Das Haupt war rund und erschien noch runder durch dieschwere Haarfülle, die dichtgetämmt in einem vollen Knotenmitten ini Nacken lose gesammelt war. Am Gesicht warnamentlich der untere Teil mit seinem kurzen kräftigenKatzengebiß stark entwickelt. Die Lippen spannten sich wiezwei reife Trauben, und die Scheidelinie zwischen ihrerKorallenfarbe und dem Kolorit des Gesichts war mit un-gewöhnlicher Schärfe gezogen. Die kurze, schwachgebogeneNase hatte rokokoartig geschwungene Flügel. Nur die Brauenwaren scharf gemeißelt, fest wie die Linien des Mundes, undbeschatteten die langbewimperten Augen mit den tiefen, fieber-glänzenden Pupillen.Es war in diesem Ausdruck etwas, was an die Weibergewisser Beduinenstämme weit unten am Wüstenrande er-innerte, Weiber, die den Griechen vielleicht ihre Vor-stellungen von Amazonen inspiriert hatten.Alles in diesem Antlitz war ein Fordern— ein Begehrnach Liebe. Nicht raffiniert, nein urfrisch, nur ungestüm.Diese Lippen redeten die Sprache des Blutes, aber bewußtund mit der ungescheuten Offenheit der Natur, wie die Brunstder Hirsche und das Spiel der Schinetterlinge. Dieser Blickkonnte nicht bitten, sich nicht in bebender Unterwerfung senken:er forderte auf Männerart und nahm selbst, was ihn reizte.Diese Augen konnten unwiderstehlich locken, ganz hinaus indas Weite und Wilde, aber wie eine Drohung lauerte in ihnenein tödlicher Ernst. Wehe dem, der betrog, oder garder Forderung nicht nachkam, sich dem Begehren zu schwach er-wiesl Dies Weib konnte töten, konnte morden durch ihrebloße Begier. Sie konnte einen Mann in ihren Armen tot-pressen. � ä-...(Fortsetzung folgt.)]Das Jubiläum des deutfebenPorzellans*Zur Erfindung des Porzellans vor 200 Jahren(Juli 1708)].■-Von Hermann W iegand- Berlin.In den ersten Tagen des Oktobermonats 1701 befand sich inder Haupt- und Residenzstadt Berlin des neugebackenen KönigsFriedrich l. von Preußen Hoch und Niedrig in nicht geringer Auf.regung. Ein erst sechzehnjähriger Apothekerlehrling namensBöttger, der im Jahre 1096 in die Zornsche Apotheke an der Eckedes Molkenmarktes und der Spandauerstratze eingetreten war, sollte— so munkelte man— das von tausend Adepten und Alchemistenheiß umworbene Problem gelöst haben, Blei und Silber in Goldzu verwandeln. Wie ein Lauffeuer ging die Kunde durch dieStadt. In den Trinkstuben sprach man von nichts anderem undauch am luxuriösen Hofe des Königs, an dem man Ströme vonGold recht gut hätte brauchen können, begann man sich so gewaltigfür den jungen Hexenmeister zu interessieren, daß dieser es aufAnraten guter Freunde schon toenige Wochen darauf für geratenfand, bei Nacht und Nebel aus Berlin zu verschwinden und nachkurzem Aufenthalt in Schöneberg über die sächsische Grenze zuflüchten. Schon am nächsten Morgen nach dem Bekanntwerden seinerFlucht klebten an den Berliner Straßenecken amtliche Bekannt-machungen, die demjenigen, der Böttger zurückbringe, eine Be-lohnung von 1000 Taler versprachen. Böttger hingegen stellte sichunter den Schutz König Augusts des Starken, der nichts Eiligereszu tun hatte, als den seltenen Vogel bei guter Atzung in den Käfigzu stecken, und das oft wiederholte Auslieferungsbcgehren KönigFriedrichs mit dem Einwände abwies, daß Böttger sein Unter-tan sei.Der Jüngling, der der Welt das ergötzliche Schauspiel der»schaffte, daß seinetwegen sich zwei Könige mehrere Jahre langstritten, hat dadurch, daß er 1708 das bis dahin nur den Chinesenund Japanern bekannte Geheimnis der Porzellanfabrikation ent-schleierte, der Menschheit etwas Besseres gegeben als oie Kunst,Gold zu machen. Sein Berliner Debüt als Alchemist ist jedoch fürseine spätere Erfinderiätigkeit von so großer Bedeutung, daß esin einer Skizze über die Erfindung des Porzellans nicht gänzlichübergangen werden darf.Seine vom Vater ererbte chemische Veranlagung machte ihnschon als Knaben zu einem geschickten Experimentator und brachteihn in Berührung mit bekannten Alchemisten wie Struve und EberS,besonders aber mit einem griechischen Mönch, namens Lascaris,der ihm in einem Fläschchen so viel des„roten Leu" gegeben habensoll, um damit 80 000 Speziestaler in Gold zu verwandeln. EinesTages erklärte er seinem Prinzipal, daß er vor einwandsfreienZeugen eine Probe seiner Goldmacherkunst ablegen wolle. Der inGegenwart des Zornfchen Ehepaares, des Predigers Johann Porstigus Malchow und des Konsiftorialrats Winkler aus Magdeburg amAbend des 1. Oktober 1701 vorgenommene Versuch verlief nach derSchilderung Karl August Engelhardts, der die handschriftlichen Auf»Zeichnungen von Porst und Schräder benutzt hat. wie folgt:„Böttgerläßt sofort in den großen Saal des mittleren Stockwerks einenWindofen bringen, setzt den Schmelztiegel darauf und verlangtMetall zum Einwerfen. Der Konsistorialrat Winkler wirft 18 Zwei-groschenstücke, vier Lot an Silber selbst in den Tiegel und schürtund bläst auch selbst das Feuer an, welches heftig sein mußte, wenndie Münzen schmelzen sollten. Böttger darf aber letztere nicht an»rühren, auch dem Kamine und Windofen nicht nahe kommen. Alsdie Zweigroschenstücke flüssig find, zieht Böttger ein rotes durch.sichtiges Glas aus der Tasche, nimmt von dem Pulver darin einePrise, nicht größer als zwei Senfkörner und bittet den Pastor Porst,sie in ein Papier zu wickeln, dann in den Schmelztiegel zu werfenund diesen zuzudecken. Gesagt, getan I Nachdem die Masse gehörigfließt, wird der Tiegel geöffnet und— das feinste Gold heraus-gegossen. Eingedenk des Spruches, daß, die da reich werden wollen,in Versuchung und Stricke fallen, vermahnten nun die durch„Er-blickung dieses erstaunlichen Experiments" nicht wenig überraschtenZeugen den jungen Menschen, sich wohl vorzusehen, daß ihm dieSache nicht gereichen möchte zu einem Strick, der ihn in großesVerderben ziehe."Böttger ist nach seiner Flucht aus Berlin seines Lebens niemehr recht froh geworden. Sein Ruf, das große Geheimnis zuwissen, wurde ihm zum Fluche, der sich wie ein Bleigewicht an seineFüße hing und ihm die Freiheit raubte. Da man der Ansicht war,daß der prachtliebcnde, durch seinen Kinderreichtum sprichwörtlichgewordene, starke August einen Goldmacher sehr gut brauchen könne,wurde er von Wittenberg nach Dresden gebracht, wo ihm FürstEgon von Fürstenberg ein Laboratorium einrichtete. Nachdem er1704 einen vergeblichen Fluchtversuch nach Wien unternommen,wußte er durch eine mit großem Geschick abgefaßte Schrift vollalchemistischer Narrheiten den König so zu betören, daß dieser ihmzur Fortsetzung seiner Versuche erhebliche Summen überwies, wobeier ihn aber unter die Kontrolle des um die sächsische Glasindustrieverdienten Naturforschers Walter von Tschirnhausen stellte, dersich seit Jahren darum bemühte, hinter das Geheimnis der chinc-fischen Porzellanfabrikation zu kommen.Drei Jahre lang wartete der König vergeblich mit steigendemIngrimm auf das erste künstliche Gold, das ihm sein gerissenerAdept vorlegen würde, und sandte ihm im Oktober 1707 die nichtmißzuverstehende Drohung:„Tu mir zu Recht, Böttger, sonst lasseich Dich hängen." Das heiß ersehnte gelbe Metall konnte nunzwar der unselige Erfinder nicht liefern, er warf sich dafür abermit allem Eifer auf die technischen Verfahren der Tonwaren-industrie, in denen sein Gefangenenaufteher Tschirnhausen ihmmanche Winke geben konnte, und versuchte sich in der FabrikationDeister Kacheln, mit denen der König sein Schloß und den Schloß-türm in Dresden auslegen lassen wollte. Bei diesen Versuchen, dieer(wie seit Jahren) in strengster Klausur, immer von Wachen um.geben, auf der Venusbastei in Dresden, der heutigen BrühlschenTerrasse, ausführte, kam er schrittweise auf die richtigen Spuren,die ihn zur Fabrikation des echten weißen Porzellans führten. Schonim November 1707 konnte der mit Hängen Bedrohte, der Tag undNacht mit zahlreichen Gesellen im Laboratorium tätig war, demKönig Porzellangefchirre von roter Farbe überreichen, die auseinem in der Gegend von Meißen gefundenen roten Ton angefertigtwaren.Zur Herstellung des weißen Porzellans gelangte Böttger erstim Sommer, wie es scheint im Juli 1708, als ihm die weiße Ton.erde von Aue bei Schneeberg in die Hände gekommen war. Auchhier scheint wie bei den Experimenten mit den Deister Kachelnein Zufall dem Erfinder zu Hilfe gekommen zu sein. Wie alleLeute von Stand aus der Zeit des Rokoko trug auch Böttger eineweiß gepuderte Perücke. Eines Tages fiel ihm die Schwere desvon ihm benutzten Puders auf, der, wie er feststellte, kein Mehl,sondern fein geschlämmte Tonerde war, die ein findiger Hammer-fchmied namens Johann Schnorr in Aue an den Hufen seinerZugpferde entdeckt hatte und mit großem Nutzen statt Weizenmehl-Puders nach Dresden verkaufte. Sein Versuch, diese Tonerde aufPorzellan zu verarbeiten, glückte über alle Erwartung und schonnach einigen Monaten(der mit Kalkbrei versetzte Tonbrei mutz,nachdem er die erforderlichen Zusätze von fein gemahlenem Quarzund Feldspat erhalten hat und abgepreßt ist, in Ballen mehrereMonate rotten oder gären] konnte Böttger dem Hofe die erstenweißen Porzellangefäße abliefern.Aus einem Goldmacher war der erste PorzellanfabrikantEuropas geworden, wie Böttger selber mit grimmigem Humor be-merkte, als er über der Pforte zu seiner Versuchsanstalt die In-schrift anbringen ließ:Es machte Gott, der große Schöpfer,Aus einem Goldmacher einen Töpfer.Das rotbraune Porzellan, das man zu Täßchen geformt inDresdner Kreisen damals als„Kapuzinerchen" bezeichnete, warüberholt; denn schon auf der Leipziger Ostermcsser von 1709 er-fchien, wenn auch in geringen Mengen, weißes Porzellan. AuchKönig August war zufrieden, weil er, so lange er den Meister inseinen Händen hatte, hoffen konnte, aus der Porzcllanfabrikationnamhafte Gewinne zu ziehen. Gerade.er war auch wie kaum ein