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Lieschgrasfelder. Es jah aus wie ein roter Stern, der über die Wasser huschte.

Bei Tagesanbruch erlosch die Fackel. Nach zwei Stunden ängstlichen Suchens hatten sie den Leichnam gefunden; er lag noch so, wie der Großvater ihn gesehen, mit dem Kopf im Schlamm, die Füße aus dem Wasser ragend, während die Brust durch die offene Wunde, die wie der Mund eines Kruges aussah, in eine blutige Masse verwandelt war.

Sie fischten ihn mit ihren Dreizacken aus dem Wasser auf. Als der Vater seine Harpune in diese weißliche Masse bohrte und sie mit höchster Kraftanstrengung in die Barke zog, glaubte er, die Spitzen der Waffe in seinem eigenen Fleische zu fühlen.

Dann kam die langsame, ängstliche Fahrt, wo sie wie Berbrecher, die überrascht zu werden fürchten, nach allen Seiten blidten. Die Borda handhabte schluchzend die Ruder­stange am Riel, der Vater half am anderen Ende der Barke, und zwischen diesen beiden starren Gestalten, deren schwarze Schatten sich von dem verschwommenen Lichte der Sternen­nacht abhoben, lag der Leichnam des Selbstmörders.

Sie legten auf den Feldern des Onkel Toni an, auf dem Künstlichen Boden, den sie Schaufel für Schaufel mit der wilden Zähigkeit ihrer Arme geschaffen.

Der Vater und die Borda ergriffen den Leichnam und brachten ihn mit der größten Vorsicht an Land, als handelte es sich um einen armen Kranken, den man zu wecken fürchtefe. Dann begannen sie mit ihren Werkzeugen unermüdlich ein Grab zu schaufeln. Vor einer Woche hatten sie von allen Enden des Sces die Erde nach diesem Ort gebracht und warfen sie nun auf, um darin die Schande der Familie zu verbergen.

Der Tag graute, als sie den Leichnam aufnahmen, um ihn in die Grube zu legen, in die von allen Seiten das Wasser hineinfickerte. Ein bläuliches Licht stieg über der Albufera auf und verlieh ihrer Oberfläche den harten Refler des Stahls. In dem grauen Raume schossen in Dreiecken die ersten Vögelschwärme vorüber.

Der Onkel Toni betrachtete zum letzten Male feinen Sohn. Dann wandte er den Kopf fort, als schäme er sich der Tränen, die endlich aus seinen harten Augen flossen.

Sein Leben war zu Ende. So lange Jahre hatte er gegen den See gekämpft und sich eingebildet, ein Vermögen zu schaffen, während er doch nur, ohne es zu ahnen, das Grab für seinen Sohn grub.

Er stampfte mit dem Fuß auf die Erde, die den Sinn feines Lebens enthielt. Zuerst hatte er ihr seinen Schweiß, feine Kraft; seine Hoffnung gespendet, und in dieser Stunde, im Augenblick, wo er sich ihrer erfreuen sollte, legte er das Kostbarste, was er besaß, seinen Sohn, seinen Nachfolger, feine Zukunft darin nieder- und sein Wert war beendet.

Die Erde würde ihre Mission erfüllen; die Ernte würde wie ein Garbenmeer wachsen, die gleichsam aus Tonets Brust herausragte; aber er,... was blieb ihm auf dieser Welt noch zu tun übrig? 30

Die Tränen floffen aus seinen Augen, während er an die Leere feines Lebens, an die Einsamkeit dachte, die ihn bis an seinen Tod erwartete. Flach, eintönig und endlos lag das Leben vor ihm, wie dieser See, der vor seinen Augen glänzte, ohne daß eine Barke den glatten Spiegel seiner Oberfläche

trübte.

Während die Klage des Onkel Toni sich vernehmen ließ und wie ein Verzweiflungsschrei die Stille des anbrechenden Tages zerriß, neigte sich die Borda, als fie fah, daß der Vater den Rücken gewendet hatte, über den Rand des Grabes, drückte auf den armen, fahlen Kopf einen glühenden Ruß tiefer Leidenschaft, hoffnungsloser Liebe und wagte vor dem Ge­heimnis des Todes zum ersten Male, das Geheimnis ihres ganzen Lebens zu enthüllen.

( Nachdruck verboten.)

trodnen die schweißigen Köpfe. Da fie fich nicht entschließen fönnen, Platz zu nehmen, drängen sie sich im Durchgang, während fie schüchtern an die Adresse der jungen Baffagiere murmeln: ,, Gott   sei Dant Gott   gebe Jhnen Dant' Ihnen Jetzt versäumen wir wohl nicht mehr Gerade zur

schön

rechten Zeit..."

Das higige, junge Studentchen fann sich nicht länger zurüc halten: " Ihr seht doch? 1 Oder fei Ihr blind? Seht Ihr nicht, daß dieser Waggon befezt ist? Wo wollt Ihr denn bleiben?"

Wir bleiben draußen... wenn nur unsere Sachen..." Und plöglich ruft der Bauer, welcher soeben gesprochen hat, indem er seine Gefährten zum Waggon hinausstößt, aus vollem Halse: wir zu figen, wenn nur unsere Sachen Kinder! Alle raus! Hier ruhen die Herren! Was brauchen

Kaum sind sie draußen auf der Plattform, als einer von ihnen boshaft lächelnd bemerkt:

Na. die sind aber gehörig im Tran!" ,, Was ist dabei?!... Sind eben Studenten! dürfen das... Aber wir? Unwissend.. Von ihnen verlangt man auch mehr..." Das ist sicher

Herren

" 1

Gelehrte

A

Auf die Plattform steigt der aufgeregte Schaffner in Begleitung des jungen Studentchens. Das Studentchen zeigt beleidigt auf die

Bauern:

"

Da!"

Der Schaffner packt einen am Aermel und stößt ihn in den Waggon hinein, indem er den anderen mit dem Kopf ein Zeichen gibt, ihm zu folgen. Wo find Eure Sachen? Vorwärts! Nehmt sie und raus!

Schnell!" selaffe...?"

-

Wo sollen wir denn hin? Wir haben doch Billetts dritter Man fagt Euch: Marsch...!"

Die Bauern schleppen eilig ihre Säcke aus dem Waggon auf den Bahnsteig.

,, Kinder, in jenen Waggon flettern 1" kommandiert Pantelä aufgeregt.

Die Bauern stürzen sich auf den nächsten Wagen III. Klasse. Wohin friechst Du, Tölpel?!" reißt den ersten der Schaffner zurüd. Siehst Du nicht, daß in diesem Waggon anständiges Bublifum figt? Marfch in den letzten Wagen 1"

Jetzt ertönt das dritte Glockenzeichen. Los! Schnell in den letzten Wagen!!!"

der Lokomotive und der Zug setzt sich langsam, wie schleichend Gin furzer Pfiff des Zugführers, ein gedehntes, heiseres Pfeifen in Bewegung.

-

Kinder! Der Zug geht ab! Rein, wo jeder Platz findet!" brüllt verzweifelt der verrücktgewordene Pantelä, indem er sich an den Griff eines Waggons I. Klasse klammert.

Der Zugführer stößt ihn herunter. Schafskopf! Fährst I. klasse?!"

bemüht, sich am letzten Waggon anzullammern. Die Fahrgeschwindig Die Bauern laufen in panischem Schrecken ans Ende des Zuges, feit wird merklich größer. Der Zugführer schreit, heftig geftitulierend, jemand auf der Station zu:

|

Laßt doch die Bauern mit den Bündeln nicht aufspringen Sie tommen ja zu Schaden!"

Der Zug jagt, gleichfam böfe, davon. Der letzte Waggon, bollgepfropft mit gewöhnlichem Publikum", saust an den zurüd gehaltenen Bauern vorüber. Blaß, schweigend, mit niedergeschlagenen Menen blicken sie dem davoneilenden Zuge nach. Ein schwachsichtiges, gebrechliches Bäuerlein mit einem von tiefen Runzeln durchzogenen Gine Minute später machen sie mit den Mügen in der Hand vor Geficht wendet sich zur Seite und vergießt Tränen des Aergers. dem Stationsvorsteher tiefe Bücklinge:

"

"

Ew. Hochwohlgeboren! Seien Sie so... Geruhen Sie..." Na, wohin reist Ihr?"

Nach Moskau  ."

müßt bis morgen warten. Ihr seid acht Mann?" " Dann habt Jhr's versäumt. Euer Zug ist eben abgegangen.... müßt bis morgen warten. Ihr seid acht Mann?"

V

Zu Befehl, Ew, Hochwohlgeboren, acht Mann..

Beigt mal die Billetts!"

" Hier, Ew. Hochwohlge

"

Morgen gelten diese Billetts nicht mehr."

Ew. Hochwohlgeb

Der Stationsvorsteher geht weiter, ohne ettvas zu ertvidern. Nachdem sie ihr Gepäck auf den Bahnsteig gelegt haben, blicken fie einander niedergeschlagen an.

Versäumt... Vor der Nase weggefahren.

Was macht Ihr Euch hier mitten auf dem Bahnsteig breit?!

Adliges Blut- nichtadliges Blut. Den Bahnsteig frei!" brüllt der Gendarmerieunteroffizier. Seib

Bon W. Nikandrowitsch. Deutsch von Dr. Josephsohn.

( Schuß.)

Die gefchäftigen Bauern merken nicht den Eindruck, den ihr Er­heinen auf die jungen Leute hervorruft. Sie fühlen sich voll­tommen glücklich.... Vorsichtig, um niemand zu stoßen, schieben fie ihre Bagage unter die Bänke, nehmen die Mützen ab und

-

Ihr doch zurückgeblieben? Ich habe Euch Schafstöpfen ja gefagt: Die zweite Glocke macht schnell!" Nein, solche Schafstöpfe!" Jm Wartesaal dritter Klasse finden die Bauern eine fich lebhaft unterhaltende Gesellschaft Stationsbeamte und Stredenarbeiter mit ihrem Führer. Die Gesellschaft hört voll Interesse, wenn auch nicht ohne Spott, das Schicksal der zurückgebliebenen Bauern und ergeht sich in fritischen Bemerkungen über Eisenbahnfahrten und reifendes Publikum.