die er offen trägt und aus der die fangen, enganschließenden Aermel steif herabschlenkern; an den Füßen klappern die derben Bundschuhe, um die Waden schlottern die Pumphosen. Der blaue Brustfleck, des Narren Zeichen, ist durch ein aufgenähtes, grün- ledernes Herz geziert, neben welchem rechts und links ein großes H und W erscheinen. Ein Nänzlem rn Form einer dicken Wurst hängt ihm über der Schulter, im Ledcrgurt führt er die hölzerne Narrenpritsche und auf dem Kopf sitzt der spitze grüne Hut, der Schelmen und Aufschneider Emblem. Es war die Gestalt des bergamaskischen Gosfo, des ungehobelten Naturburschen aus der italienischen Stegrcifkomödie, die hier eine dcutschnationale Auf- erstehung feierte. Zwischen die hohlen Alexandriner des Helden mischten sich seine schwulstig kauderwälschen Erzählungen und das iiberschraubte tragische Pathos der Liebesszenen unterbrach sein dummdreister gesunder Menschenverstand. Hans Wurst   ward in den Volksdramen vom Doktor Faust und Don Juan zum komisch karrikierten Gegenbild ewigen Strebens und leidenschaftlichen Be- gehrens: er drang von Wien   au? bei allen Wandertruppen ein und ritt auf hohem Pferde, statt des Zaumes den Schweif in der Hand, auf dem Kopf die Schellenkappe, die Brille auf der Nase durch die Gaffen, um mit schnarrender Stimme und stotternder Ehrfurcht dem verehrten Publica den Komödienzettel vorzulesen: «Mit gnädigster Bewilligung einer hohen Obrigkeit wird heute aufgeführt werden eine mit lächerlichen Szenen, ausgesuchter Lustbarkeit, lustigen Arien und Verkleidungen wohl versehene, da- bei mit ganz neuen Maschinen und Dekorationen artig eingerichtete, auch mit verschiedenen Flugwerken auSgezierte, und mii Sckierz, Lustbarkeit und Moral vermischte, durch und durch auf lustige Personen eingerichtete, gewiß sehenswürdige große Maschiens- komödie, unter dem Titel: Hanswursts Reise in die Hölle und wieder zurück, wobei dieser arme, von dem Teufel oftmals er- schreckte, verzauberte, von seinem Herrn aber geprügelte, dumme und mit Colombinen, einer verschmitzten Kammerjungfer ehelich verlobte Diener in folgenden Verkleidungen erscheinen wird: 1. als Reisender, 2. als Kavalier, 3. als Pavian, 4. als Schornsteinfeger, 5. als Husar, 6. als Zigeunerin, 7. als Kroat, 8. als Barbier, 9. als'Doktor,' 10. als Tanzbär, 11. als affektierte Dame, 12. als Laufer, 13. als Kupplerin, 14. als Nachtwächter, 15. als Mann ohne Kops und 16. als ein vom Teufel geholter Bräutigam. Dabei werden alle Zeit lustige Arien gesungen werden. Wir können versichern, daß die heutige Maschienskomödie die Krone aller Maschienskomödie» ist." Da dem Hanswurst jede Verkleidung, jedes Auffliegen, jede Ohrfeige und Fußtritt extra bezahlt werden, so lag es in seinem Jnteresic, in einem Stück möglichst viel Maulschellen zu bekommen, recht oft in der Flug- Maschine zu erscheinen und sich nach Kräften treten, begießen und herunterstoßen zu lasten. Es sind uns noch Rechnungen erhalten, auf denen der Hanswurstdankbarlichst quittiert: zwei Ohr, eigen bekommen 1 Gulden 8 Kreuzer, einen Fußtritt 34 Kreuzer usw." Stranitzkys von ihm selbst dem Publikum als Nachfolger cmp- fohlener Erbe war Gottfried Prehauser  . Eines Abends trat der alt gewordene Meister des HumorS vor die Rampe und bat, von nun ab statt über ihn über Prehauser sich zu amüsieren. Alles blieb still. Wehmut beschlich die Wiener  , daß sie der altgeivohnter Lustigmacher verlieren sollten; zu dem neuen hatten sie lein Zutrauen. Da warf sich der junge Hanswurst plötzlich in einer drolligen Angst auf die Knie und rief, die Hände flehentlich vorstreckend: ,, Meine Herren! Ich bitte Sie um Gottes willen, lachen Sie doch über michl" Ein allgemeines Gelächter erhob sich und Prehauser hatte gewonnenes Spiel. So blühte in Wien   des Hanswursts Glück in prächtigen Schauspielern weiter, einem Leinhaas, Weiskern. Huber. zuletzt dem berühmterBernadon" Kurz. Unter den Hanswürsten der in Deutschland   herumziehe, iden Truppen genoß besonders Franz Schuch  einen großen Ruf. Ein ernster, finsterer und wortkarger Mann voll schwerblütiger Frömmigkeit, lvar er mit einem Schlage ver- ändert, wenn er in die gelbe Jacke fuhr. Dann kam ein Dämon über ihn und steigerte sein Wesen zu einer rasenden, wilden Heiter- feit, so daß alles in Lachen ausbrach, wenn er sich nur auf der Bühne zeigte. Eine seltene Anziehungskrast durch die Gewalt seiner Gesten und Sprache muß auch von Joseph Felix von Kurz   aus- gegangen sein, dem Verfaster bieler lustiger Possen, der aber schließ- lich doch die Niederlage der Hanswursts nicht mehr aufhalten konnte. Gottsched   hatte mit dem Kampf gegen den volkstümlichen Harlekin begonnen, und nachdem ihn die Ncuberin feierlich von der Schaubühne verbannt und verfehmt, drängte man auch in Wien  darauf, regelmäßige Stücke den improvisierten Späßen entgegenzu- stellen. In Lessings«Miß Sara Sampson" drang zwar Hanswurst noch als Diener Norton ein, aber bald spielte man im Hoftheater nur nochKompositionen, die aus französischen oder welkchen oder spanischen ThcatriS herkommen". Die Kunst eines neuen Verehrers von Hans Wurst  , des trefflichen LokaldichterS Philivp Haffner. war aus die Vorftadtbühne verbannt; als Prehauser starb, da triumphierte Sonnenfels, der Mann des klassizistischenguten Ge- schmacks":Er ist tot. der große Pan; die Stütze der Burleske ist gefallen. ,hr Reich zerstört." Aber Hanswurst, der ausgetriebene und begrabene, war nicht tot, denn er ist ewig. Bei der Neuberin  spukte er herum als Hänchen oder Peter, freilich ein blaffer, ärm- licker Gesell; in Wien   ward er bald wieder umjubelt als Leopold!, Jakerl, als guter Käsperle, als Staberl und Thaddädl.... verantw. Redakteur: Georg Davidsohn  , Berlin. Druck u. Verlag: Als wackerer Kämpe war et sogleich für den SanSwurst Justus Möser   aufgetreten, der treue Eckart aller volkstümlichen Ueber» lieferung; Seite an Seite mit ihm kämpfte Lessing  , der den Ab» glänz ewigen Humors in Shakespeares Rüpeln wie in den Teufeln der mittelalterlichen Komödie zu erkennen wußte. Goethe, in alt- deutschem Vers und Hans Sachsens treuherziger Derbheit lebend und schaffend, begann seinmikrokosmijches Drama: Hanswursts Hochzeit oder der Lauf der Welt", in der der verachtete Narr Ab- rechnung halten sollte mit den vornehmen feinen Leuten und der verlogenen kultivierten Gesellschaft. Die Romantiker sind ihm in dieser Thronerhebung des Hanswursts gefolgt, von T,ecks warm- herzigem PuppenspielHanswurst als Emigrant" an bis zu BrentanosViktoria und ihre Geschwister" mit dem prächtigen 5ieffelflicker Lippel. Und so lebt die Gestalt des Hanswurst weiter in allen großen Werken des Humors. In Raimunds Räuberpossen hat sie eine geläuterte, ja fast verklärte Existenz gefunden, sie hat ihren Teil an Kleists   Dorftichter Adam, ja auch an Freytags Komad Boltz; Dramatiker wie Raupach, humorvolle Improvisatoren wie Holtei  , warmherzige Märchenerzähler wie Pocci   haben sie benutzt. So tritt uns Hanswurst auch heut noch unter tausend Formen ent- gegen, als Clown im Zirkus, als Kasperle im Puppentheater, rls dummer Bursche im Soldatenstück, als entlarvter Schwerenöter in dummer Bursche im Soldatenstück, als entlarvter Schwerenöter im ernsten Drama._ Dr. P. L. kleines feuilleton. Medizinisches. Wandernde Nadeln. Wenn sich jemand eine Nadel oder ein Stück einer solchen in die Hand oder den Fuß gestochen hat und er kann den Fremdkörper nicht alsbald aus der Wunde selbst herausziehen oder entfernen lassen, so wird dem später hinzu- kommenden Arzt oft eine schwere Verlegenheit bereitet. Dabei ist die Sache heute schon unendlich viel einfacher als vor der Enl- deckung der Röntgen-Strahlen, weil früher kaum eine Möglichkeil bestand, den Sitz der Nadel, die sich alsbald auf die Wanderschaft begibt, mit Sicherheit festzustellen. Früher wurde der verletzcc Körperteil gewöhnlich mit Umichlägen behandelt, die dazu führen sollten, die Nadel an die Oberfläche zu ziehen, aber ein Erfolg wurde nie erzielt. Infolge dessen mußte sich der Arzt oft dazu entschließen, aufs Geradewohl mit dem Messer in die Handfläche oder Fußsohle hineinzugehen, und oft genug blieb auch diese Opera- tion nutzlos. Sogar heute noch, wo man doch den Schatten der Nadel mit Röntgen-Strahlen auf den Schirm zaubern kann, bleibt der Erfolg des Eingriffs fraglich, denn zuweilen vermag der Chirurg den Fremdkörper nicht an der Stelle zu finden, wo er seinen Schatten noch vor wenigen Minuten gesehen hatte. Infolge dieser Erfahrungen weigern sich jetzt manche Aerzte schlechtweg, irgendwelche Operation vorzunehmen, wenn sie nicht die Spitze der Nadel geradezu unter der Haut fühlen können. Diese Erwägungen setzen immer voraus, daß die Sache oft noch schlimmer ist und einen Eingriff gebieterisch verlangt. Dieser Fall tritt ein. wenn die wandernde Nadel außerdem noch die unangenehme Eigenschaft be- sitzt, nicht sauber zu sein und daher zu Entzündungen und Ver- eiterungen führt. Zuweilen sind die Wanderungen von Nadeln im menschlichen Körper sehr merkwürdig. Während sie sich sonst wohl nach einiger Zeit in der Nähe des Eintrittsortes festsetzen, reisen sie oft durch den ganzen Körper und kommen an unerwarteten Stellen nach Monaten oder sogar nach Jahren zum Vorschein. Der Lancet" schildert jetzt einige sonderbare Fälle dieser Art aus den ärztlichen Erfahrungen der jüngsten Zeit. Eine Dame in Aberdeen  hatte sich vor 30 Jahren eine Nadel in den linken Fuß gestochen, die damals nicht hatte herausgezogen werden können und auch weiter keine Beschlverden verursachte. Die Frau hatte den Unfall über- Haupt schon wieder ganz vergessen, bis nach etwa 30 Jahren die Nadel am rechten Ellenbogen heraustrat und nun ohne besondere Beschwerden entfernt werden konnte. Ein anderer merkwürdiger Fall wird aus Wien   berichtet und betrifft eine Arbeiterin, die bei anscheinend vollkommener Gesundheit plötzlich starb. Die Totenschau ergab vier Nadelstücke von je 1 Zoll Länge, die sich in das Fett der Bauchwand eingebettet hatten. Als Todesursache wurde eine Blutung des Herzbeutels aus zwei kleineren schlitzartigen Oeffnungen in der Lungenarterie festgestellt, denen ähnliche Schlitze im Herzbeutel entsprachen. Weder am Herzen noch in den Lungen aber wurde eine Rädel entdeckt, doch Waren diese möglicherweise beim Waschen während der Leichenschau fortgespült worden. So ernste Folgen Ivandernder Nadeln sind glücklicherweise selten und oft sind die Folgen ausfallend wilde. Einer der eigenartigsten Fälle aus den Annale», der Medizin ist der eines schottischen Mädchens, die ge- wohnheitsmäßig Nadeln in den Mund nahm und oft bei der Arkvic einschlief, ohne sie herausgenommen zu haben. Einmal hatte sie auf diese Weise fünf Nadeln verschluckt, von denen sie durch Brcch- mittel befreit wurde. Nachdem sie aus dem Krankenhause heim- gekommen war, setzte das Erbrechen fort und von da an entledigre sie sich im Lause eines Monats weiterer 23 Nadeln. Noch immer war die Geschichte nicht zu Ende, denn es traten noch Nadeln auS der linken Rüster, hinter dem linken Ohr, am rechten Vorderarm usw. aus, bis im ganzen 75 Nadeln aus dem Körper wieder zutage gekommen waren, ohne daß sich das MKdchen dabei in besonderer Gefahr befunden hätte. ürtS Buchdr. u. Verlagsanftalt Paul Singer&; Co.. Berlin   S\V.