Füße reichte, zum erstenmal angezogen hatte, da hatte er fie Sidsel Uangröckchen genannt. Nach Weihnachten   aber war oben auf Schloß GuckauS die Not eingezogen. Die Vuh Bliros, die sonst fast das ganze Jahr hin- durch Milch gab, ließ eS sich Plötzlich einfallen, mehrere Monate trocken zu stehen; sie sollte erst zum Sommer hin kalben. Die letzte Woche hatte eS nicht einmal mehr Mich zum Kaffee gegeben. Bis zum Nachbarhof Svehaugen war es auch nicht bloß ein Katzensprung, und dort war eS zudem auch knapp mit der Milch, das wußte Rönnaug. und außerdem hatte sie keine Zeit, sie mußte sich sputen, daß sie mit der Wolle, die sie für Kjersti tzoel spann, endlich fertig wurde und sie bald abliefern konnte, dann wurde wohl auch Rat für Milch und Kaffee und anderes mehr. Deshalb arbeitete sie unausgesetzt die ganze Woche hindurch Sidscl war nun so groß, daß ste beim Karden helfen konnte und trank den Kaffee schwarz. War eS nun eben, weil sie den schwarzen Sfaffee nicht vertragen konnte, oder ein anderer Grund, als sie gestern Abend spät fertig geworden war. fühlte sie einen saugenden Schmerz unter der Brust, und als sie heute früh aufstano und sich fertig inachte, mit der Wolle nach Hoöl zu gehen, wurde ihr mit einem Male so übel tlnd schwindlig, daß sie sich wieder aufs Bcit legen mußte. Sie fühlte sich ganz elend. Run war es aber Sitte. daß die Spinnfrau, was sie gesponnen, auch selber brachte, und da bekam sie nicht bloß Vergütung für ihre Arbeit, sondern wurde auch in der Regel bewirtet und erhielt neue Aufträge und Bescheid, wie das nächste Garn gesponnen werden sollte. Doch diesmal war wirklich kein anderer Ausweg, sie mußte Sidsel schicken. Sie würde sich schon zurechtfinden, obwohl sie noch ine auf Hoöl gewesen war, und so viel würde sie wohl auch mit nach Hause bringen, daß sie wenigstens wieder einmal eine ordentliche Tasse Kaffee trinken konnten, dann konnte sie ja an einem der nächsten Tage immer noch selber gehen. Wenn sie sich nur darauf ve-lassen könnte, daß Sidscl sich iordentlich zu benehmen verstände und sich nicht gar zu ungelenk anstellte? O ja, hatte Sidsel gemeint, wenn sie nur gehen dürfte, dann werde sie sick schon richtig zu benehmen wissen, genau wie eine Spinnfrau; denn sie erinnerte sich sehr gut daran, wie die es machten, von damals, als sie die Mutter nach Nordrum begleiten durste. (Schluß folgt.) kleines Feuilleton. Tßenter. Hebbel-Theater  : Eröffnungs- Vorstellung.Maria Magdalene  " von Friedrich Hebbel  . Das neue, von Dr. Engen Robert geleitete Schauspieluiiteriwhmen, das im Zentralthcater mit der Aufführung von.Frau Warrens Gewerbe", ShawS radikalster GcsellschaftSsalire, vielversprechend einsetzte, hat nun sein neues, von dem ungarischen Architekten Oskar Kaufmann  erbautes Heim in der Königgräyer Straße bezogen. Vornehm und eigenartig repräsentiert sich die halbkreisförmig auSgcbuchtete Front, deren oberes Geschoß durch eine an den modernen WarcnhcmSstil erinnernde Gruppe sehr hoher schmaler Fenster wirkungsvoll belebt wird. Gleichfalls höchst eigenartig, freilich auch etwas ivillkürlich- spielerisch nimmt sich der ixm verhältnismäßig kleiner Basis hoch- ansteigende Zuschauerrauin aus. Der beschränkte Baugrund, der. sollte auch nur die Zahl von 800 Sitzplätzen erreicht werden, zwei Ränge über dein Parkett erforderte, wird für die Wahl der Proportionalirätsverbält- nisse in erster Linie maßgebend gewesen sei», der Wunsch nach Neuem und Nebmaschendem die so begründete Tendenz der Form «och weiterhin gesteigert haben. Statt der lichten Farben, an die man in Theatern sonst gewöhnt ist, dominiert, wie in dem Saal von Reinhardts Kammerspielen. daS Braun. Kostbare Rußbaum­täfelung bedeckt biö weithinanf die Wände. Die weit vorspringenden Balkons sind mit dunkel getöntem Birkenholz getäfelt und an den Brüstungen von schwarzen Bändern umsäumt, die mit dem großen schwarzen, die Bühne einschließenden Ebenhrlzrahmen harmonieren. Das Licht fällt von Leuchlkvrpern, die oberhalb der Bühne und der hübschen Logennischen des ersten Ranges angebracht sind, in das HauS. Die Decke bildet, gleichfalls wie in den Kammcrspielen. eine glatte weißgraue Fläche ohne Zierrat. Das Ganze fesselt den Blick, wenn auck, jener imponierende Eindruck einer durckgehendS vom Zweck beherrschten Notwendigkeit, wie ihn z. B. daS Charlottenburger   Schiller- Theater hervorruft, ausbleibt. Als Hebbel  -Tbeater ein Name, der, so gut er klingt, doch jeder programmatischen Bedeutung enlbehrt konnte die neue Bühne nur mitMaria Magdalene  " ihre offizielle EröffimugSseicr begehen. ES ist daS einzige urner allen Hebbel  -Dramen, in dem das loelifcrii-frcmdartigc Wesen deS großen Grüblers sich mit so anschaulich konkreter Charakteristik und einer solchen Annäherung an die Wirklichkeit verbindet, daß eine Wirkung auf die breite Massen möglich ist daS einzige seiner Dramen, das eben darum in Iveilem Umfange und dauernd sich die Bretter er- der» konnte. Aber freilich bedarf das Werk, damit eS seine Kraft* äfalte, erlesener, schon von Natur für die Besonderheit der beiden Hauptgestalte« borbestimmter Darstellungstalente. So packten Riltner und die Triesch im Brahms» Theater. Pohl und die Willich   im Schauspielhaus. Was hier geboten wurde, war, an solchen Erinnerungen gemessen, doch nur blaß. Herrn Rissens Meister Anton hatte etwas wohlwollend Weiches. Er- bauliches in Organ und Mienenspiel, das nicht dran glauben ließ, daß dieser Mann die Drohung, durch die er seine Tochter in den Tod treibt, ausführen könnte, und so von vornherein den Nerv der Spannung lähmen mußte. Maria Mayer in der Rolle der Tochter fand schlichte, natürlich wahre Töne der Angst und deS Schmerzes, aber die Züge waren herb, Haltung und Kleidung un- gefällig, so daß der Hintergrund des Erotischen  , der doch gewiß dieser Figur nicht fehlen darf, gar nicht hervortrat. Frau Bertens verfiel vielleicht ein wenig in den entgegengesetzten Fehler. Es war ein Vergnügen, ste anzuhören und anzuiehen, aber ihre einnehmende Zierlichkeit ließ öfter die Tischlerfrau vergessen. Richard Leopold gab den schuftigen Verführer ganz gegen alle lieber- lieferung. doch durchaus plausibel als pausbäckigen, noch etwa? knabenhaft dreinschauenden Burschen. Hermann Traeger spielte geschmackvoll, die hier besonders starke Versuchung zum Deklamatorischen vermeidend, den jungen Sekretär, Paul Otto den Sohn deS Meisters Anton. Er maSte den Ungebärdigen zum Pflegmatiker und verfiel namentlich im letzten Akte in ein peinigend schleppendes Teinpo. Die Inszenierung war nach dem Regiebuch deS jüngst verstorbenen Richard Ballentin vorgenommen. In der öffentlichen Borstellung wird man die überlangen Pausen, die in der Generalprobe die Spielzeit bis nach 11 Uhr ausdehnten, hoffent- lich entsprechend kürzen. dt. Medizinisches. Aus der Geschichte der Pest. Die Weltgeschichte, so- weit fie auf sicheren Urkunden begründet ist, unterscheidet drei große Epochen der Pest, die wegen der allgemeinen Verbreitung der Seuche nicht mehr als Epidemien, sondern als Pandemicn bezeichnet werden. Es ist bedauernswert, sagen zu müssen, daß die letzte dieser drei Pandcmien in die Gegenwart fällt. Aller- dings ist diese Benennung für die heutige Verbreitung der Pest glücklicherweise insofern nicht ganz zutreffend, als nicht alle Erd- teile von der Krankheit heimgesucht sind, wenigstens nicht durch eigentliche Epidemien von größerem Umfang. In Europa   ist zum mindesten nur ein Ereignis zu verzeichnen gewesen, das als eine Pestepidemie anzusehen war, nämlich das Auftreten der Seuche in Oporto  , während sonst nur vereinzelte Fälle vorgekommen sind. Abgesehen von Europa   sind aber jetzt alle Erdteile mehr oder weniger von der Pest befallen, obgleich auch noch in verschicdncm Grad. Die eigentliche Heimat der Pest, wo sie auch diesmal ihre weitaus größte Verbreitung gefunden hat, ist Asien  . Dennoch ist die Pest nicht immer von Asien   aus nach Europa   gelangt, sonder» bei der ersten großen Pandemie im sechsten Jahrhundert unserer Zeitrechnung kam die Seuche von Aegypten   aus nach Byzanz und verbreitete sich dann über den ganzen Erdteil. Die zweite Pande- mir, die der Krankheit den Namen deSSchwarzen Todes" ver- schaffte und im elften Jahrhundert einsetzte, war dagegen direkt von Asien   her eingeschleppt worden und hatte Europa   wiederum bei Konstantinopel   betreten. Die Geschichte der neuesten Pestepoche ist in ihren Ursprüngen besonders wichtig, da man jetzt die Wurzeln besser kennen gelernt hat. Dr. Gill unterschied in seinem Vortrag, der auf dem letzten Internationalen Kongreß für Hygiene gehalten wurde und jetzt zum ersten Mal gedruckt vorliegt, zwei Hcimatsbezirkc der Pest, einen in Westasien und einen im indo- chinesischen Gebiet. Dieser Unterschied ist umso bedeutsamer, als die Pest in diesen beiden Gegenden einen wesentlich verschiedenen Charakter hat. In Wcstasien pflegt sie in einer milderen Form auszutreten und keine besondere AuSbreitungSkrast zn gewinnen, während die indochinesische Pest weit gefährlicher ist; übrigens zeichnet sich letztere auch durch ihren Zusammenhang mit der Rattenpest aus. Der Ursprung der neuesten Pandemie ist um das Jahr lWZV i» der westchincsischcri Provinz Dünnnn zu suchen, und nun zeigt sich bei der weiteren Ausbreitung der richtung- gebende Einfluß der Handels- und Verkehrswege. Die Pest wanderte nämlich zunächst langsam auf der Hauptstraße nach Osten hin zur Küste. Im Jahr 1867 hatte sie den Freihafen Pakhoi am Meerbusen von Tonkin erreicht, aber erst im Jahr 1894 war sie bis Kanton gelangt und im gleichen Jahr nach Hongkong  . DaS Jahr 1896 ist dann ein Mcrrstcin in dieser düsteren Geschichte als der Zeitpunkt, in dem die Pest in Bombay   indischen Boden betrat, von wo auS sie nun unaufhaltsam eine ungeheure AuS- brcitung über fast das ganze Britcsch-indische Reich nahm und sett jener Zeit schon weit über eine Million Menschen da?!»- raffte. Diese gewaltige Expansion ist dadurch xu erklären, daß die Pest in Indien   zum ersten Mal die modernen Verkehrsmittel, also in erster Linie ein weitverzweigtes Eisenbahnnetz für ihre eigene Beförderung zu benutze» in der Lage war. Seit Beginn dieses Jahrhunderts ist ein weiterer Fortschritt nach Westen hin festzustellen, denn im vorigen Jahr war nicht nur der äußerste Nordwesten von Indien   selbst erreicht, sondern eS waren schon Fälle in Afghanistan   und sogar im nördlichsten Persien festgc- stellt. Dr. Gill bezeichnet eS alö im hohen Grade wahrscheinlich, daß die Seuche früher oder später auf diesem Wege auck an die Grenzen Europas   pochen wiro« und zwar an ihre alle Eingangs- Pforte bei Konstantinopel  . Vercmtwortl. Redakteur.' Hans Weber, Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u. Verlagsanstalt Paul Singer LlTo..Berlin   L'.V