bon den Jägern, verfolgt. Außerdem hat er noch die Hunde zu fürchten, die dem übrigen Wild doch nur, wenn sie wildern, und dann auch nur ausnahmsweise gefährlich werden. Was die Gefahrvon oben' anbetrifft, so sind Adler, Seeadler und Uhu allerdings ziemlich ausgerottet. Der Habicht nimmt nur junge Füchse fort. Daß die großen Raubvögel unserm Ncinele gefährlich werden können, ist wiederholent- lich beobachtet worden. Allerdings läuft die Sache für den kühnen Herrscher der Lüfte manchmal unglücklich ab. Hierzu be- richtet der Naturforscher Tschudi folgenden Fall: Ein Fuchs lief über den Gletscher und wurde blitzschnell von einem Steinadler gepackt und hoch in die Lüfte geführt. Der Räuber fing bald an sonderbar mit den Flügeln zu schlagen und verlor sich hinter einem Grat. Der Beobachter stieg zu diesem heran, da lief zu seinem Erstaunen der Fuchs pfeilschnell an ihm vorbei: auf der anderen Seite fand er den sterbenden Adler mit aufgebissener Brust. Dem Fuchse war es gelungen, den Hals zu strecken, seinen Räuber bei der Kehle zu packen und diese zu durchbeißen. Wohlgemut hinkte er nun von dannen, mochte aber wohl fein Leben lang die sausende Luftfahrt nicht vergessen. Daß Reineke unter solchen Umständen dem Friedenvon oben" nicht recht traut, kann man ihm eigentlich nicht verdenken. Im allgemeinen wird es für ihn allerdings am besten sein, sich bei Ge- fahr nach dem Walde zu flüchten, denn dort können ihm Raubvögel ebensowenig etwas anhaben, wie seine Hauptfeinde, Wölfe und Hunde. Wenn er zögerte, so geschah es wohl deshalb, weil er sich über die Schallquelle nicht klar war. Den Menschen, der rief, sah er nicht. In der Luft schweben nach seinen Erfahrungen keine Menschen. Mußte er nicht annehmen, daß er möglicherweise im Walde steckte? Für so ganz dumm kann ich demnach das Ver- halten des Fuchses nicht erklären. Wir kommen jetzt zu den Vögeln. In der Liineburger Heide begleiteten den Beobachter längere Zeit zwei Störche, die elegante Kreise neben und über dem Ballon zogen, wahrscheinlich um dem Luftschiffer und seinen Begleitern vor Augen zu führen,� was sie doch eigentlich gegenüber ihrer vollendeten Aviatik für Stümperei treiben.' Die einzigen Feinde, die der Storch in der Luft besitzt, nämlich Adler und Uhu, kommen wohl in Hannover   absolut nicht mehr vor, deshalb fühlen sich die Gebrüder Longbein sehr sicher, zumal sie von der Bevölkerung als heilige Geschöpfe betrachtet werden. Der Uhu als nächtlicher Vogel läßt sich bei Tage über- Haupt selten erblicken, da er sonst von den meisten Raubvögeln, ferner von den Krähen angegriffen wird. Uebrigens dürfte es be- kannt sein, daß die Jäger einen tiefen Groll gegen den Storch hegen, da er Junghasen frißt und die Gelege der Erdbrüter plündert. H a u S h ü h n e r laufen nach unserem Beobachter wie toll auf den Höfen herum und suchen jeden möglichen Unterschlupf. Feld- Hühner fliegen selten auf. sondern verbergen sich, da sie sich von einem großen Raubvogel bedroht fühlen. Die Tauben flattern meist aufgeregt um den Schlag herum. Wildenten bleiben meist ruhig auf den Gewässern liegen, zahme Enten und Gänse besprechen in be- kannter lauter Manier den unheimlichen Störenfried. Daß Haushühner, Feldhühner und Tauben sehr berechtigten Grund zur Furcht haben, ist einleuchtend, denn trotz aller Verfolgung hausen selbst heute noch in den Großstädten ihre schlimmsten Feinde, namentlich Habicht und Wanderfalk  . Altum hat eingehend geschildert, wie in Berlin   ein Weibchen des Wanderfalken morgens früh ruhig und zusammengekauert aus einem Ziegelvorsprunge des Daches der Garnisonkirche ans die Taubenschwärme lauerte und sie überfiel. Brehms Vater erzählt von einem Wanderfalken, der den Tauben nachflog und bis in den Schlag eindrang, wo er gefangen wurde. Der Habicht ist in seiner Raubgier noch dreister. Es ist häufig vorgekommen, daß starke HauShühner, die vom Habicht er- griffen wurden, mit Aufbietung der letzten Kräfte, den Räuber auf dem Rücken, in das Innere des Hauses rannten, als wollten sie Schutz beim Menschen suchen. Wie sehr die Rebhühner den Wanderfalk zu fürchten haben, da- für ein Fall aus meinen eigenen Beobachtungen. Auf der Buckower Sildmark bei Berlin   wurde an einem herrlichen Frühlingstage eine ebrauchshundprüsung abgehalten. Wir waren gerade dabei, die Hunde auf Spürsicherheit zu prüfen, als etwa hundert Schritt vor uns ein Wanderfalk auf ein fliegendes Rebhuhn stieß, das verwundet zu Boden stürzte. Alle staunten über diese edle Dreistigkeit, im An- gesicht so vieler Jäger ein Huhn zu schlagen. Sofort stürzte ein Grünrock mit geladenem Gewehr zu der Stelle, wo sich der Falk mit dem ergriffenen Huhn befand. Wir Zuschauer schrieen in- zwischen auf, worauf der Räuber seine Beute fallen ließ und sich aus dem Staube machte, bevor der Schütze zu Schusse kam. Man begreift hiernach, daß man mit einem Dracheu, der nur eine ungefähre Aehnlichkeit mit einem Raubvogel hat, imstande ist, ein Volk Rebhühner zumHalten", das heißt Nichtfortfliegen, zu veranlassen. In seiner finnlosen Angst sieht das Huhn trotz seiner scharfen Augen gar nicht genau hin, ebenso wie manche Menschen in ihrer Furcht vor Schlangen einen am Wege liegenden Knüttel für ein Reptil halten. Die Furcht vor dem schnellen Raubvogel ist viel größer als vor der Flinte des Jägers und vor dem Hunde, deshalb kaufen die Hühner nur, erheben sich aber nicht in die Lust, was sie ohne Anwendung des Drachens sicherlich machen würden. Daß die Wildenten weniger Furcht zeigen, beruht ein- fach darauf, daß sie wiffen, daß sie sich durch Tauchen ihren Feinden entzieheil können. Schffertitz beobachtete einst innerhalb weniger Stunden die verschiedenen Verteidigungsarten der Enten gegen Raubvögel. Als diese einen langsam herbeifliegenden See« adler   gewahrten, erhoben sie sich in die Lust und blieben oberhalb des Wassers, weil sie wohl wußten, daß er nicht imstande sei, sie im Fluge zu fangen. Da zeigte sich ein Wanderfalk. Jetzt flogen sie nicht auf, sondern tauchten unablässig, bis auch dieser Feind das Vergebliche seiner Bemühungen einsah, Später erschien nun ein Habicht, der sowohl fliegende wie sitzende Geschöpfe zu fangen weiß, während der Wanderfalk nur Vögel während des Fluges schlagen kann. Die Enten zogen sich sofort zusammen, warfen mit den Flügeln beständig Wasser in die Höhe und bildeten so einen undurchsichtigen Staubregen. Der Habicht durchflog diesen Regen, wurde aber.doch so verwirrt, daß er eben- falls von seiner Jagd ablaffen mußte. So lasten sich also die Beobachtungen unseres LuftschifferS in der ungezwungensten Weise daraus erklären, daß die Tiere um so größere Furcht vor dem Luftballon haben, je häufiger ihnen auch heute noch Gefahren von oben drohen, und sich um so gleichgültiger benehmen, wenn derartige Feinde für sie sonst nicht vorhanden sind. kleines fcullkton« Physikalisches  . W i e weit ist der Horizont? Diese Frage ist in der Theorie unschwer zu beantworten. Wenn die Atmosphäre dem Blick keine Hinderniffe bietet, wenn sie frei ist von Rauch, Staub oder Dämpfen, dann ist der Horizont von dem Schauenden, der sich am Strande   einen Meter über dem Meeresspiegel befindet, 3570 Meter entfernt. Auf diese Entfernung kann er noch ein auf der Meeres- oberfläche treibendes Floß sehen. Der Schwimmende hat natürlich ein kleineres Gesichtsfeld. Wenn der Kopf etwa 25 Zentimeter über daS Wasier emporreicht, kann er nicht zwei Kilometer weit sehen. Je höher man steigt, je ferner rückt der Horizont. In einer Höhe von fünf Metern über dem Meeresspiegel liegt er acht Kilometer entfernt, bei zehn Metern mehr als elf Kilometer, bei fünfzig Metern 25 Kilometer und bei hundert Metern gar 35 Kilometer. In einer Höhe von tausend Meter hat sich der Horizont bereits auf 112 Kilometer geweitert; bei 2033 Metern rückt er auf 159, bei 3333 auf 195, bei 4333 auf 225, bei 5333 auf 252 Kilometer. Um hundert Kilometer weit sehen zu können, muß man bis zu einer Höhe von 785 Metern emporsteigen, für 233 Kilometer 3143. und für 333 Kilometer über 7333 Meter. ES gibt eine allgemeine Formel, mit der leicht die Entfernung deS Horizontes be- rechnet werden kann: man multipliziert die Quadrat« Wurzel der Höhenzahl mit 3838, das Produkt gibt dann die Distanz der Sicherheit in Metern. Aber bei den obigen Zahlen ist nur das Meer oder ein absolut ebenes Land berücksichtigt, es handelt sich um die Sichtbarkeit von Gegenständen, die auf der Höhe: 3 liegen. In der Wirklichkeit handelt eS sich je­doch meist um Gegenstände, die wiederum eine Eigenhöhe haben. Damit verschiebt sich naturgemäß die Berechnung: je höher der Gegenstand ist, je höher ragt er in den Horizont hinein und je weiter wird die Distanz der Sichtbarkeit. Freilich handelt es sich hierbei nicht um den ganzen Körper, sondern nur um seine oberen Teile, bei Schiffen z. B. die Masten, bei Bergen die Gipfel. Hier ist der Horizont auf festem Lande größer als der auf dem Meere, weil auf dem Meere schwimmende Gegenstände nur geringe Höhendimensionen entwickeln können. Bei der Berechnung der Horizontweite wird nian leicht zu einer irreführenden Schlußfolgerung verleitet. Von einem 2333 Meter hohen Berggipfel kann man 159 Kilometer weit sehen; die Versuchung liegt nahe, nun anzunehmen. daß man von diesem Gipfel einen anderen ebenso hohen auf die doppelte Entfernung noch erkennen kann. Aber die Horizontweite wächst keineswegs im gleichen Verhältnis mit der Höhe des Stand« Punktes des Schauenden. Zudem wirkt hier ein Vorgang mit, dessen optische Tragweite erst künstige Forschungen genauer berechenbar machen können: die Strahlenbrechung. In eiuem Aufsatz desTemps" wird eine Reihe von Beobachtungen zusammengestellt, die ein Bild von der Bedeutung der Strahlenbrechung geben. Die Strahlen« brechung Inegt in der Atmosphäre die Lichtstrahlen zu einer Kurve, die in der Wirklichkeit daS sichtbar werden läßt. was in der Theorie unsichtbar sein müßte. So ist eS auch möglich, daß Fälle verzeichnet werden konnten, in denen man vom Meer aus den Chimborasso   in einer Entfernung von 333 Kilometern lind den Aconcagua   bei 325 Kilometern sehen konnte. Wenn nur Höhe und Distanz für die Sichtbarkeit entscheidend wären, müßten beide Berge bei solcher Entfernung nicht wahrgenommen werden können. Aber die Strahlenbrechung macht sie doch sichtbar, ebenso wie man all- jährlich von Nizza   oder San Nemo aus die 233 Kilometer entfernten Berggipfel von Korsika erkennen kann. Es ist dasselbe Phänomen, das unserem Auge die Sonne und den Mond bereits sichtbar machen, wenn sie eigentlich nock gar nicht aufgegangen sind, ebenso wie Sonne und Mond in Wirklichkeit bereits untergegangen sind, wenn das Auge sie noch sieht. So verlängert die Strahlenbrechung den Tag uni einige Minuten. verantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Verlaglanstalt Paul Singer ScCo..Berlin   SV/.