Lchmähke nichts, weder daS Halsband der Witwe noch die Brillant- Emsennadel des Schlächtermeisters, und sogar den Geist eines blut- ißicngcn Raubmörders bestrafte er noch jetzt, zehn Jahre nach seiner Hinrichtung, indem er ihm eine wohlgespickte Börse aus seiner iUnterrocktasche entwendete der Geist trug nämlich unter seinem Leichenhemd merkwürdigerweise Frauenkleider. Mein Freund August gehörte nicht zu den Menschen, die sich in eitler Weise an dem Eindruck ihrer Tätigkeit ergötzen. Still, ja fast geräuschlos «erlies; er wie immer bei solchen Gelegenheiten den Schauplatz Feiner Tätigkeit, und erst am nächsten Morgen erfuhr er aus dem Jntelligcnzanzeiger, daß die mediumistischen Fähigkeiten der be- Zäunten Frau Hanna Oter nunmehr über jeden Zweifel erhaben Feien. Besonders in verblüffenden Dematerialisationen hätten die Geister gestern großartiges geleistet, und die Begeisterung des Publikums habe keine Grenzen gekannt. Seit der Zeit war Piratenaugust überzeugter Spiritist, er �entwickelte eine fieberhafte Tätigkeit, und jede Seance, die er be- Füchte, hatte eine verblüffende und für die verbohrten Anhänger der rückständigen Wiffenschaft unerklärlichen Erfolg. Während Früher die Geister im Jenseits in armseligen Leichentüchern herum- liefen, erfreuen sie sich heute, dank der segensreichen Tätigkeit meines Freundes, man darf wohl sagen, in ihrer großen Mehrzahl eines blendenden Goldschmuckes, sie sind mit Geldmitteln reich ver- .sehen, und eine Uhr mit goldener Kette trägt wohl jetzt jeder im Jenseits. Das ist ein Trost für uns, wenn wir einmal sterben müssen. Aber eine spiritistische Autorität wurde August erst, als er sich mit einer Freundin zusammentat, die in den Bouillonkellern unter dem Namen der sicbenfingrigcn Ida bekannt und allgemein lbclicbt war, und als er sie als Medium entdeckte. Er machte mit ihr eine Tournee durch Nordamerika   und mußte, als er zwei Jahre später in das deutsche Vaterland zurückkehrte, allein an Juwelen einen Einfuhrzoll von über hunderttausend Mark bezahlen. Aber er bezahlte diese Summe anstandslos, denn er war viel zu vor- «ehiii, um etwa zu schmuggeln und so den Staat zu betrügen. Seit dieser Zeit lebt er, abgesehen von kurzen Gastreisen, die er auf Einladungen hervorragender psychologischer Vereine unter- nimmt, in Berlin   und genießt eine unbegrenzte Wertschätzung selbst in den höchsten Gesellschaftskreisen. Er hat auch ein Lehrbuch der okkulten Wissenschaft geschrieben, ein stsncksrckvorlc von inter­nationaler Bedeutung, und er wartet nur noch auf den Nobel- preis  , der ihm nicht ausbleiben kann. W. Crem er. kleines Feuilleton. Völkerkunde. Unter den Buschmännern. Am Sonnabend sprach in der Berliner Anthropologischen Gesellschaft Herr Dr. Rudolf Pöch   aus Wien   über die Ergebnisse seiner Reisen in Süd- a f r i k a   zum Studium der Buschmänner(1907/09). Die aus­gezeichneten Licht- und Bcwegungsbilder gaben einen lebendigen Eindruck von den Dascinsbedingungen dieser aussterbenden Rasse und von der trostlosen Natur der gewaltigen Strecken an der sandigen Kalahari  -Steppc, neben denen die berüchtigstenGegen- den" der Mark noch wie freundliche Oasen erscheinen. Auf Karren, Gespannt mit endlosen Ochsenreihen, zog Pöch   Tausende von Kilo- meiern im Zickzack hin und her, um eine Handvoll Buschmänner überhaupt nur aufzutreiben. Sonst findet man bloß noch einige Exemplare dieser seltsamen Menschen, die mit Schnalzlauten reden, in den Gefängnissen der Kapkolonie  . WaS der Bur nicht abgeknallt hat, steckt der Engländer als Vagabunden ins Loch. Run, der Buschmann ist vielleicht der elendste Mensch, den die Welt kennt. Nackt watet er durch die Wüste; er errichtet keine Hütte, sondern bloß eine Art halboffenen Windschirms, und wenn ihn in den Wintecnächtcn der Frost schüttelt, wälzt er sich im Schlaf so dicht ans Feuer, daß er sich den Leib mit Brandwunden übersät. Glückt es ihm nach Wochen, ein Wild zu fangen, so frißt er sich bis zum Platzen den mißhandelten Leib voll. Im übrigen gräbt er mit einem Stöckche» nach Wurzeln, und wenn die Pfannen hBodeiwertiefungen mit Regenwasser) austrocknen und die wild- wachsenden Melonen sich nicht mehr finden lassen, so fällt er eben .irgendwo um und bleicht bald zum Gerippe. Und diese Jammer- wcscn sind aus sich selbst heraus Künstler von eigenartig sezessio- .nistischem Charakter! Wenn sie im Steingeröll hocken und geduldig einer Antilope auflauern, führt ein sicherer Kunstinstinkt ihre Hand und sie bedecken die Felstrümmer mit Umrißgravierungen von Tieren, Jagd- und Kampfszenen, die zum Teil überraschend realistisch wirken und bei ihrem Bekanntwerden berechtigtes Staunen hervorriefen. Aus solchem Musterbeispiel dürfte sich doch wohl der Schluß ziehen lassen, daß Kunstempsmdung und Kunst- Übung nicht erst eine Frucht höherer Bildung oder ein besonderes Vorrecht der genießenden Klassen ist. Es gibt immer noch sonder- bare Schwärmer, die behaupten, wahre und im Elcmentar-Mensch- Eichen wurzelnde Kunst gedeihe bloß in der Sonne höfischer Luxus- baunc. Sie werden durch solche ethnologischen Tatsachen schlagend wiedcrlcgt.___ A. K. Aerantw. Redakteur: Richard Barth  , Berlin. Druck u. Verlag: Physikalisches. Ein Radiumtoast von Professor Ramsah. Der berühmte Chemiker, der zwar nicht das Radium, aber so viele an» dere wichtige Elemente entdeckt und in seinen letzten Arbeiten auch eine der größten Autoritäten für die Eigenschaften des Radiums geworden ist, Professor Ramsay, hat sich über den Stand der ganzen an diesen eigenartigen Stoff geknüpften Frage aus- gesprochen. In England besteht nicht nur für Politiker, sondern auch für Gelehrte die Gelegenheit, zuweilen in zwangloser Weise ihre Anschauungen auseinandersetzen zu können. So war Sir William Ramsay   in den Londoner  Autoren-Klub" eingeladen, wo man von ihm einenRadiumtoast" erwartete. Das Haupt- sächliche Thema, das Ramsay in seinen Ausführungen behandelte, war die Konzentration der E n e r g i e. Er sagte, daß der ganze materielle Fortschritt der Menschheit auf der Fähigkeit beruhe, erstens Energie zu konzentrieren und zweitens das zu steigern, was man den wirtschaftlichen Koeffizienten genannt habe. Für die wunderbarste 5ionzentration von Energie sei das neue Wort Radioaktivität geschaffen worden. Von dem Radium gehen drei Sorten von Strahlen aus, die man nach den ersten Buchstaben deS griechischen Alphabets als Alpha-, Beta- und Gammastrahlen be- zeichnet hat. Die Alphastrahlen können leichtauf Flaschen ge» zogen" werden, denn sie sind an ein Gas gebunden, das aus einer verschlossenen Flasche nicht entweichen kann. Die Betastrahlen bestehen aus sehr kleinen Teilchen, die mit ungeheurer Geschwindig- keit sich bewegen; die Gammastrahlen aber bestehen nach der jetzi- gen Annahme überhaupt nicht aus körperlichen Teilchen, sondern sind lediglich Wellen in dem uns umgebenden Aether und ent- sprechen in dieser Hinsicht dem Licht. Mehrere hervorragende Radiumforschcr vertreten die Annahme, daß sich das Radium in ganz andere Stoffe verwandelt, während es in den verschiedenen Stadien seiner Zersetzung die Alphastrahlen aussendet. Die Zu- standsänderung scheint die eines festen Körpers in ein Gas zn sein. Die Frage, wie lange das Radium bestehen würde, wenn eS sich dauernd in dieses Gas verwandelte, beantwortete Ramsay mit den Worten:Für immer", die abgegebene Gasmenge entspricht nämlich immer der vorhandenen Radiummenge. Man kann aber eine bestimmtere Antwort auf die andere Frage geben, in welcher Zeit die halbe Verwandlung des Radiums in seine Ausstrahlungen erfolgt. Diese Zeit hat Ramsah in allerneuester Zeit in seinem Laboratorium zu 1759 Jahren festgestellt. Der Gelehrte er- wähnte dann, daß die österreichische Regierung ihm ein« kleine Menge Radium im Werte von 189 999 M. geliehen habe. Er habe versucht, diesen Wcrtgegenstand zu versichern, doch sei ihm das nicht gelungen. Das Radium könnte übrigens in eine Röhre gepreßt werden, die noch viel enger ist als die feinste Thermometer- röhre. Seine Ausstrahlungen verwandeln sich weiter in andere Stoffe, die wieder ihre besonderen Bezeichnungen erhalten haben. Da ist zunächst das Radium A, das nur eine Viertelstundelebt" und sich dann in das Radium B verwandelt, dessen Lebenszeit drei Viertelstunden beträgt. Radium C lebt eine halbe Stunde. Dann kommt das Radium V, daS sich in dieser Hinsicht ungefähr mit einem gesunden Menschen vergleichen läßt, denn nach den bis- herigen Erfahrungen hat eS in 49 Jahren erst die Hälfte seiner Lebenszeit zurückgelegt. Ramsay hat es einmal gesehen, und zwar als eine bleiähnlichc Masse mit metallischem Glanz. Dann gibt es weiter noch ein Radium Ol und ein Radium E2 und schließlich ein Radium F, das wahrscheinlich mit dem Polonium identisch ist, das von Frau Curie entdeckt und jetzt in so überraschender Weise weiter erforscht worden ist. Diese Stoffe stellen die größte bekannte Konzentration von Energie dar, und Ramsay bezweifelt, ob eine größere überhaupt jemals entdeckt lverden wird.Die Naturforscher aber befinden sich." sagte Ramsah,immer im Zu» stände de? Zweifels und ich bezweifle daher auch meine eigenen Annahmen." Zum Schluß berührte der Physiker auch die Frage, inwieweit das Radiuiil zu Heilzwecken werde Verwendung finden können. Er hält es für ganz ungewiß, ob man damit je- mals die Krebskrankheit werde heilen können. Dagegen bezeichnete er es jetzt schon als sicher, daß die Heilung von fressenden Ge- schwüren auf diesem Wege möglich ist und wünschte die allgemeine Aufmerksamkeit nachdrücklich auf diese außerordentliche Tatsache hinzulenken. Zur Behandlung von KrebS werden gegenwärtig gewöhnlich die Kristalle von Bromradium gebraucht, die in eine versiegelte Glasröhre oder in einen mit einem dünnen Deckel von Glas, Aluminium oder Glimmer bedeckten Knopf eingeschlossen werden, damit sie in das Innere von Geschwülsten oder in Oeff- uungen des Körpers eingeführt werden können. Nach der jetzigen Ausfafsung haben nur die Gammastrahlen die Fähigkeit, die Krebs- zcllen zu zerstören, ohne den gesunden Zellen des Körpergewcbes zu schaden, während die Alpha- und Betastrahlen bekanntlich alle Zellen vernichten und schwere Wunden verursachen. Es muß daher Sorge getragen werden, diese schädlichen Strahlen so auszu- scheiden, daß sie den Körper nicht erreichen. Dies- �Schwierigkeit wird vielleicht nie in genügender Weise zu überwinden sein. Der bekannte Arzt Läuder Brunton hat eben erst die praktischen Er- fabrungen mit dieser Art von Krebsbehandlung zu)ammengiistellt. Tie Ergebnisse sind nach den Berichten leider recht widersprechend und geben daher der Skepsis des Physikers recht. Vorwärc» Buchpruckcre, u.«erl«g»anstalt Paul Singer ScCo.. Berlin