Was ich Dir hier sage, ist von Deinem Vater." Kannte er Tolstoi?" «Nein; aber er kannte das. was älter ist als die Bibel und als Tolstoi." «Er war also ein großer Redner?" So wage ich ihn nicht zu nennen: er gehörte nicht unter die Verkünder, sondern unter die Seher. Ja, störe mich nun nicht I Er meinte, daß nach hundert Jahren die große Menge jene, die im Müßiggang und im Ueberflutz leben, gerade so ansehen wird, wie wir jetzt die Betrüger und die Liederlichen betrachten." O Mutter, wie war Dir zumute?" Tag und Nacht toste und zitterte es gleichsam von seiner Stimme in mir. Ich saß wie mitten in einer Ge- Witterwolke. Nicht, als ob er schrie und lärmte. Nein, seine seine Persönlichkeit war es und etwas in der Stimme. Sie war verschlossen und tief, ja, sie kam wie aus einer Ver- tiefung. Es kam stoßweise, aber es kam ununterbrochen. Ich glaube, er sprach über zwei Stunden. Den, auf welchen er zufällig blickte, sah er an, und wenn er zum Fenster hinaussah, so blieb er dabei. Unbeholfen, verstehst Du. Die Augen füllten sich von innen heraus mit Brand, er stand vornübergebeugt, wie ein Baum am Abhang. Ich dachte, ehrlich gesagt, an den Wald. Später, als ich ihm näher trat, duftete es auch nach Wald von ihm. Und dann war seine Haut so rein. So die Partie am Halfe� die nicht von der Sonne verbrannt war. weil er vornübergebeugt ging wenn er den Kopf hob Du kannst Dir nicht denken, wie fein und zart sie war. Ja, wie kam ich doch darauf? Aber das ist gleich- gültig, jetzt bin ich da, und will dort bleiben, bei Deinem Vater I Gott, Magne, wie ich ihn geliebt habe, und wie ich ihn ewig liebe I" Sie brach in Tränen aus, und dann lagen sie Brust an Brust. Von den gedämpften Farben in Wald und Feld in der unsichern Luft und dem harten Stromesbrausen wurden sie abgeschnitten. Die Umgebung stand freilich zu ihrer Stimmung. Um so viel treuer hielten sie sich umschlungen und gaben einander alle ihre Stärke. Magne, es kommt ungeordnet, alles, was ich Dir hier zu sagen habe. Ich weiß nur, wo ich hinaus will. Ja, es war die Natur hier umher, großartig mit heim- lichen Verstecken drin: mir ahnte dergleichen. Alles war neu für mich, auch die Natur: ich war gereist, aber nicht in Norwegen  . lFortsctzung folgt, plackt aufl Von G. Arb ouin. Autor. Uebertragung von H. Hesse  . An einem unwirtlichen Abend im Winter sah der Abbö Gran- fteard vor dem prasselnden Holzfener und war ganz in eine Predigt« ammlung vertieft, als er trotz des strömenden Regens das Ge- murmel einer Menschenmenge vernahm und sich erstaunt fragte: Was kann das nur sein?* Noch niemals hatte er auf seiner stillen Landpiarre bei Nacht etwas Aehnlichcs gehört. Da... heisere, unverständliche, entsetzliche Schreie durchdrangen den Sturm. Daun   war es plötzlich, als stürme eine revolutionäre Armee um die Ecke des Gähchens, und schreckens» bleich ließ der Abbe das Predigtbuch sinken und murmelte: «Die Streikenden kommen!" Die Menge war jetzt vor dem Pfarrhanse angelangt und man vernahm keine Schritte mehr, sondern man hörte immer deutlichere Flüche, obgleich sie sofort wieder im Sturme verhallten... Und plötzlich übertönte eine Stimme alle anderen: Macht auf I" Welch eine herrliche Stimme! Kraftvoll, ernst und doch so weich! Mit einem einzigen Worte rührte sie das Herz, und der Abbö war aufgestanden, ohne recht zu wissen, warum. Er hob den einen Fntz und schritt über das Predigtbuch hinweg, und nun stand er hinter der Tür, erschrocken und bereit, zu öffnen. Macht aufl" wiederholte die Stimme. Er drehte den Schlüssel iin Schloff um, und sofort peitschte ihm der eisige Regen inS Gesicht. Doch als er so der Menge gegenüber- stand, die vor ihm in der Finsternis winnnclte und' sicher im nächsten Moment bei ihm eindringen und selbst den anheimelnden Salon nicht verschonen würde, in dem die Holzscheite prasselten als er sich so der Menge gegenüber sah, ließ ihn ein plötzlicher Widerwille auffchreien: Wer seid Ihr?" Elende 1" .Bettler I* Hunde 1* Tausend Stufe erschollen, doch niemand tat einen Schritt vor» wärts, und der Abbö, der sich in dem Regenschauer bückte, wendete den bestürzten Blick auf diese verschwommenen Gestalten, die fich in dem Dunkel bewegten, und hier und da unterschied er ein sahleS Gesicht und eniporgestreckte Anne, und in der ersten Reihe dtcht vor ihm ein Weib, an deren nackten Brust ein kleines Kind bitterlich schluchzte. Was wollt Ihr?" ftagte er. Die Kehle war ihm trocken vor Angst. Ein Obdach." Mein Haus ist nicht groff genug." Ein Augenblick tiefer Stille folgte, und weiter zurück, da, wo der Menschenknäuel am dichtesten war, erhob sich die herrliche Stimme: Gib den Schlüflel her!" Den Schlüssel der Kirche? Kein Gedanke! Nachts wird die Kirche nicht geöffnet." Gott   kennt keine Zeit, denn er schuf beides, Licht und Finsternis." Aber was sind denn das für Menschen?" Streikende, von Gendarmen verfolgt." Den Schlüffel der Kirche gebe ich nicht heraus. Ich darf eS nicht." Willst Du diese Leute denn im Regen stehen lassen? Zwei sind schon nmerwegs gestorben, und die Kleinen liegen wie tot in den Armen ihrer Mütter. Wo hast Du denn gelesen, daff der Herr des NachtS nicht empfängt, als sei die Hilfe an eine wohlanständige Besuchsstunde gebunden? Geh und nimm den Schlüssel von seinem Haken, und diesen Elenden, von der Wohnstütte der Menschen Ber  - jagten, schliche Du dann selbst das Gotteshaus auf." Ich kann es nicht." Nur weil es einmal nicht Sitte ist!" Du selbst... wer bist Du denn eigentlich?" Ein Schrei des Entsetzens antwortete ihm er stieg unten aus dem Dorf herauf, hallte über die Köpfe dahin, und wie der Regen prallte er an die Wand des Pfarrhauses: Die Polizei kommt I" Es folgt ein ungestümes Drängen den Berg hinauf, em heftiges Klappern von Holzichuden, und die Schwächsten sanken um. Ihre Schmerzcnsichreie pflanzten sich von einer Gasse zur andern fort... wie das Jammern der verlassenen Verwundeten auf dem Schlacht- selbe. Und vom Regen durchnäht, stierend und mit schmerzenden Schläfen hörte der Abbe stupide zu wie ein Bettunkener, als er drei Reiter jäh in dem Dunkel auftauchen sah... es waren die Gendarmen. Keine Ausschreitungen. Herr Abbö?" fragte der Wachtmeister. Keine I" antwortete der Abbs, doch ohne Freude. Sie sind nicht bei Ihnen eingedrungen?" Nein." Dann geht alles gut." Meinen Sie...?" Gewitz, wir haben ja den Rädelsführer." Und indem sie die Pferde zur Seile zügelten, liehen ihn die Gendarmen in der Finsternis einen Mann sehen, bekleidet mit einem langen, dunklen Mantel. Hier ist er." Das ist wirklich der Führer?" Ohne jeden Zweifel." Wissen Sie seinen Namen?" Noch nicht." Und fich zu dem Mann wendend, fragte der Wachtmeister: Wie beifft Du?" Der Bettler antwortete nicht, doch langsam begann ein mildes Licht aus seinen Schläfen zu strahlen. Es umleuchtete seine hohe Stirn, aus der das regenschtvere Haar tropfte. Die Augenbrauen und die Nase hoben sich in dem Dunkel von dem Antlitz ab. Man ge- wahrte die hohlen, bleichen Wangen, und endlich auch den Bart. Und als der klare Blick seiner Augen den Abbö traf, schrie dieser mit ausgebreiteten Armen aus: O, was haben wir getan! Du bist ja Jesus, mein Heiland!" Und er wich zurück, immer weiter zurück... er stieff sich den Kopf so heftig an der Wand, daß er im Bett erwachte, schweiff- gebadet, mit klappernden Zähnen... Draußen in der nächtlichen Stille peitschte der Regen die Fenster... frecimans Spiltew. FredmanS Episteln" ist das klassischste Werk der schwedischen Literatur. In seiner Heimal wahrhaft volkstümlich, das noch heute, und lebendiger als weithin bekaimtere Dichtungen, als etwa die akademischer gewollteFrithjofssaga" von Tcgnör oder der natio- naler gewollteFähnrich Stahl" von Runeberg  . Karl Michael Bellman  , der Dichter dcS Fredmann, lebte von 1740 bis 1795 »nd zwar mit Ausnahme eines kurzen, nicht ganz unfreiwilligen Aufenthalts jenseits der norwegischen Grenze alle diese Jahre in seiner Vaterstadt Stockholm   oder in deren nächster Umgebung. Die Familie stammte väterlicherseits aus Deutschland  . Des Dichters Urgroh»