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3 ohne Zweifel Uebergänge vom starren in den flüssigen und gas­förmigen Zustand von innen nach außen eintreten. Diese Bor­stellung muß man zugrunde legen, wenn man sich in die Fragen hineindenten will, die mit Bezug auf die Entstehung der Vulkane und Erdbeben aufgeworfen werden. Bleiben wir zunächst bei der Trennung zwischen vulkanischen und tektonischen Erdbeben, so werden die vulkanischen gewöhnlich ebenso erklärt wie eben die Vulkanausbrüche selbst. Von der Erdoberfläche aus fickert dauernd Wasser ins Erdinnere hinein. An manchen Stellen mag es in er­heblicher Menge zu großen Tiefen gelangen und sich dann infolge der dort herrschenden hohen Wärme in Dampf verwandeln. Die Spannung des Dampfes führt dann zu Explosionen, die im Fall des Vorhandenseins einer Oeffnung, also eines vulkanischen Schlotes, unter Umständen sich ohne erhebliche Erschütterung der Erdkruste   vollziehen oder im umgekehrten all fich vielleicht gar nicht bis an die Oberfläche hindurcharbeiten, dafür aber die Erd­fruste gewaltsam erschüttern. Diese Erklärung halt Profesor Etanley für falsch, weil Wasser durch poröse Gesteine nicht in diefer Weise in die Tiefe gezogen wird und weil auch die Tatsache, daß alle tiefen Bergwerke und Bohrlöcher troden sind, dagegen spricht. Ebenso wendet sich Stanley gegen die Ansicht, daß das Schrumpfen des Erdkerns bei der Abkühlung eine wesentliche Ursache von Erd­beben sein könnte. Diese Ansicht stühte sich unter anderem auf eine Berechnung des berühmten Mathematiters Stokes, wonach die Erde in jedem Jahre so viel Wärme verlöre, als zum Schmelzen von 3000 tubiffilometern Eis verbraucht werden würde. In dieser Rechnung hat nun Stanley einen Fehler entdeckt und schätzt danach Sen jährlichen Wärmeverlust der Erde auf einen Betrag, der noch nicht vier Rubikfilometer Sis zu schmelzen imftande märe. Nach bem er diese beiden hauptsächlichen Theorien zu erschüttern versucht hat, erörtert er seine eigene, die wohl auf wissenschaftlichen leber­legungen fußt, aber doch wohl kaum von vielen Fachgenossen an genommen werden wird. Er weist nämlich darauf hin, daß an den Polen  , und ganz besonders am Nordpol  , durch die Aufhäufung der Eismaffen eine starke Beeinflussung des Erdinnern stattfinden muß. Da ein Gleiten des Gises, wie es am Rande des füdpolaren Festlandes beobachtet wird, nur bei einer Neigung des Unter­grundes von wenigstens vier Grad stattfinden tann, müßte die Höhe der Eismaffen am Südpol   gegen 150 Stilometer über dem Meeres Spiegel betragen. Eismaffen von so ungeheurer Dide müßten fich merklich in das Erdinnere hineindrüden, so daß dort von untenher ein dauerndes Abschmelzen erfolgte. Die dadurch entstandenen Wasserströme würden sich vom Südpolargebiet her in innerirdischen Kanälen nach verschiedenen Erdgegenden fortpflanzen und dort ent­weder zum Ausbruch gelangen oder durch die Wirkungen des hoch gespannten Dampfes zu Erderschütterungen Veranlassung geben. Einen solchen Kanal nimmt Stanley 3. B. über das Kap Horn  nach der Westküste von Südamerika   hin an. Gegen diefe an fich sonderbare Hypothese spricht wohl hauptsächlich der Umstand, daß gerade die füdliche Erdhälfte verhältnismäßig wenige Bultane aufweist, und daß die Gebiete mit größter vulkanischer Tätigkeit mit Ausnahme von Südamerika   und Neuseeland   vielmehr in er­heblichen Entfernungen vom Südpol   gelegen sind.

( Nachdruck verboten.)

Im klaffifchen Erdbebenlande.

Eine fizilianisch- kalabrische Reisestizze.

Bon einer gütigen Natur überreich mit einer Fülle landschaft­licher Reize und den Produkten seines subtropischen Klimas ge­fegnet, ist Sizilien  , die lichtumfloffene, in überschwenglicher Frucht­barkeit prangende Insel, soweit die Gefchichte zurückreicht, stets ein Land der tiefen Widersprüche und der hart aneinander gerüdten Gegenfäße gewesen. Seit Jahrtausenden ein Zantapfel der ver­schiedenen, um ihren Befih fämpfenden Rassen, der Phöniker und Serischen Griechen, der Karthager und Römer, der Ostgoten, Sara­zenen, und Normannen, der Deutschen   und Franzosen, unter deren Tritten die letzten Reste der vor wenig mehr als drei Jahrtausenden die Insel beherrschenden fibelischen Urbevölkerung zerrieben wurden, hat das Land, in dem die griechische Schifferfage 3yflopen und Giganten, Lotophagen und das Menschen fressende Riesenvoll der Rästrygonen haufen ließ, nach kurzen Perioden ruhevollen Glüds immer wieder die zermalmende Wucht schwerer Schicksalsschläge an feinem Leibe erfahren. Denn zu der kulturvernichtenden Wut fremder Groberer gesellten fich lange Zeiten empörender Miß­regierung. Und als ob es damit noch nicht genug sei, hat sich auch die Natur hier mehr als anderswo in schneidenden Kontraften ge­fallen. Am Oftrande der Insel, dort wo die Steilfüfte in fühnen, wilden Felsbildungen in das dunkle Blau des jonischen Meeres hinabtaucht, steht Siziliens   Beherrscher, der Aetna  , klar und rein, fich mit seinem gewaltigen Massiv vom Aether abhebend, und nur durch kleine, schwache Rauchwölfchen verratend, daß das glühende Beben in seinem Innern mit furchtbarer Willkür über dem Wohl und Wehe der Bewohner waltet. Und wenn die feurigen Lava­ströme, die schon so oft die blühenden Ortschaften an seinen Hängen berwüstet haben, endlich, wie die Sizilier glauben, durch ihr ins brünstiges Flehen zur Gottesmutter und zur heiligen Agatha zum Stillstand gekommen, bleibt noch der lehte und schredlichste Feind, das Erdbeben, das foeben wieder einmal eine Katastrophe herbei­

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geführt hat, die an Umfang und Schwere alle früheren weit su übertreffen scheint.

Der Dampfer des österreichischen Alohds, auf dem ich vor nicht langer Zeit an der fizilischen Ostküste heraufreiste, hat das wild zerflüftete Promontorium Bachhnum, heute Capo Bassero, um segelt, dessen Namen sprachkundige deutsche Thebaner boll unfreia willigen Humors mit Spaßenkap" übersehen. Shrafus fommt im Nerden in Sicht und über der Penisola della Maddalena, die den Faro   del Gigante( Riefenleuchtturm) trägt, zeigt sich zum ersten Male, umflirrt von den glänzenden Bündeln zitternder Morgen­sonnenstrahlen, im blendenden Schneegewande der Aetna  , an dessen Fuße Kaiser Heinrich VI. starb. Die Gestalten der Grabbeschen Tragödie werden vor dem inneren Auge lebendig. Man vermeint den Sarazenenkrieger Achmet zu hören, der dem Kaiser erklärt: Hoch aus dem Aether blidt er auf die Insel, Umwallt von feiner ew'gen Wolfe Rauche. dieser erwidert:

worauf

an

Wie Ilein find wir, nichts größeres dach als die Natur! Auf jenem Berge muß ich stehen,

Daß er mich trage an des Himmels Höhen!

im Herzen teilen, bleibt diesmal die Erfüllung versagt, die übrigens Uns flüchtigen Zugvögeln aus dem Norden, die den Wunsch weit aweckmäßiger als von der Meerseite des Berges von dem hoch Städtchen Randazzo   ins Werk gesezt wird. Denn nun beginnt die der Ferrovia Circumetnéa( Aetnarundbahn) gelegenen Fahrt dicht an jenem Teil der Küste, wo das Erdbeben vom 28. De gember 1908 fast jedem Orte die schwersten Schäden zugefügt hat. Bis Augusta, wo der Monte Tauro die einzige, nennenswerte Gra hebung ist, und noch weit darüber hinaus bis dicht vor Catania   ist die Gegend noch flach und reizlos und in jenes seltsame, matte Silbergrau gehüllt, das von den Blättern von Millionen von Del­bäumen herrührt. Hinter Catania   aber verändert sich das Bild, mit Steilwänden tritt das bildfame Gestein, oft zu den seltsamsten Gestalten ausgezadt, an die Küfte, um einen ersten Glanzpunkt landschaftlicher Schönheit hinter Aci Reale  , im Bereich der Lavas ströme des Aetna   und bei den Zyklopeninseln zu bilden, wo Theokvit und Ovid   den Mythos von der schönen Nymphe Galatea   und ihrem Geliebten Acis spielen laffen, der von dem abgewiesenen Freier Polyphem erschlagen, von Galatea   aber als befruchtender Bach zu neuem Leben erwedt wird. Dicht dahinter aber, bei Stazzo, Giarre, Riposto   und Fiumefreddo  , die heute zum größten Teil in Trümmern liegen, flacht der Strand wieder erheblich ab, um sich erst bei Taormina   wieder zu einem hohen Liede landschaftlicher Schönheit zu steigern.

Hier, wo sich von der Höhe des berühmten, antiken Theaters eines der entzückendsten Panoramen des Erdballs bietet, wo nament lich am Morgen, wenn die Sonne über Kalabrien   oder aus den Fluten des jonischen Meeres emporsteigt und den Aetna   mit zartem Rosa umhaucht, unerhörte, wechselnde Lichteffekte das Auge be zaubern, war es, wo einst Blaten fang:

Barte, bergängliche Wöllchen umfliegen den schneeigen Aetna, Während des Meeres Abgrund flar wie ein Spiegel erscheint, Steil auf türmt sich die Stadt, hoch über den Gärten der Klöftet, Ueber den blühenden Wein ragen Zypressen empor. Fern in der Sonne erglühn die gesegneten Küsten Italiens  , Schöner und üppiger noch als die fifulischen Aun! Bor mir seh' ich die kleine, die felfenumschattete Seebucht, Welche zum Bade vormals seliger Nymphe gedient, Die sich der ewigen Jugend erfreut in der tiefen Kristallflut Oder der Brandungen, auch rauschende Welle behorcht

Auf der Weiterfahrt von Taormina   bis Messina   fesselt dre Szenerie des Ufers unausgefeßt das Auge. Zwar wird es an den buschbewachsenen Steilrändern des Gebirges einsam und die Fischerdörfer, die zwischen Meer und Felswand angeflebt erscheinen wie die Nefter von Seefchivalben, machen den Eindruck der Vera lassenheit. Sie bieten auch in ihrem Innern nichts, was den Wanderer zum Verweilen einladen könnte, die Staffage der Land­schaft bleibt aber doch interessant. Bir nähern uns dem St. Stretto ( Meerenge) di Messina   und während von Often her die Abhänge und Ausläufer des hohen kalabrischen Aspromonte, in dessen Wäldern am 29. August 1862 der verwundete Freiheitskämpfer Garibaldi   gefangen genommen wurde, fichtlich näherrücken, bietet das Ufer zur Linken zwischen steilen Felswänden und chaotischeri Resten ehemaliger Bergftürze anmutige Einblicke in die oleander bewachsenen Bachremsen tiefer Fiumaren, die sich tief ins Land hineinziehen, hier und da Zitronen- und Orangenfulturen tragen und oft so reich mit einer wilden Vegetation geschmückt sind, daß sich die grünen Laubdächer über dem Wanderer wie zu einem Tunnel zusammenschließen.

Zwischen Galati  , das im Jahre 1906 durch eine Sturmflut fast gänzlich zerstört wurde, und Reggio di Calabria  , das nach dem Erdbeben von 1783 mit breiteren Straßen neu aufgebaut, heute wiederum in einen Haufen wüster Trümmer verwandelt ist, schrumpft die Breite der Meerenge auf sechs Kilometer zusammen. Messina   ist in Sicht und bald, nachdem die den Hafen im Süden umschließende, fichelförmige Halbinsel umfahren ist, raffeln die Anfer zwischen der Citadelle und dem Palazzo Municipale in den Grund.

Die Stadt, die vor ihrer Zerstörung durch das Erdbeben eins