebenen, die weichen Horizonte, kommen gut heraus. Jeder Effekt ist vermieden. Diese Zurück- Haltung stimmt mit dem Charakter der Stadt und der Landschaft, die im Weitflächigen ihre stille Größe hat, überein. Wie sieht es nun in dieser kleinen Stadt aus? Eine ganze An- zahl jener bunten Stiche unterrichten uns davon, die an sich schon in ihrer genauen, tifteligen, aber intimen Ausführung den Charakter der Zeit geben. Es ist etwas Künstliches in dieser monotonen Buntheit, es ist etwaS Künstliches in dieser Luft, die so schematisch und gelblich-blau ist, wie sie in Panoramen gemalt wird. Aber hinter diesem Künstlichen regt sich ein Leben. Ein intimes, be- scheidenes, ernstes Leben. Korrekt und genau tvaren sicher die Leute, die in diesen Straßen und Gassen wohnten. Sauber und ordentlich. Darin offenbart sich ihr Charakter. Die Menschen sind auf diesen Stichen wie Puppen gemalt. Sie tragen bunte Kostüme, grüßen mit Grandezza, be- kritteln die Nachbarinnen und kokettieren schließlich, wenn auch züchtig, mit den Herren, die herrlich aufgeputzt einherstolzieren und sieghaft ihre Blicke schleudern. Es liegt soviel Humor und Intimität in dieser kleinen Welt, die sich so ernst nimmt und iingleich so arbeitsam und bescheiden-froh ist. Eine Farbigkeit im ganzen, die an sich schon lustig wirkt. Zart- grün sprießt das Gras. Es wächst nicht nur auf den sparsam ge- pflegten Plätzen, sondern auch zwischen den Steinritzen deS Pflasters hindurch. Da stehen eigentümliche Droschken, Karossen mit großen, blauen Rädern und gelben Kutschen und warten. Davor geht gerade ein Herr vorbei; ein anderer grüßt ihn mit tiefer, devoter Ver° beugnng. Und wie ein Pfau stolziert der andere an ihm vorüber, seiner Würde sich bewußt. Eine Marktfrau stelzt ungeschickt über den Dannn, eine Kiepe auf dem Rücken. Studenten stehen in komischen Trachten vor der Universität! lange bunte Röcke, weiße Hosen, bunte Wagnermützen! Auch die Kinder tragen ein ähnliches Kostüm, weiße Hosen, ein längerer Rock, eine große Mütze. Am Brandenburger Tor   sehen wir einen Anbau rechts und links, einfach, groß guadratisch, mit linearer Gliederung, einfache Monumenlalität! Behrens könnte ihn entworfen haben. Man sieht, daß hier im Architektonischen ein Charakter schlummert.(Deckfarben- Malerei von C. Barth 1330.) Ueberall herrscht eine Grandezza, die auf sich hält. Die Damen tragen große Schuten, die das Gesicht verstecken, eS aber um so lockender zeigen. Die nicht bis zum Boden langenden Röcke geben den Fuß frei, der zierlich gesetzt wird und feines Schuhwerk zeigen muß. Um die Schultern liegt mit leiser Koketterie ein breiter, bunter Schal. So hat alles noch intimen, ausgesprochenen Charakter. Da fährt ein Fuhrwerk, eine Kutsche, die nur zwei große Räder hat und das Pferd trägt über den Kops eine Art russischen BogenS, dunkel- rot. Pferd und Kuh werden noch zusammengespannt. Ein Spiel des Lebens, einfach und doch mannigfaltig. Ein umschlossener Kreis. Eine ganze Reihe weiterer Stiche rühren von dem Stecher Balou her. Ein Platz. Droschken halten, bunte Wagen, zweirädrig, wie die englische Kutsche. Die Pferde tragen als Zier einen kleinen Holzbogen über den Kopf. Herren in grünen und braunen Röcken schlendern stolz vorbei. An der Schloßbrücke liegen breite Kähne. Auf einem steht am Steuer der Steuermann, in weißem Matrosenanzug und hohem. breiten Zylindcrhut. Jeder trägt dieses Kopfstück, Arm und Reich, Jung und Alt, selbst die Kinder zeigen sich schon in dem Schmuck dieses seltsam grotesken HuteS. Die Luft ist meist blau oder gelblich. Aber in dieser schematischen Monotonie ist eine Art Charakter, eine Ruhe, Stille und Ab- geschiedenheit. Fein sticht gegen diese rechnende Genauigkeit, die allerdings immer etwas Liebenswürdig-Jntimes hat, ein Steindruck von Ed. Gärtner ab, der den Platz am Opernhaus zeigt und die Hauptwache. Ein malerisch weicher Ton hält das Ganze zusammen. Namentlich das Denkmal im Vordergründe ist in weißen Tönen locker behandelt und ivirkt dadurch sehr belebend. Es ist im Künstlerischen ei» Ganzes. Hinte  » dient eine Baumgruppe als Sammelpunkt. Dir Gebäude sind als Massen behandelt und nicht architektonisch muster- hast zergliedert. Die Beleuchtung ist düster und bringt eine malerisch« Einheit in das Ganze. Die kleinen Stiche sehen in ihrer primitiven Buntheit ganz putzig gegen diese Wahrheit aus. Denn dies ist, wenn auch kein Kunstwerk, so doch wenigstens die Ahnung einer Schönheit. Gehen wir noch ein wenig in der Stadt herum. In sonnigem Licht liegt die Parochialkirche. Die Häuser haben hier eine gewisse Vornehmheit. Doch herrscht auch hier im Stil der Architektur sachliche Einfachheit. Da finden wir ein Haus, da? hohe Streben zeigt, die säulenartig vom Boden bis unter das Dach reichen. Unwillkürlich denkt man an Messels Bauformen.(Stich von Gärtner. 1830.) Wieder eine bunte Reihe kleiner Bildchen, die eindrucksvoll, bei- nahe phantastisch die Wirklichkeit geben. Blauer Himmel. Grüne Bäume. Gelbliche Luft. Beinahe unwirklich. Wie eine Miniatur wirkend. Wieder sehen Ivir in breite Gassen, die rechts und links mit Häusern bestellt sind wie aus einer Spielschachtel. Klein, zierlich. Die Dächer streben hoch auf, wie es jetzt wieder Mode wird, so daß das Dach als Farbe und Fläche mitwirkt. Der Dönhoffplatz! Ein bescheidener Platz. Eigentlich kein Platz. Wie noch jetzt in alten Städten ist von dem Damm ein Viereck ab- geteilt durch kleine Bäume, die im weiten Quadrat den Platz um- säumen. Der Damm geht also ohne Erhöhung in den Platz über. Idyllisch träumen die Häuschen um den Platz. Dann sieht man von hier aus die Leipzigerstraße hinunter. Eine richtige Kleinstadtstraße. Häuschen an Häuschen, die immer kleiner werden in der Perspektive. Ein Rinnstein trennt Bürgersteig und Damm, die auf gleichem Niveau liegen. In jedem Haus rcgel- mäßig die Fensterchen. Keine Läden. Da, wo Tietz jetzt steht, ist ein kleiner Gasthof zu sehen(nach Belon, 1830). Ani Alcxanderplatz wird Wollmarkt abgehalten. Große Ballen lagern nebeneinander. Man sieht, der Markt befindet sich weit draußen. Die Gegend ist sonst leer. Nur die Arbeiter und Sekretäre stehen herum in brcithostgcu, langröckigen Umzügen. Ein schöner, freier Blick geht vom Obst- und Heumarkt über daS Wasser. Im Hintergrund die Marienkirche. DaS Wasser hat feine grüngraue, rötliche Töne. ES ist, trotzdem es ruhig liegt, nur langsam fließt, Leben in der Fläche. Und in dieser Zart- heit der Nuancen ähnelt das Blatt einer japanischen Arbeit; eS stammt von F. A. Schmidt 1810. Kräftiger ist ein anderer Stich, der ein» Straße am Kanal zeigt.