Aus seinen ungleichmäßigen Bewegungen erriet das Publikum die Gedanken des Stiers echters. Der Stier flößt ihm Abscheu>n rl Er hat Angst vor ihm!____" Sogar die eifrigsten Anhänger Gallardos schwiegen be- schämt und konnten sich den unerhörten Vorgang nicht erklären. Die Zuschauer schienen sich, mit dem Mute der in Sicher- heit Befindlichen, an seinem Schreck zu weiben. Andere dachten an ihr Eintrittsgeld und schrien auf diesen Mann ein, der sich von seinem Selbsterhaltungstrieb beherrschen ließ und ihnen ihr Vergnügen verdarb. Ein reiner Diebstahl! Leute von der gemeinsten Sorte beleidigten den Matador mit pöbellxlften Namen. Nach langen Jahren der Bewunde- rung weckte jetzt der Haß gewisse Erinnerungen ans der Kind- heit des Stierfechters, die sogar er selbst vergessen hatte. Man erinnerte sich seines nächtlichen Lebens unter dem Gesindel der Alameda de Hercules und verlachte seine zerrissenen Knie- hosen und die aus dem Schlitz   hervortretende Wäsche. Du bist erkannt!" schrien einige mit nachgeahmten Frauenstimmen. Gallardo verhielt sich dem Spott des Publikums gegen- über taub und benutzte unter dem Schutze der Mäntel seiner Gefährten jede Gelegenheit, um den Stier mit seinem Degen zu verwunden. Das Tier schien die Stöße kaum zu fühlen. Die Furcht, beim Vorstrecken des Armes erfaßt zu werden, gestattete dem Matador nicht, nahe genug heranzutreten, und er stieß nur mit der Degenspitze zu. Einige Stoßdegen flogen, kaum in das Fleisch ein- getrieben, schnell wieder heraus: andere saßen fest zwischen den Knochen, aber nur mit der Spitze, und schwankten durch die Bewegungen des Tieres hin und her. Ter Stier ging mit gesenktem Kopf an der Umzäunung hin und forüllte wie aus Aerger über die unnützen Qualen. Der Stierfechter folgte ihm mit dem Tuche in der Hand: auch er wünschte der Sache ein Ende zu machen und fürchtete zugleich, sich der Ge- fahr auszusetzen. Hinter ihm folgte ein Trupp von Helfern, die ihre Mäntel schwangen, als wollten sie den Stier über- zeugen, daß es Zeit sei, zusammenzubrechen und alle Viere von sich zu strecken. Das an die Barriere gedrängte Tier mit seinem schäumenden Maul und seinem von Degen starrenden Halse erregte einen neuen Ausbruch von Spott und Beleidi- gungen. Es ist die Schmerzensreiche mit den s.eben Schwertern!" hieß es. Andere verglichen das Tier mit einem Kissen voll Steck- nadeln.«Niederträchtiger Dieb! Stümper!" Wieder andere, noch gemeinere, bestanden auf ihren An- züglichkeiten über Gallardos Geschlecht und änderten seinen Namen um. Juanita, laß Dich nicht unterkriegen!' Es war viel Zeit verflossen, und ein Teil des Publikums, das seine Wut noch an einem anderen als an dem Stierfechter auslassen wollte, wandte sich nach der Loge des Vorsitzenden Herr Präsident, wie lange soll dieser Skandal noch dauern?"... Der Vorsitzende machte eine Gebärde, die die Protestler beschwichtigte, und gab einen Auftrag. Man sah, wie ein Bote des Vorsitzenden, mit Federhut und kurzem, wallenden Mantel, innerhalb der Barriere auf die Stelle zueilte, wo sich der Stier befand. Dort wandte er sich gegen Gallardo und hielt eine geschlossene Hand mit erhobenem Zeigefinger vor. Das Publikum applaudierte: es war die erste Warnung. Wenn er vor der dritten den Stier nicht getö.et hatte, wurde dieser in den Stall zurückgeführt, und der Matador war der tiefsten Erniedrigung preisgegeben. Als ob Gallardo, durch diese Drohung niedergeschmettert, aus seinem Traumzustand erwachte, setzte er den Degen wage- recht an und stürzte sich auf den Stier. Es war nur ein Stoß mehr, der nicht tief ins Fleisch eindrang. Der Matador ließ seine Arme entmutigt sinken. War denn dieses Tier unsterblich?... Die Stöße waren wirkungslos, und keiner brachte es zu Fall. Die Erfolglosigkeit des letzten Stoßes versetzte die Zu- schauer noch mehr in Wut, und alle erhoben sich von ihren Sitzen. Die Pfiffe waren betäubend und zwang» n die Frauen, sich die Ohren zuzuhalten. Mit erhobenen Arn. m und über- gelehntem Oberkörper machten viele. Zuschauer Miene, in den Ring hinabzusteigen, in welchen Orangeschalen, Brot- rinden, Sitzkissen wie schnelle, dem Matador zugedachte Ge- schösse geworfen wurden.> Aus den Reihen an der Sonnenseite ertönten Stimmen, die einer Dampfpfeife glichen und unmöglich aus menschlichen Kehlen zu kommen schienen. Von Zeit zu Zeit wurden Kuh- glocken hörbar: bei dem für die Stiere bestimmten Ausgang stimmte ein zahlreicher Chor etwas wie eine Totenmesse an. Viele blickten nach dem Vorsitzenden. Weshalb wartete er mit der zweiten Warnung? Gallardo wischte sich mit einem Tuche den Schweiß von der Stirn und blickte, wie wenn er über die Ungerechtigkeit des Publikums erstaunt wäre, nach allen Seiten hin, indem er den Stier für alles Vorgefallene verantwortlich machte. In diesem Augenblicke sah er nach der Loge von Donna So! hinauf, die den Rücken gekehrt hatte, um die Arena nicht zu sehen: vielleicht bemit- leidete sie ihn, vielleicht empfand sie Scham über ihre frühere Herablassung. lFortsetzung solgt.x (Naqt-rud btttoi«.! CTcbanc;* Von Branislav N u s ch i t ch. Aus dem Serbischen übersetzt von Martha Borojcvitch. Recht hast Du. Hanume, geben wir denn eine Oka(zirka t Kilo) Oel auf des Derwischs Grab!" sagte Halil-Efendi zu seiner Frau und schlürfte dabei noch das bißchen Kaffee, das in der winzigen Schale übriggeblieben war. Geben wir zwei, Efend'm, zwei da; unser Oel soll für die ganze Zeit des Ramazans zur Erhaltung der Oellampe reichen. Vielleicht wird dann das Auge Allahs sich gnädig uns zuwenden." Jnschalach(Gebe es Gott  !)!" fügte Halil hinzu und der- änderte die Beinstellung auf seinem Sitzpolster, das unter dem großen Nußbaum in dem Garten ausgebreitet lag und wo er und Hatusch-Hanuma am liebsten saßen. Oft schon hatten sie dasselbe Zwiegespräch geführt, viel Oel an die Moscheen verteilt und Brot an die Gefangenen verschenkt. Es gab keinen Armen, den Halil-Efendi nicht unterstützte, sogar die Hunde wurden bei ihm nicht vergessen.Sie auch sind arm und elend!" pflegte er zu sagen, und jeden Morgen, wenn er aus der Hoftüre trat, um seiner Beschäftigung im Utschumat(Rathaus) nachzukommen, kaufte er beim Bäcker Givko für«inen Metallik <4 Pf.) Brot, stellte sich hierauf unter die Laterne an der Ecke des Gemeindehauses, dort, wo sich gewöhnlich alle hungrigen Hunde zusammenfanden, und verteilte ihnen jein Brot, jedem ein oder zwei Bisten. Trotzdem wollte Allah   sich ihrer dennoch nicht erbarmen, sie blieben kinderlos. Es sind schon n Jahre her, daß Halil-Efendi verheiratet ist, alles geht ihnen im Hause nach Wunsch. Hatusch-Hanuma pflegt ihn, hütet und liebt ihn. Wäre das nicht gewesen, hätte Halil- Efendi ihr im stillen ihrer Unfruchtbarkeit wegen doch ein wenig gegrollt. Er ist Beamter im Utschumat, Tasildar(Steuerbeamter) ist er; seine Monatsgage beläuft sich auf 4(X) Piaster(1 Piaster== 16,5 Pf.). Dazu hat er sein eigenes HauS, das reicht ihm eben, um sorgenlos leben zu können. Wäre das ein Leben gewesen, wenn sich ihm noch sein Herzenswunsch, einen Sohn zu besitzen, erfüllt hätte! Und Hatusch-Hanuma trauerte noch mehr darum, sie hätte ihren Efendi so gern beglückt! Was hat die arme Frau nicht alles schon versucht und angewendet. Bei der Wahrsagerin war sie ge- Wesen, sie trank allerlei Tränklein. Von dem Hodja(Lehrer) empfing sie eine Amajlja(Amulett), sogar beim christlichen Popen fragte sie um Rat; sie trug auch ein seidenes Säckchen mit Erde, von des Propheten Grab gefüllt, unter dem Herzen. Nichts half. Man sah, Allah   gab eS nicht zu, es schien, als sollten sie keine Kinder erhalten, und das war es. was Halil-Efendi so tief schmerzte. Noch das erste Jahr, als Halil Hatuscha genommen, saß er manchmal bis tief in die Nacht hinein mit seiner Mutter(welche nachher starb), und sie plauderten zusammen von den Kinderchen, die Halil-Efendi erhalten würde. Auch die Namen hatte er schon ausgewählt: wenn es ein Bube wäre, sollte er Hudavery heißen. ein Mädclchen aber würde er Emetusch nennen. Diese Namen gefielen ihm besonders gut, und so träumte er auch schon die Kinder herzu, die er so benennen wollte. Hudaverh wird die Schule be- suchen, dann, wenn er die Mittelschule beendigt, wird Halil-Efendi ihn nach Stambul   in die Militärschule senden. Offtzier sollte er werden, und wenn er dann bis zum Major avancieren würde, den Behtitel erhalten, Hudavery-Bey; denn der Name Hudavery ver- trug eigentlich keinen simplen Aca oder Efendi. Nachher, als Offizier, wird er dem Sultan dienen, er kann sogar an desten Hof gelangen, Pascha werden und im ganzen Reiche allbekannt und geachtet dastehen... So träumten Halil-Efendi und seine Mutter» aber die Alte starb mit diesen Wünschen, Halil-Efendi jedoch hat längst schon aufgehört zu träumen, ganz still hat er sich in sein Schicksal, kinderlos zu bleiben, ergeben. ') Sklavin