UnterhaltungsblaN des vorwärts Nr. 118. Freitag, den 21. Juni. 1907 lNachdnlck verboten.) freäerik Hapbjergs pflugesfen» Von Jeppe Aakjär  . Autorisierte Uebersetzung von Theobald Völcker. Es war nicht gerade ein gemächliches Leben, das Frederik Tapbjerg da drangen auf der Fleskjärheide. eine viertel Meile entfernt vom Kirchdorf, führte, denn stand er nicht in schweren Holzschuhen Torf knetend im Moor, so arbeitete er als Tage- löhner für die Bauern ringsherum. So hatte er sich nun fünfzig Jahre lang durchgeschlagen. Davon aber verlautet nichts, daß Verwandtschaft und Gönner bei dieser schönen Gelegenheit Einladungen zu einem Jubiläumsessen mit den üblichen Trinksprüchen und dem nötigen Zichehör von Silbersachen ergehen ließen. Er war einer von diesen Tausenden schwer arbeitenden Menschen, die nanienlos durchs Leben gehen und gleich den Regenwürmern ihr nuhbringendes Werk im Dunkel ver- richten. Sicherlich stammte er draußen aus der Grönhöj-Gegend und war ein Abkömmling von den sogenannten Kartoffel- deutschen. Das meinte man an seinen mißgestalteten Händen zu erkennen, deren Finger, wie bei den meisten Leuten dieses Stammes, an den Enden stumpf abgearbeitet waren von dem unablässigen Scharren nach Kartoffeln, diesem Wüstenmanna hier im dunklen Sand der Ahlheide. Frederik hatte selbstverständlich eine Frau, wie jeder honette, sich schwer abplagende Mensch hier zu Lande, und er hatte sich mit ihr verheiratet aus Gründen, die weder neu noch ungewöhnlich waren. Line war zwei Jahre lang sein Arbeitsgenosse gewesen, als sie ihn eines Tages zur Erntezeit beiseite zog und ihm mit einer Offenheit, die nur die Gnadengabe eines guten Ge- Wissens ist, diese kurze Mitteilung machte: Ja, Frederik, nu bin ich dick von Dir! Frederik rieb sich ein paarmal am Hosenbein, schärfte seine Sense mit außergewöhnlich harten und heftigen Strichen und hieb auf den Hafer mit solcher Raserei ein, daß Line in der Hast, nicht zurückzubleiben, zwei Zacken ihrer Harke zer- brach und endlich außer sich vor Anstrengung stöhnte: Ach, Fredcrik, mach doch man nicht so furchtbar hastig! Soll ich mir denn ganz und gar die Luft abrennen? Ich glaub, ich Hab keinen trockenen Faden mehr im Hemd." Drei Wochen später kaufte Frederik dann von seinem Dienstherrn jenes vierkantige Stück brachliegenden Heide- landes, wo kaum für einen Raben, geschweige denn für Men- schen Nahrung zu finden war. Aber unverdrossen schlug Frederik aus wenigen schwachen Bäumen das Gerüst auf, bedeckte es oben mit Heidekraut, und die dünne, graue Lehmwand, die die Räume zwischen den krummen Pfählen ausfüllte, sicherte er gegen die Winterkälte mit einer schützenden Lage fest zusammengeklopften Heide- torfes, der sich ganz hinauf bis unter das Heidekrautdach erstreckte und nur hier und da Platz ließ für einen halben Fensterrahmen. Die Heide, die um das Haus herum lag, hatte er tim- gegraben, die Furchen standen offen und das Heidekraut lag überall auf der Lauer, um sofort wieder Wurzel zu fassen. Aber Frederik ging doch darauf los und schlug sich so lange mit dem widerspenstigen Heidekraut wie mit den zähen Wurzeln des Ginsters herum, daß bald ein paar Koppel Schafe ihre Hanfstricke über den Sandboden schleppten und mit ihren weißen Zähnen unaufhörlich die spärlichen, gallen- bitteren Blätter des wilden Sauerampfers abrupften. Bald wurde auch eine Kuh in den Bichstand einrangiert. Alt war sie und einen Hängebauch hatte sie, und mager und knochig war sie am ganzen Körper, aber die Milch war gut genug, undwenn sie mal gemolken war, hörte die Milch einem doch selbst m", meinte Line. Aber das, was am besten gedieh bei Freden  ? Tapbserg, wie bei den meisten seines Standes und seiner Stellung, war allemal die Kinderschar. Es wurde immer schwieriger, sie so einzustallen", daß sie alle nach dem einen Grütznapf langen konnten. Zu denen, die sich bekreuzten über diesen Schwärm von Strolchen meist Knaben, die stets vor Frederik Tap- bjergs Haustür herumlungerten, Pflegte er scherzend zu sagen, daß er die Produktion nicht eher einstellen werde, als bis ihrer so viele seien, daß sie, sich die Hände reichend, die Hütte umringen und einen Kettentanz aufführen könnten. Und Frederik fühlte sich geradezu gekitzelt in seinem Vaterstolz, wenn er spät abends draußen voin Moor heim- kehrte und ihm weit hinaus auf dem Heideweg eine Reihe wcttlaufender kleiner Kinder entgegenkam, deren Barhäupter glänzten wie die Blüten des Wollgrases auf dunklem Heide- grund. Und wie unaufhörlich ging nicht das Geplauder, wenn das eine Kind den Torfstecher entgegennahm, ein anderes den Spaten, ein drittes den Bierbuddel, während dem kleinsten die Nase geputzt und es auf Frederiks Nacken gehoben wurde. Bon dort aus sah das Kind mit weit offenen, verwunderten Augen hinaus über das nächtliche Heideland und empfing so den ersten Eindruck von der Größe der Welt, während es den starken Schweißdunst spürte, der von Vaters gebeugten Schultern aufstieg. Stach und nach, wie die kleinen Strolche groß wurden. kamen sie fort von dem väterlichen Grütznapf und wurden Tienstfungen und Knechte bei den Bauern, bis auch sie eines schönen Tages init ihrer Herzallerliebsten über den Rubikon gingen, um unmittelbar darauf just wie vor ihnen der Vater sich aus ihr engumgränztes Vierkant zurückziehen, den Heideboden umzugraben und dasVerbrechen" in lebens- länglicher Sklavenarbeit zu sühnen, indem sie die Kartoffeln essende Bevölkerung um ein Vielfaches vermehrten. Jeder, der in dieser Gegend herumstreift, kann jetzt noch in dunklen Nächten die Lichter ihrer Hütten Wer die Heide blinken sehen.__ Die erste Zeit, nachdem Frederik Freisasse geworden war. glanbte er, daß er, alle Kräfte anspannend, das elende Stück Erdboden zwingen könnte, so viel einzubringen, wie zur En> Haltung der Familie notwendig war. Da sah man ihn schon um drei, vier Uhr morgens auf dem Acker stehen und herumwirtschaften mit Schaufel und Spaten. Durch Graben in die Tiefe hoffte er neue fruchtbare Erdschichten an die magere Oberfläche zu bringen, aber immer stieß sein Spaten nur tiefer in den Sand, so hart und rauh, daß es kreischte. Da hielt er eines Tages mitten in der Plagerei an und sah müde und mit trüben Blicken auf all den gelben Sand» jammer, den er zutage gefördert hatte. Seine Hände schmerzten und sein Hemd war durch und durch naß von Schweiß. Was half ihm diese Sklavenarbeit auf dem undankbaren Boden, der für einen Regenwurm nicht Nahrung bot, viel weniger für eine Schar hungriger Menschenkinder! Nein, er mußte nun doch wohl den langen Weg nach dem Dorfe wandern und wieder Arbeit suchen bei den Bauern, und Line mußte die Kuh hinausführen an den Chaussee- graben. Und doch, wie hatte er sich gefreut, sein eigener Herr zu werden, statt sich beständig für andere mit der mühseligsten Arbeit abzuplagen! Er, der so weit draußen vor dem Dorfe wohnte, war besonders unglücklich daran. Mau war fast schon ganz müde, bevor man den Arbeitsplatz erreichte. Aufstehen mußte er schon um halb vier, und fort mußte er mit nüchternem Magen nach dem Bauernhof, wo er seine Arbeit hatte, um teilnehmen zu können am Frühstück der Dicnstleute. das fast immer aus demselben Gericht bestand: zerstückelte Brotkanten, die in einer Schüssel abgebrühter Milch herumschwammen. Dann gabs vielleicht noch eine Pfanne ge- schmorter Kartoffeln mit kleingeschnittenen Spcckstücken. ern Gericht, das Fredcrik hochschätzte und das sein eigener Haus- halt nur selten zu bieten vermochte. Es versteht sich von selbst, daß immer die schwerste Arbeit für ihn aufgehoben wurde, denn es hieß doch immer schon: umn soll auch was verlangen von seinem Tagelöhner. Und wenn er gegen 11 Uhr abends heimkehrte zu seiner Heidetorfhütte mit den elenden drei bis vier Schilling in > der Tasche, die des Tages Mühen ihm eingebracht hatten.