Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 8.

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Sonnabend. den 11. Janua..

( Nachdruck verboten.)

Schilf und Schlamm.

Roman von Vicente Blasco Ibanez  . Abgesehen von diesen Scherzen, durch die er sich draußen erleichterte, behielt der Onkel Paloma der Familie seines Sohnes gegenüber eine kalte und gleichgültige Haltung bei. Er kam nachts, mit dem Monot" auf dem Arm, einem Paket Neze und einem Holzkasten mit einigen Aalen  , nach Hause und stieß seine Schwiegertochter mit dem Fuß, sie sollte ihm am Herde Platz machen. Zuweilen widelte er einen Mal um ein Stück Holz und drehte ihn geduldig am Feuer hin und her, bis er geräuchert war. Ein andermal holte er sich aus seiner Barfe seinen alten Kochkessel, in dem allerlei Dinge lagen, leerte ihn aus und machte sich einen riesen­großen Schlei zurecht, oder er schmorte die Aale mit Zwiebeln und bereitete sich ein Gericht, das reichlich für ein halbes Dorf hingereicht hätte.

Diefer magere, fleine, alte Mann war gefräßig, wie alle alten Söhne des Albuferasees. Er ernsthaft nur einmal, abends, wenn er vom Fischzug nach Hause kam. Dann seßte er sich, seinen Kessel zwischen den Beinen, in einen Winkel auf den Erdboden, verbrachte so stillschweigend ganze Stunden. ließ seine alten Ziegenfinnbaden arbeiten und verschlang auf diese Weise ungeheure Quantitäten von Nahrungsmitteln, deren Volumen die Leistungsfähigkeit eines menschlichen Magens erheblich zu übersteigen schien.

Er benutzte zu seiner Nahrung nur, was ihm selbst ge­hörte, was er sich bei seiner Tagesarbeit erobert hatte. Er fümmerte sich auch nie darum, was seine Kinder aßen, und bot ihnen nie das Geringste aus seinem Sessel an. Jeder lebe von seiner Arbeit." Seine kleinen Augen glänzten in boshafter Freude, wenn er auf dem Tische der Familie eine einzige Schüssel mit Reis sah, während er die Knochen eines Vogels abnagte, den er an einem Orte, sicher vor den Feld­hütern, erlegt hatte.

Toni ließ seinen Vater ganz nach seinem Belieben han­deln. Man durfte nicht daran denken, den Alten auf bessere Gedanken zu bringen, und die düstere Einsamkeit herrschte weiter zwischen ihm und der Familie. Der fleine Tonet bil­dete den einzigen Verbindungspunkt. Oft näherte sich der Enkel dem Onkel Paloma, von dem kräftigen Duft des Kessels angeloďkt.

" Da, armer Kleiner, da," sagte der Großvater, mit einem Ausdruck inniger Zärtlichkeit, als hätte er ihn im tiefsten Elend gesehen.

Dann gab er ihm eine fette, schmackhafte Hühnerfeule und freute sich, wenn er ihn schlingen sah.

Wenn er sich zufällig mit seinen alten Freunden in der Schänke vergnügen wollte, dann nahm er den kleinen zu­weilen mit, ohne den Eltern etwas zu sagen.

1908

schen, die diese Stellung nur annahmen, weil sie arbeitsscheu waren, und die Herrschaft, die die Jagd verpachtete, ein Haufen Diebe, die alles für sich behalten wollten. Der Albuferasee gehörte ihm uns all den anderen Fischern. Wären sie in einem Palast zur Welt gekommen, so wären sie Könige. Got! mußte wohl seine Absicht dabei haben, daß er sie hier hatte geboren werden lassen. Alles andere waren Lügen, die die Menschen erfunden hatten. Wenn er das Abendessen ver schlungen, und nur noch sehr wenig Wein in den Bechern übrig war, betrachtete der Onkel Paloma seinen Enkel, der zwischen seinen Beinen schlief, und zeigte ihn seinen Freunden. Der Kleine würde ein wahrer Sohn des Albufera werden. Er wolle seine Erziehung übernehmen, damit er die Verrückt heiten seines Vaters nicht auch noch nachahmte. Der würde einmal die Büchse mit glänzender Geschicklichkeit handhaben, würde den See wie ein richtiger Aal fennen, und wenn sein Großvater einmal tot war, würden alle fünftigen Jäger auf der Barfe eines anderen, jüngeren Paloma fahren, der genau so war, wie er selbst, als er die Königin, die er durch seine Späße so sehr erheitert, herumgerudert hatte.

Troß dieser Intermezzi kam die schlummernde Gehässig feit des Alten gegen seinen Sohn nicht zur Ruhe. Er wollte die erbärmliche Erde, die dieser bebaute, nicht sehen, dachte aber stets daran und rieb sich mit teuflischem Lachen die Hände, als er erfuhr, daß es mit Tonis Geschäften schlecht stand. Ini ersten Jahre verheerte der Salpeter die Felder gerade in dem Augenblick, wo der Neis aufgehen sollte, und die Ernte war sozusagen verloren. Der Onkel Paloma erzählte mit hoher Freude die Neuigkeit einem jeden; als er aber die Traurig feit seiner Familie und die Not sah, die der Fehlschlag zur Folge hatte, empfand er eine gewisse Rührung und brach seiv Schweigen dem Sohne gegenüber, um ihm Ratschläge zu er­teilen. War er überzeugt, daß er zum Wasser gehörte und fein Arbeiter war? Er war ein Sohn von Fischersleuten und sollte zu seinen Neßen zurückkehren.

Aber Toni protestierte mit übellaunigem Knurren und gab seinen festen Entschluß kund, fortzufahren, während sich der Alte wieder in seine stumme Gehässigkeit verschloß. Ach, der Eigensinn!... Von diesem Augenblick an begann er zu wünschen, alles mögliche Unglück möge sich auf die Aecker feines Sohnes herabfenfen; er betrachtete das als das einzige Mittel, seinen hochmütigen Widerstand zu brechen. Er ver­langte nichts mehr im Hause, doch wenn er in seiner kleinen Barke saß und die großen von Saler kommenden Boote kreuzte, erfundigte er sich nach dem Fortgang der Ernte und empfand eine gewisse Genugtuung, wenn er hörte, das Jahr fünde sich schlecht an. Sein Eigensinn von Sohn würde also por Hunger sterben. Jetzt würde er, wenn er etwas zu esser haben wollte, auf den Knien um den Schlüssel des alten Aal­fastens mit dem eingefunkenen Strohdach bitten müssen, den sie in der Nähe von Palmar besaßen.

Die Stürme, die gegen Ende des Sommers herrschten, er füllten ihn mit froher Freude. Die Schleusen des Himmels sollten sich öffnen, der See sollte die Felder überschwemmen und die Reisgarben in dem Augenblick ertränken, wo sie ge­rade zum Mähen gut waren, wie er das schon zuweilen ge. sehen. Die Arbeiter würden vor Hunger umkommen, aber was würde ihn das kümmern? Er hatte ja die Fische des Sees, und außerdem hatte er das Vergnügen, daß sein Sohn, der nichts zu essen hatte, um seinen Schuß flehen mußte.

Zum Glück für Toni gingen die Wünsche des Alten nicht in Erfüllung. Die Jahre wurden wieder gut, und ein ge­wisser Wohlstand herrschte in der Hütte. Man lebte, und der mutige und fleißige Arbeiter grübelte, wie über einen un­erfüllbaren Traum, über die Möglichkeit nach, Aecker zu be­bauen, die ihm nicht gehörten, und für die er alljährlich in der Stadt eine Bacht bezahlen mußte, die dem Werte der Ernte fast gleichkami.

Ein andermal war das Fest noch schöner. Schon am frühen Morgen verspürte der Onkel Paloma ein heftiges Ver­langen nach Abenteuern und stieg mit einem alten Kameraden in den Dickichten der Dehesa an Land. Stundenlang lagen fie hier im Grase ausgestreckt auf der Lauer und beobachteten die Feldhüter, die keine Ahnung von ihrer Anwesenheit hatten. Sobald die wilden Kaninchen erschienen und in Dornen und Buschwerk herumsprangen, ertönten zwei Schüsse; zwei Kaninchen wurden in den Beutel gesteckt, dann liefen die Alten, was sie konnten, erreichten ihre Barke und stießen sie nach dem See, wo sie die Feldhüter verspotteten, die eifrig nach allen Seiten liefen. Derartige fühne Streifzüge ver­jüngten den Onkel Paloma. Man mußte ihn nur in der Schänke abends hören, wenn er sich dieser Heldentaten rühmte, während er in Gesellschaft seiner guten Freunde, die Um diese Zeit vollzog sich ein Ereignis im Leben der den Wein bezahlten, das Wildpret zubereitete. Heutzutage Paloma. war fein junger Mann mehr imstande, so etwas zu tun. Und Tonet wuchs heran, und seine Mutter wurde traurig. Der wenn die Schüchternsten vom Gesetz und seinen Strafen Junge begleitete seinen Großvater auf den See hinaus; wenn sprachen, dann erhob der alte Schiffsführer stolz den Kopf, er größer sein würde, sollte er mit dem Vater auf den Feldern den er infolge der beständigen Handhabung der Ruderstange arbeiten, und die arme Mutter mußte jetzt schon den ganzen stets geneigt hielt. Die Feldhüter waren unglückliche Men- Zag allein in der Hütte verbringen.