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römischen Enzyklopädisten Plinius   dem Aelteren, der vom Jahre 23 bis zum Jahre 79 nach Christus gelebt, Germanien   besucht und in seiner Natur geschichte" überliefert hat, daß die Germanen Hafer zur Be­reitung von Brei anbauten.

Bon Wichtigkeit ist es ferner, daß Cäsar das germanische Ge-| Germanen finden wir folgswesen in vollkommener Ausbildung vorfand. Stapitel 23 des 6. Buches berichtet: Straßenraub entehrt nicht, nur muß er außerhalb der Grenzen geschehen. Nach ihrer Ansicht ist er ein Mittel, junge Leute zu beschäftigen und vom Müßiggang abzuhalten. Macht daher ein Edler in den Volksversammlungen bekannt, er wolle einen Streif­Bug ausführen, wer Luft hierzu hätte, möge fich erklären, so stehen alle auf, denen das Unternehmen und der Anführer gefällt, sagen ihren Beistand zu und erhalten noch vom Volte vieles Lob."

Aus denselben Verhältnissen wirtschaftlichen Unfleißes und wirtschaftlicher Not erklären sich die germanischen Auswanderungen. Jm 31. Kapitel des 1. Buches gibt Cäsar Nachricht über die zahl­reichen Auswanderungen germanischer Rotten in das reichere, wirt­schaftlich höher entwidelte*) Nachbarland Gallien  . Cäsar läßt einen gallischen Fürsten  , den Aeduer Divitiacus, in jenem Kapitel sprechen:

Zwei Parteien gäbe es bei den Galliern, an deren Spize die Aeduer und die Arverner ständen. Nach einem langen und schweren Kriege zwischen beiden Teilen um die Oberherrschaft wären germanische Söldner von den Arvernern und den Sequanern angenommen worden. Anfänglich seien ihrer nur fünfzehntausend Mann über den Rhein   gekommen; nachdem aber diese rohen und wilde Leute an Galliens   Fluren, Erzeugnissen und Lebensart ein Behagen gefunden hätten, so wären noch mehrere gefolgt. Jezt belaufe sich ihre Anzahl in Gallien   auf hundert und wanzigtausend Mann.... Allein der Erfolg wäre für die siegenden Sequaner schlimmer ausgefallen als für die besiegten Aeduer: denn der Germanenkönig Ariovistus   hätte sich in ihrem Gebiete festgesetzt und den dritten Teil des Landes, des besten von ganz Gallien  , weggenommen, und nun sollten die Sequaner auch noch das zweite Dritteil den Harudern zur Wohnung und zum Aufenthalte einräumen, die vierundzwanzig tausend Mann start vor einigen Monaten zu ihm gestoßen wären. In kurzer Zeit würden sie somit insgesamt aus Gallien   gejagt werden und alle Germanen über den Rhein  kommen, denn weder Boden noch Lebensweise in Germanien   käme der gallischen gleich. Ariovistus aber herrsche seit dem Hauptsiege über die gallische Macht, den er bei Magetobria erfochten habe, mit Uebermut und Grausamkeit, er verlange die Kinder des ersten Adels zu Geiseln und übe alle Arten von Härte und Grausamkeit gegen sie aus, wenn nicht alles nach seinem Wink und Willen ge­schähe. Er sei ein Barbar, ein jähzorniger, tollkühner Mann: man fönne nicht länger seine Herrschaft ertragen."

Was entnehmen wir aus diesen Ueberlieferungen? Die Germanen waren zur Zeit Cäsars, also um die Mitte des ersten Jahrhunderts vor Chriftus, friegerische Nomaden. Sie trieben die Viehzucht in rohem Stil; in ber schwindendem Maße, mehr an der Grenze, weniger im Binnenlande, primitiven Feldbau. Mit der Zunahme der Bevölkerung verengte sich der Nahrungsspielraum der Germanen; große Boltsteile verließen, teils aue Not, teils aus Lust am kriege­rischen Abenteuer, ihre Heimat und bewegten sich gegen Die Grenzen Galliens   und des römischen Reiches. Das Eindringen der Sueven unter Ariovist war nicht das erste Ereignis dieser Art; die italienischen Züge der Cimbern und Teutonen zur Zeit des Marius   und des Sulla hatten sich aus ähnlichen Verhältnissen er­Klärt. Die Nahrung der Germanen war zur Zeit des Cäsar zum allergrößten Teile animalisch.

Wie sich in der Zeit zwischen Cäsars Rheinübergängen und den großen germanischen Kolonialkriegen des kaiserlichen Rom  die wirtschaftlichen Verhältnisse der Germanen gewandelt hatten, das erweist jene einzigartige ethnographische Studie des römischen Geschichtsschreibers Cornelius Tacitus  , der vom Jahre 55 bis mindestens zum Jahre 117 nach Christus gelebt hat: die Gers mania", die ungefähr ums Jahr 100 veröffentlicht worden ist

Kälte- Induftrie.

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Anläßlich des internationalen Kongresses für Kälteindustrie, der sich in diesen Tagen in der Pariser   Sorbonne versammelte, teilt Henry de Varigny im" Temps" interessante Daten über die Ent­wickelung und die Leistungen der verschiedenen Kühlverfahren mit. Die Kälte spielt in den verschiedensten Industrien eine wichtige was wohl Rolle. Man verwendet sie in den Brauereien wie in den Hochöfen. Am vielen Leuten erstaunlich scheinen wird bedeutendsten aber ist ihre Berwendung für die Konservierung von Nahrungsmitteln geworden. Auf diesem Gebiete hat sich in den lekten Jahrzehnten eine Revolution vollzogen, deren volle Kräfte sich allerdings in einem großen Teil der Kulturwelt noch nicht entfalten konnten. Zum Teil hängt das mit dem Vorturteil des Publikums zusammen, das immer an das gefrorene argen­tinische Fleisch denkt, das mit der Säge oder mit der Hacke zerteilt werden muß und in der Tat von seiner ursprünglichen Qualität berloren hat. Heute handelt es sich nicht um diese primitive Me thode des Gefrierens, sondern um ein bloßes Kühlverfahren, das das Produkt in einer niedrigen Temperatur, aber über dem Ge­frierpunkt erhält. Dank der Verwertung der vervollkommneten Methoden ist Basel   die Fischhalle für Mitteleuropa   ge worden und wird in naher Zukunft auch seine Geflügelhalle werden. Der Fleischkonservierung steht in Europa   Dänemark  voran. Das kleine Land hat 3400 Schlachthäuser mit einem Jahres­produkt von 240 Millionen Kilogramm Fleisch und Speck. Davon liefern 70 große Schlachthäuser allein 210 Millionen und diese 70 find alle mit Kühlvorrichtungen versehen. Das Fleisch geht von da nach einem großen Teil von Europa  , namentlich nach England, das aber auch Fleisch aus Südamerika  , den Vereinigten Staaten  , Australien   und Neuseeland   bezieht. Im Deutschen   Reich besitzen bon 800 Schlachthäusern 350 Kühlanlagen, in Frankreich   nur 4 von 912. Bezeichnend aber ist, daß auf dem Pariser   Markt die aus Amerifa, Deutschland   und der Schweiz   kommenden Lendenstücke den besten Preis erzielen. Die französische transatlantische Com­pagnie ernährt ihre Passagiere mit amerikanischem Fleisch und verwendet das Fleisch, das sie in Havre   fauft, nur für die Mann­schaften. Vermutlich aber wird der Anstoß, den anderen Ländern nachzustreben, in Frankreich   vom Militarismus kommen müssen, der anderswo zur Einrichtung riesiger Kühlkammern für den Kriegsfall geführt hat. Auch für die Verwertung anderer land­wirtschaftlicher Produkte ist das Kühlverfahren von höchstem Wert. Bekannt ist die Rolle, die die dänische Butter und Milch auf dem Weltmarkt spielen. Aber auch Sibirien   ist so auf dem Weg, ein großes Exportland zu werden. Es schickt heute schon 26 Milli. onen Kilo Butter nach England. Man kann sagen, daß der Kampf der nationalen Landwirtschaften auf dem Weltmarkt vielfach durch die bessere Anpassung an die Kühlindustrie entschieden wird. So ist die Mailänder   Butter auf dem türkischen Markt von der Buda­pester vollständig verdrängt worden. Merkwürdig sind die Erfolge des Kühlverfahrens bei der Konservierung von Obst. Die Ameris faner und Engländer sind da voran. Kirschen werden 30 Tage frisch erhalten, Pflaumen, Pfirsiche und Tomaten 60 Tage. Erd­beeren halten 30 Tage aus. Auf dem Londoner   Markt werden die aus Kalifornien   eingeführten den französischen   vorgezogen. Aepfel behalten ihren Duft über ein Jahr. In Frankreich  , das zu den Kapland, aus Australien   und Tasmanien mit hohen Preisen bes zahlt. Es ist übrigens zu bemerken, daß sich das Kühlverfahren beim Obst nicht in allen Ländern mit dem gleichen Erfolg an­wenden läßt. Das Klima des Ursprungslandes ist entscheidend. Früchte aus feuchten Klimaten gehen zugrunde. Schließlich foll noch des Einflusses gedacht werden, den die Einführung des Kühl­berfahrens auf den Fortschritt der Obstkultur gehabt hat, da sich der Export nach fernen Ländern um so besser lohnt, je bessere Qualitäten gezogen werden. Es bedarf wohl keines Hinweises, daß die segensreiche Anwendung technischer Errungenschaften bei der Verwertung landwirtschaftlicher Produkte berufen ist, die wirt­schaftliche Einheit des Menschengeschlechtes herzustellen und eine großartige Organisation der Weltwirtschaft zu ermöglichen. Heute aber hat sie noch in der bornierten, volksauswuchernden argra rischen Klassenpolitik, die um eines angeblichen Schutzes der Land wirtschaft" willen den Reichtum der Erde ungenügt liegen oder verfaulen läßt, ihren schlimmsten Gegner.

Und welches Wirtschaftsrecht spiegelt sich in Cäsars Darstellung? Die gewaltige Masse der Germanen, die zur Beit Cäsars zwischen Alpen   und Nordsee  , Rhein   und Weichsel faßen, bildete kein zusammenhängendes Staatsgebilde; die Germanen gruppierten sich in Völkerschaften, als deren vorzüglichste dem Cäsar die der Sueben entgegentrat. Das Grundeigentum war an die Völkerschaft gebunden, die ihr Gebiet durch wüste Grenzgebiete gegen die germanische Nachbarvölkerschaft abschloß. Von einem privaten Grundeigentum des einzelnen, der Familie, der Sippe war nicht die Rede. Durch ihre Funktionäre berteilte die einzige Grundeigentümerin, die es damals in Germanien   gab, die Völkerschaft, das Land leihweise auf ein Jahr an einzelne Verreichsten Obstländern der Erde gehört, werden Pfirsiche aus dem bände, die auf dem Prinzip der Verwandtschaft aufgebaut waren. Nach Ablauf der einjährigen Nußungsfrist erhielt jeder dieser Verbände ein neues Weidegebiet angewiesen.

Die pädagogische Absicht, die Cafar den Landesobrigkeiten unterschob, bestand in Wirklichkeit nicht; die jährliche Aus­wechselung der Nutzungsflächen ist eine allgemeine natürliche Er­scheinung der Wirtschaftsgeschichte nomadischer Völker; noch am Anfang des 19. Jahrhunderts wurden beispielsweise in Afghanistan  ganz analoge Verhältnisse vorgefunden. Die nächsten Nachrichten über das wirtschaftliche Leben der

*) Ueber den wirtschaftlichen Vorsprung der Gallier bor   ben Germanen schreibt Cäsar z. B. im Kapitel 24 des 6. Buches: den Galliern verschafft... die Nähe der römischen Provinz"( Südwest­frankreich) und ihre Kenntnis der Produkte, die über das Meer tommen, manches zum Ueberflusse..

Berantwort!. Nedakteur: Hans Weber, Berlin.- Drud u. Verlag: Vorwärts Buchdruderei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co..Berlin   SW.

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