Anterhaltungsblatt des HorivnrtsNr. 195.Donnerstag, den 7. Oktober.1909(Nachdruck derbsten.)VZ„Soldaten fein fcbön!"Bilder aus Kaserne und Lazarett.Bon Karl Fischer.Nach der Vorstellung ließ er alle Rekruten um sich herumantreten...Leute," rief er. daß es alle hören konnten. Ihr seid ausEurem Zivilkreise zum Dienst bei der Fahne auserkorenworden I Zeigt Euch würdig der hohen Ehre, die Euch zuteilward und seid Euren Erziehern, den Herren Offizieren undUnteroffizieren, dankbar. Wenn es Euch auch in der erstenZeit etwas schwer fallen sollte— zeigt Männlichkeit! Wenneiner glaubt, daß ihm Unrecht geschehen, komme er direkt zumir und melde mir das. Versteht mich recht!— Wenn EuchUnrecht geschehen!— Dafür verlange ich, daß jeder seinePflicht tut, ohne, daß die leiseste Klage erhoben wird. Nurdann kann er gerechte Beurteilung bei mir finden!— So.— Feldwebel! Lassen Sie die Leute wegtreten."Abends nach der Putzstunde war Unteroffizier Beier gewohnlich in der Kantine oder in der Stadt, so daß die Re-kruten seiner Korporalschaft unter sich allein waren. DerStubengefreite zeigte sich den Rekruten gegenüber gutmütig.Mit keinem machte er eine Ausnahme, und nicht im ge-ringsten ließ er merken, daß er den Rekruten seiner Korporalschaft eigentlich Vorgesetzter sei.„Gefreiter!" fragte ihn Brinkmann.„Wann kriegen wirdenn die Gewehre?"„Die kriegt Ihr erst kurz vor Weihnachten.".So lange müssen wir jeden Tag auf dem Hof Freiübungenmachen?"„Natürlich! Seid nur froh, daß Ihr sie noch nicht habt!Dann geht erst richtig der Dienst los."„Wenn wir sie nur schon hätten!" rief Mietzschke.„Dasjst ja so langweilig, das ewige Fuß- und Armrollen."„Wer hat heute Stubendienst?" fragte der Gefreite.„Hier! Ich!" rief Volter.„Sehen Sie genau nach, ob dann die Stube ordentlichsauber ist. Sergeant Schneider hat heute Dienst. Der meldetgern. Wenn jemand fragen sollte, wo ich bin, dann sagt Ihr,ihr wüßtet's nicht! Komme dann gleich einer rauf in dieKantine und hole mich."„Ich wollte," sagte Beck, als der Gefreite gegangen war,der ganze Militärscksivindel wäre schon vorbei. Ich bin jetztschon ganz kaput. Wie gerädert legt man sich abends in seineFalle und früh— noch ganz hin von gestern— steht manwieder auf. Ich glaube, ich werde verrückt in den zwei Jahren.„Guckt mal diesem Ferkel, diesem Greskser zu!" riefMietzschke.„Eben hat er sich sein Koppel blank gewienert— da sabbert er's wieder mit seiner stinkigen Pfeife voll."„Das geht Dir doch nix an!" erwiderte dieser.„Unwenn ich mein Koppel weiß schmiere—"„Das geht uns nischt an? Meinst Du, das ist gut fürdie Korporalschaft, wenn Du jeden Morgen auffällst? Duwirst schon der erste sein, der ins Loch kommt."„Laß ihn doch!" rief Brinkmann.„Greskser wird seineAach' schon noch lernen."„Du nimmst natürlich den Dreck-Wackes noch in Schutz.Gestern habe ich von ihm Stubendienst übernehmen müssen, dawar das Eßblech ganz verrostet! Wenn mir das noch einmalpassiert, Greskser, dann melde ich das einfach dem Unter-offizier. Na— ich will bloß froh sein, wenn das Kompagnie-exerzieren da ist. Sollst mal sehen, was Du dann für Trittevon den Alten kriegst."„Wenn- Du nur keene kriegst!" höhnte Greskser.„Das soll nur einer wagen!"„Du bist ja gestern schon gepufft worden! Ich hab'sgesehen!"„Das war auch so'n Wackes! Den hast Du doch höchstensaufgehetzt, weil er Dein Landsmann ist. Der soll's nur nochmal riskieren—"„Macht schnell mit Eurem Putzen!" rief Volter.„Esist dreiviertel Neun, Es wird gleich blasen.Eiligst packten die Rekruten ihre Sachen zusammen undbereiteten sich zum Schlafengehen vor. Volter war fertigmit dem Auskehren der Stube und stellte seinen Schemelvor sein Bett.„Sind alle da?" rief der eintretende Gefreite.„Weidemüller fehlt noch," antwortete Volter.„Wo steckt er denn?"„Der war vor fünf Minuten noch hier!" bemerkteMietzschke.„Sicher wird er ausgetreten sein."Kurz vor Zapfenstreich kam Weidemüller herein. DasTaschentuch hielt er unter die Nase, und aus seinen Augenrannen Tränen. Ueberrascht blickten ihn alle an.„Nanu,„ rief Mietzschke.„was ist denn mit dem los?Du hast doch nicht etwa Haue gekriegt?"„Wer hat Sie geschlagen?" fragte der Gefreite.„Der Säckel, der Spatzengefreite, der Kernberger!" ant«wortete Weidemüller heulend.„Warum denn?"„Das weiß ich nicht! Wie ich in die Latrine komme,kommt mir der Kernberger entgegen und fragt mich, wasich so spät noch auf der Latrine zu suchen hätte da hatteich aber auch schon eins auf der Nase. Der Börner vonStube neunundzwanzig hat's gesehen— der war mit mirgegangen und ist dann ausgerissen."„Der hatte es auch schon einmal auf mich abgesehen!"rief Mietzschke.„Du bist ein Simpel!" rief Greskser Weidemllller zu.„Ich gehe schon lange auf den Hof, wenn ich so spät noch rausmuß." Dabei lachte er und schnitt ein pfiffiges Gesicht.„Kernberger hat schon immer eine Wut auf mich!"heulte Weidemüller weiter. Erst gestern hat er mich auf demFlur in den Hintern getreten.Nach dem Zapfenstreichsignal trat Sergeant Schneiderals Unteroffizier vom Dienst in die Stube.„Achtung!" rief Volter laut.„Stube dreiundachtzigalles da."„Ausziehen!" kommandierte der Sergeant nach einemprüfenden Blick in die Stube. Da fiel sein Auge auf dieblutende Nase von Weidemüller.„Was fehlt denn dem da?"Da Weidemüller mit der Sprache nicht heraus wollte,meldete Volter:„Weidemüller ist auf der Latrine von altenMannschaften geschlagen worden."„Von wem?"„Vom Gefreiten Kernberger, wie er sagte." Volterwußte, daß Sergeant Schneider den Gefreiten Kernbergernicht leiden mochte. Er wird die Sache dann sicher melden,dachte er.„Werde die Sache dem Hauptmann melden!" rief Ser»geant Schneider in die Stube zurück und ging hinaus.Am nächsten Tag erschien zum Paroleappell der Haupt»mann.„Leute," rief er mit seiner lauten Stimme, die über denganzen Flur klang,„ich habe heute einen Gefreiten mit dreiTagen Arrest bestrafen müssen, weil er einen Rekruten ge-schlagen hat. Das ist eine erbärmliche Niederträchtigkeit vondem Kernberger gewesen. Da kenne ich keine Nachsicht. Ichsage Euch jetzt, ist einer von Euch von irgendeinem des älterenJahrganges geschlagen worden oder getreten oder sonstwieangegriffen? Der trete vor und melde sich!"Keiner trat vor.„Geh' doch vor!" flüsterte Brinkmann Metzschke zu.„Du bist wohl verrückt?" antwortete dieser ihm leise.„Da Hab ichs dann bloß noch dreckiger. Ich will nicht dieganze alte Mannschaft auf dem Halse haben."„Geniere sich keiner!" forderte der Hauptmann nochmalsauf.„Es geschieht ihm nichts!— Also niemand!— Wiees von dem Kernberger eine Niederträchtigkeit war, so wares von dem Weidemüller eine kolossale SchlappschwänzigkeitlWenn er geschlagen wurde, mußte er einfach wieder schlagen tIch gebe Euch jetzt den direkten Befehl für die Zukunft. Wenneiner geschlagen wird, schlägt er einfach wieder. Ganz gleich,wer der Stärkere ist. Ueber das weitere werde ich dann schondie geeigneten Maßregeln ergreifen."