der 25.-29. Mai sein. Unter ihnen bringt der 26. die eigentliche Festaufführung, und zwar unter Felix Weingartner  ; am 27. Mai gibt cS ein grobes historisches Konzert, das die EntWickelung der Musik von 1700 bis Hahdn mit besonderem Hinblick auf Oesterreich  vorführen will; am 28. ähnliches; am 29. eine Oper. Ein großer Zyklus von Ouartettabcnden 19 an Zahl hat bereits am 11. Januar begonnen und dauerte bis zum 23. Mai. Der Lwngreß der begreiflicherweise nicht nur um Haydns willen da ist, veran- staltet mit seinen zahlreichen Sektionen über 100 Vorträge und Referate. Neben diesen theoretischen Interessen gehen die prak- tischen der Aufführungen vorwiegend dahin, den großenMuftk- festen" nachzueifern, die bisher eine Spezialität des Musiklebens , im Deutschen Reiche sind, während Oesterreich diese Einrichtung nur erst in geringem Maße angenommen hat. Schließlich sind auch eine populäre Biographie und ähnliche Dinge in Vorbereitung, so daß wir dem eigentlichen Jubiläum mit Haydnscher Gemütsruhe entgegensehen können. sz. Daa Hbeatcr eines Madnlmnigen. Abdul Hamid   kann sich, wie es scheint, mit seinem Schicksal Immer noch nicht abfinden. Es fehlt ihm in Saloniki nahezu alles, tvas ihm das Leben in Jildis-Kiosk einigermaßen erträglich machte. Besonders aber schmerzt es ihn, daß er seinen schönsten Zeit� vertreib, das Theater, entbehren muß. DaS Theater stand auf seinem Vergnügungsprogramm mit an erster Stelle; es war ihm beinahe ebenso lieb und wert wie seine Lieblingstiere, und das will vieles sagen. Bon den Prachtexemplaren seiner HauS- Menagerie wollte er sich niemals trennen und dieKunstler  " seiner Schaubuden  " mußten sich ihm gleichfalls jederzeit zur Verfügung halten. ES war eine merkwürdige Institution, diesesHoftheater" deS Sultans. Die Schauspieler und Sänger so schreibt Virginia Gahda in der Turiner  Stampa" waren Bühnenkünstler dritten Ranges, die vor etwa fünfzehn Jahren mit Arturo Stravolo als Operettentruppe von Neapel   nach Konstantinopel   gekommen waren und dort in einem kleinen Theater ihre Künste zum besten gegeben hatten. Es war Brauch, daß jede ausländische Theatergcscllschaft an einem oder auch an mehreren Abenden in Jildis spielte, um in das monotone Leben des Padischah einige Abwechselung zu bringen. Die übliche Einladung erging auch an Stravolo. Er gefiel dem Sultan  , erschütterte ihm das Zwerchfell und hat seit- dem die Hofburg nicht mehr verlassen. Abdul Hamid   beauftragte den neuen Hoftheaterintendanten, eine Truppe zusammenzustellen. An Männern mangelte es nicht, aber mit den Frauen haperte es, denn der Sultan, der sonst nicht eben prüde war. wollte in seinem Kunsttempel nur verheiratete und tugendhafte Frauen dulden. Da sich Schauspielerinnen, die diese beiden Eigenschaften in sich vereinten, für dieses Theater nicht leicht finden ließen, so mußten, sobald ein Stück mehrere Frauen erforderte, die Herren der Schöpfung sich in Weiberkleider stecken. Stravolos Gesellschaft setzte sich im Schatten der Orangenbäume von Jildis fest, blühte und gedieh und verstärkte die Scharen der kaiserlichen Garde. Man muß nämlich wissen, daß alle Männer der Theatertruppe, von den Maschinisten bis zu den Dramaturgen, vom Souffleur bis zum Komiker, mit verschiedenen Graden in dieGarde ein- gereiht wurden! Ein Chorist war Unteroffizier, der Chor- führcr war Sergeant, der Basfist konnte Hauptmann sein und hatte, wenn der Sultan ihm gewogen war, begründete Aussicht zu avancieren. Arturo Stravolo trat als Unteroffizier ein und brachte es in fünfzehn Jahren bis zum Oberstleutnant. Alle waren wirkliche Soldaten mit einer militärischen Uniform und einer militärischen Disziplin. Sie trugen einen schönen matt- gelben Rock, blaue Hosen mit roten Biesen und einen Säbel mit einem prächtigen silbernen Degengefäß: mit einem solchen Säbel schmückte sich selbst der Souffleur. Sold bekamen die Schauspieler natürlich auch, soweit in der Türkei   Sold überhaupt gezahlt wurde. Es dürfte nicht viele Kricgsministerien geben, die Löhnung an ein Regiment von Spaßmachern und Seiltänzern zu zahlen haben. Außer dem Sold bekamen die Künstler des HostheaterS eine Nation Brot, Fleisch, Wein, Reis usw.; daS zugeteilte Maß richtete sich nach dem Dienstgrade.. Als die Verfassung kam, wollte Kiamil Pascha die Schauspieler entlassen. Es war die neue Zeit: man begann zu mäkeln und zu rechnen, und man sah dem Sultan, der daS Geld scheffelweise verschleuderte, etwas mehr auf die Finger. Abdul Hamid   hatte aber am 1. März dieses Jahres aus eigener Machtvollkommenheit seine Künstler wieder in Amt zlnd Würden eingesetzt, ohne daß es jemand ahnte. Die Stücke, die zur Aufführung gelangten, Ivaren von einer Unbestreitbaren Mannigfaltigkeit. Stravolos Gesellschaft hatte ein gewaltiges Repertoire und machte sozusagen alles: von dem italienischen Volksstück und den Volksliedern mit Mandolinen- begleitung und Tanz bis zu der Posse, der Operette und der großen Oper. Neben den italienischen Künstlern traten gewöhnlich noch Taschenspieler, Equilibristen und Clowns auf. Der Sultan  interessierte sich besonders kür die Operette und für derbe Possen; an der Oper war ihm weniger gelegen. Er hatte feine Lieblings- Lachen:Boccaccio",La Mascotte" usw. Ein- oder zweimal im Monat stand Verdi mit seinerTrabiata  " oder dem»Troubadour� und Bellini mit derNorma" auf dem Programm. Der Sultan  langweilte sich fürchterlich bei diesenGalavorstellungen", und eS geschah, nicht selten, daß er, während die Primadonna ihre ganze Seele in eine ernste Arie legte, plötzlich und herrisch etwa? Lustiges zu hören wünschte! DieKünstler" mußten jeden Augenblick bereit sein, auf seinen Wink eine neue Nummer aus ihrem nicht weniger als 150 Gerichte umfassendenMenü" her» auszugreifen. Wenn Abdul Hamid   den Abend im Theater der- bringen wollte, schickte er einen Eilboten in die Kaserne der Garde und befahl dem diensttuenden Offizier, eine Vorstellungrüsten zu lassen." Im Galopp entsandte man dann Stafetten nach allen Himmelsrichtungen, um die Künstler zusammenzutrommeln. Alles stürmte ins Theater. Manchmal kam der Befehl erst in der letzten Stunde. Aber man ist nicht umsonst Soldat: der Soldat muß auf jeden Anruf bereit sein, und die Künstler waren immer bereit zu allem. Wenn sie ins Theater kamen, wußten sie noch nicht, was ihnen bevorstand, denn der Sultan   wählte erst in der letzten Minute, wenn er schon in seiner Loge war. das Stück, das er aufgeführt sehen wollte. Wenn es ihm einfiel, mußte Norma plötzlich ihre Röcke hochheben und eine wilde Farandole tanzen! Einmal unterbrach er plötzlich eine Auf- fuhrung vonLa Traviata  ", um sich eine Reckturnertruppe vor- führen zu lassen. Die Truppe machte die gewagtesten Kunststücke. und zwar mit einem solchen Feuer, daß einer der Artisten bei einem Riesenschwung vom Reck glitt und sich den Schädel zer- schmetterte. Mit blutüberströmtem Gesicht blieb er vor der kaiserlichen Loge liegen. Der Sultan   stieß einen Schrei aus und lief davon; tagelang ließ er sich nicht sehen: das Bild des Todes hatte ihn mit solchem Entsetzen erfüllt, daß er sich von der Welt abschloß. Er hatte Furcht vor dem Tode und wollte ihn nicht ein- mal im Schauspiel sehen. Eine einzige Geste, ein einziges Wort konnte in ihm tausend Schreckensbilder erwecken. Deshalb wollte er immer etwas Heiteres sehen. Als Novelli in Jildis seinen Saylock spielte und das Messer wetzte, begann Abdul Hamid  buchstäblich am ganzen Leibe zu zittern:Genug, genug!" rief er, spielen Sie lieber etwas, wobei man lachen kann." Bei einer Aufführung vonCavalleria rusticana  " schrie er während der wilden Szene zwischen Turiddu und Santuzza angstvoll:Vor- hang herunter!" und der Vorhang mußte fallen.Rigoletto  " und Ernani  " mußten vom Spielplan abgesetzt werden, weil ihn der Inhalt dieser Opern zu sehr aufregte und mit blasser Furcht erfüllte. Stravolo hatte im Laufe der Jahre den Geschmack des Padischah gründlich kennen gelernt und wurde, da er sich immer danach richtete, mit Gold überschüttet. Er spielt dem Großherrn die ödesten Possen vor, präsentierte sich als Ver- Wandlungskünstler, sang einmal den ganzenTroubadour" von der ersten bis zur letzten Rote als Solo und machte überhaupt die unglaublichsten Sachen, um sich mit der Gunst des Sultans die höchsten türkischen Orden und geradezu unglaubliche Spiel- Honorare zu erringen. Nicht selten kam es vor, daß Abdul Hamid  eine lustige Geschichte, die er in irgend einer Zeitung gelesen hatte, von Stravolo für die Bühne bearbeiten ließ. Und Stravolo bearbeitete" und scharrte ein ungeheures Vermögen zusammen. Die Theaterproben fanden in der Kaserne der kaiserlichen Garde statt. Hier war eine Bühne errichtet, die genau der Bühne deS Hoftheatcrs entsprach. Jeden Tag probierte man alle Mechanismen, denn der Sultan wurde, wenn auf der Bühne nicht alles klappte, sofort mißtrauisch, und das mußte man zu verhüten suchen. Die Künstler nahmen, wenn sie am Abend in den Palast gingen, in einem kleinen Koffer ihr Schmink- und Puderzeug mit. An der Tür wuden die Koffer von albanesischen Palastwachen genau durchsucht. DaS Theater hatte zwölf oder vierzehn Logen, die dicht vergittert waren. Das elektrische Licht(das einzige, das in Konstantinopel   existierte, denn der Sultan hatte die Aufstellung von Dynamomaschinen verboten, weil ihn das Wort an... Dynamit erinnerte!) verbreitete eine große Helle. Von der Bühne aus gesehen, erschien aber das Theater vollständig leer. Die Schauspieler sahen keinen Menschen. Der Sultan und seine Frauen mit ihren Eunuchen saßen, durch das undurchdringliche Gitter allen Blicken entzogen, in den finsteren Logen. Die Worte, die auf der Bühne gesungen oder gesprochen wurden, verhallten wirkungslos, denn erhob sich keine Hand, um Beifall zu spenden. Während des ganzen Abends herrschte im Theater ein eisiges Schweigen. Hin und wieder nur hörte man ein leises Kichern, das aber sofort wieder unterdrückt wurde. So spielte die Theatergesellschaft fünfzehn Jahre hindurch vor einem unsichtbaren Publikum: sie wurde vom Sultan   besoldet, hat aber ihren Herrn nie gesehen! Im Sommer stellte man vor dem Palast eine Bühne auf; Abdul Hamid   sah dann der Aufführung von einem Fenster aus zu, aber immer so, daß er selbst nicht gesehen werden konnte. Wenn die Künstler von der Bühne abtraten, durften sie der Bühneriöffnung nie den Rücken zukehren: Abdul Hamid   fürchtete nämlich, daß sie heimlich eine den Ablbanesen entgangene Waffe aus der Tasche ziehen und nach ihm schießen könnten! War die Aufführung zu Ende, so mußten sie sofort das Theater verlassen; die Garderobe blieb zurück und wurde von den Wachen sorgfältig untersucht.... So sah daS Theater aus. in loelchcm Abdul Hamid  die schweren Beängstigungen, die ihn bedrückten, wenigstens für einige Stunden zu vergessen suchte. Aerantw. Redakt.: CarlWermuth, Berlin  -Rixdorf, Druck».Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Verl  «g»anstalt Paul Suiger öiLo..BerUn SW.