Da wahnt das Aug', es sähe groß und klarDen Geist des Alls durch Erd' und Hirwncl wandeln;Aufatmend spricht das Herz: Ich bin getrost;Fest ruht fortan mein Fühlen und mein Handeln."Aber oft währte die Klarheit nicht von einem Sonntagzum andern, manchmal nicht von einer Minute zur andern.stellt ein Glas voll reinsten Ouellwassers hin. das durch-{ichtiger ist als Kristall— mit jeder Stunde schwindet vonelbst seine Klarheit dahin. Hängt einen Spiegel auf so reinund eben, wie ihr ihn finden mögt— in wenig StundenWird er sich triiben vom Anhauch des Lebens.„Gewißheit— schöner Wahn des AugenblickslBald wieder wird der alte Zweifel nagen;Der feste Boden weicht— dir schwindelt— weitFns öde Meer hinaus wirst du verschlagen.Dem Schiffer gleich fährst du auf hohem MeerIn Nacht und Sturm durch lange, düstre JahrenBis endlich deinem Futz das Schicksal gönnt,Daß er der Heimat festen Grund gewahre.Doch kurz ist deine Rast! Von neuem blähtDer Wind am hohen Mast die weihen Linnen-' Kaum hast du noch des Ufers Sand geküht,So jagt des Zweifels Qual dich neu von hinnen.�(Fortsetzung folgt.)lNachdruck verboten.)Zwei Großfinanziersdes zwölften jfahrhunderts.Robert DavidsohnS„Geschichte von Florenz" versprichtein Werk von solcher erschöpfender Gründlichkeit und so all-umfassendem Aufbau zu werden, wie es sonst unter allen Städtender Welt höchstens noch Rom aufzuiveisen haben dürfte. Der indiesen Tagen bei E. S. Mittler u. Sohn erscheinende zweite Teildes zweiten Bandes führt uns nun bis an die Schwelle jener grohenklassischen Zeit der Arno-Stadt, da Dante ihr Bild und ihre Be-wohner in den ewigen Terzinen seines Gedichts für die Unsterblich-kcit festhielt und da die ersten großen Kunstwerke der Stadt ent-standen, die noch heute vor uns stehen und unser Entzücken bilden.Für den Historiker tritt aber auch in den Vordergrund, was derDichter nur mit eifervollen Worten streift: er mutz die tief-greifende Umformung der sozialen Verhältnisse aufzeigen, die sichin dem zunehmenden Reichtum und der großen Ueppigkeitäußerten. Davidsohn hat in diesem Teile neben der lebendigreichen Schilderung der Kämpfe und Persönlichkeiten vorallem der Entstehung eines Phänomens seine Aufmerksamkeit zugewandt, das als charakteristisches Merkmal an der Pforte dermodernen Zeit steht I Er erzählt die Geburt de? K a p i t a l i S-muS. Er verfolgt die allmähliche Herausbildung einer weit-reichenden Geldwirtschaft in ihren komplizierten Einrichtungen undentwirft zugleich anschauliche Bilder von den kulturellen Produktendieser„Maienblüte" des Kapitalismus. Merkwürdige Abenteurer-gestalten, Glücksritter, die nicht mehr mit Schwert und Schild,sondern mit Spekulationen und geschickten Geldgeschäften FrauFortuna für sich zu gewinnen wissen, Fiuanzleute, die schon etwasvom Hochstapler haben, beginnen nun aufzutreten, erste Vorläuferzugleich unserer modernen Bankiers. Wir geben in folgendem einenAbschnitt wieder, in dem Davidsohn ein solches Brüderpaar, diemächtigen Franzesi, die zu den eigentümlichsten Erscheinungen ihrerbewegten Zeit gehörten, in ihrem schwellen Emporsteigen dar-stellt, dem freilich ein jäheS Abblühen ihrer finanziellen unpolitischenMacht folgte.Die Franzesi stammten aus der Gegend von Figline. IhrGeburtsort war das zur Grafschaft Florenz gehörige, etwa 6 Kilo-meter südlich Figlines gelegene Piano di Val d'Arno; ihr Vater,der Ritter Guido Franzesi, war ein kleiner Feudalherr gewesen, derm den Zeiten Friedrichs von Antiochien in jener von fortwährendenKämpfen durchtobten Gegend bis zuletzt auf feiten der kaiserlichenPartei gestanden hatte, während die Söhne nachmals aus lieber-zeugung und vor allem von Geschäfts wegen entschiedene Guelfenwurden. Vielleicht war der Ritter Guido ein Lehnsmann der injener Landschaft mächtigen Ubertini; bedeutende Mittel können dieBrüder jedenfalls nicht mitgeuomnien haben, als fie von ihremväterlichen Turm über den Arno als rechte Ritter der Fortuna nachFrankreich wanderten. Der eigentliche Name des einen war Ciampolo(Giovanni Paolo), der des andern Albizzo. Albizzo war in Italienzu Biccio, in Frankreich zu Bichi geworden, während der Ursprung desBeinamens Musciatto für uns nicht mehr anfzuklären ist. In demLande Philipps des Schönen wurde aus dem Musciatto ein„Mouchet" oder„Manch", und aus dem Glücksritter ein Messire oderMonseigneur. Biche stieg zu einem eigentlichen Hofamt empor, in«dem er den Ehrentitel eines»Panetier du Roi de France" erhielt.eine Würde, die ihn als Grotzhofbäcker etlra dem Obertruchsetz oderObermundschenk gleichstellte. Musciatto begnügte fich mit dem Titeleines„Valet" des französischen und eines Familiären des fizilischenKönigs, aber er war zweifellos die Seele und eigentliche Triebkraftder Geschäfte, und auch in den Staatsangelegenheiten trat er ammeisten hervor. Der Florentiner Bankier bewährte seine ritter-liche Abstammung, als er an der Seite des Prinzen Karl, des Bruder?des Königs. 1297, während die Hauptmacht Philipps die Stadt Lillebelagerte, eine Heercsabteilung befehligte, der die Aufgabe zufiel,das nördliche Flandern zu erobern, sowie fünf Jahre spater, als erin der Heimat das Amt eines GeneralkapitänS der toskanischen Ligaübernahm. Die Finanzleute größeren Zuschnittes haben zu allenZeiten danach gestrebt, bei den politischen Kabalen die Hand imSpiele zu haben und aus ihrer Kenntnis Vorteil zu ziehen. Auchlange vor dem Zeitalter der Börsenoperationen verstanden fie aussolcher Doppelstellung neben der Befriedigung des Ehrgeizes manchenansehnlichen baren Gewinn zu ziehen; freilich lassen fich derartigebevorzugte Positionen gewöhnlich nicht lange behaupten, und der ge-sicherte Besitz gedeiht besser im Halbschatten als in der Sonne derKönigsgunst.Vor der Zeit Philipps des Schönen werden die„Franzesi" oder„Guidi" nicht genannt; erst seit dessen Regierungsbeginn erscheintihr Name in den Abrechnungen der königlichen Finanzverwaltung,anfangs seltener, dann immer häufiger und schließlich in durchausherrschender Stellung unter den fremden und einheimischen Bankiers,die des Königs Geschäfte besorgten. Die Franzesi dienten alsRecsvsurs(Steuereinnehmer) wichtiger Gebiete; autzerordentlichgroße Summen, die der König den Klöstern und den Juden auf-erlegte, gingen durch ihre Hände; wir erfahren gelegentlich von einerJudensteuer in Höhe von 215<XK) Livres de Tours, von einer Ein-nähme aus den Cisterciensenklöstern von 65(XX) LivreS und dieseBeträge belaufen sich auf über 4>/z Millionen Franks modernenGeldes. Sie streckten überdies Geld zur Kriegsführung vor. undMusciatto hatte sogar die Ehre, am Parlament des Königs teil-zunehmen. Von ihrer Bedeutung innerhalb der Verwaltung Philippsdes Schönen gibt der Umstand einen Begriff, daß noch ein halbesJahrhundert später ein Turm des Louvre, der ihnen wohl zur Auf-bewahrung von Geldern angewiesen war, den Namen„Tour Biche-Mouche" führte. Der Haß und Hohn, den sie erregten, spiegelt sichin Versen wieder, die ein französischer Chronist ihrerzeit niederschrieb,aber gerade solche Aeutzerungen bezeugen die alles ae-wohnte überragende Stellung, die sie fich geschaffenhatten. In Flandern übten sie vor dem französischen Kriegedurch ihre geschäftlichen Verbindungen mit dem gräflichen Herrscherdes Landes ebenfalls bedeutenden Einflutz; den Herzog von Brabantsah man, als sich Musciatto 1296 bei ihm in Louvain aufhielt, inGewändern einhergehen, die ihm der Florentiner, es scheint inseinen eigenen Farben, geschenkt hatte. Durch ihre nahen Be-Ziehungen zum König von Frankreich kamen die Franzesi in ebensolche zu seinem Verwandten, dem gcldbedürftigen Karl II. vonSizilien; vermittelst dieser wiederum wurden sie zu Depositaren(Verwaltern) des für die Rückeroberung der Insel ausgeschriebenenKirchenzehnten, und auf solchem Wege gelangten sie zu der Stellungpäpstlicher Bankiers, ohne daß sie indes jemals eigentliche Kammer-kaufleute wurden.Ihre geschäftliche Karriere war der aller ihrer Landsleute undGeschäftsgenossen entgegengesetzt; war für diese die Heimat stets derAusgangs- und Mittelpunkt aller Unternehmungen, so unterhieltenfie in Florenz überhaupt kein Geschäft; die Leitung ihrer Unter-nehmungen erfolgte von Paris aus, wo das Haus„MonseigneurBiche und Mouche" in der noch bestehenden Rue de Bonrdonnaislag; bildete für die anderen die Stellung zur Kurie den maß»gebenden Faktor, so waren die Franzesi unabhängig von ihr zueiner führenden Finanzmacht ihrer Zeit geworden. Als sie indes mitder päpstlichen Kammer in Verbindung getreten waren, gewannensie, gestützt auf die Gunst des mächtigen Königs, eine über-ragende Stellung auch in deren Finanzoperationen und zu-gleich bewucherten sie die großen französische» Klöster und dieBischöfe des Landes. Papst Bonifaz VIII. fand zu tadeln, daß dereinäugige Biche„viele ungeheuerliche, ihm stark mißfallende Dinge"verübt habe, während er, wie er sich ausdrückte, von Musciatto undNiccolo(dem dritten Bruder) nur Gutes höre; wir kennen die Un-geheuerlichkeiten nicht, die ihm zur Last fielen, aber es wird sichwohl um nicht Geringes gehandelt haben, da Bonifaz und seine Um-gebung nicht gerade unter moralischer Ueberempfindlichkeit litten.Auch fällt der Vorwurf um so stärker ins Gewicht. weilihm die Brüder kurz zuvor eine besondere Aufmerksanikeiterwiesen hatten, indem sie in ihrer toskanischen Heimat ein Nonnen-kloster zu Ehren seines NamenSheiligcn Sankt Bonifaz errichteten.Geschäftliche Moral kam bei jenem Tadel nicht in Frage, sondernpersönliche, denn was jene anlangt, so ergoß Bonifaz die Schaleversönlichen, väterlichen Wohlwollens über das Haupt jener Bankiers;er erklärte ihnen, er wisse wohl, daß sie sich viele Güter von Kirchenwie von Privatpersonen durch Wucher angeeignet hätten, daß einanderer Teil ihrer Habe aus unerlaubten und unredlichen Verträgenherrühre, aber gütig erwägend, daß sie dies offen bekannt und so-mit ihr Gewissen ausreichend entlastet hätten, ordnete er an, daß siealles in solcher Art Erworbene auf Grund der Autorität des apofto-tischen Stuhles ungestört als erlaubten Besitz behalten dürften, undernannte alle drei Brüder zugleich zu Regenten der dem päpstlichenStuhle gehörigen südkcanzösischen Grafschaft Venaissin(des Gebietesvon Aviqnon).