So sah er auch an diesem Morgen Siede« auf einem Schemelchen unter jenem Nußbaum im Garten; Hatusch-Hanuma brachte ihm den Kaffee. Als sie ihn bedient hatte, fetzte auch sie sich an eine Ecke der Blumenbeete gerade neben ihn. um ihm zu erzählen, was sie geträumt hatte. Lange schon waren die beiden gewohnt, daß eines dem anderen jeden, auch nur annähernd be- deutungsvollen Traum erzählte. Und in jeder Kleinigkeit wollten sie eine Andeutung auf kommenden Kindersegen erkennen. Solche Träume, die etwas bedeuteten, trösteten sie dann auf lange Zeit. „Efend'm," begann Hatusch-Hanuma ihren Traum,„es schien mir, es sei ein allgemeines Fest; Pauken und Trompeten erschollen, bestimmen könnte ich es nicht... Ich bestieg ein Pferd, wie wenn ich zu einer Hochzeit geladen wäre, weih aber nicht, wem es galt. Ich frage, man sagt mir:„Halil-Efenbi heiratet, er freit eine Witwe mit einem Kinde, denn er wollte keine Jungfrau mehr heiraten, um der steten Ungewißheit, ob er Kinder erhoffen darf, enthoben zu sein. So hat er jetzt schon ein Kind in die Ehe be- kommen.. ich aber wußte bei alledem nicht, daß Du mein . Mann bist." Halil-Efendi schaut sinnend auf die Hanuma, hört aber nur halb hin, denn er ist in Gedanken versunken. Schon lange hat er den Glauben an Träume verloren. „Sicher bist Du vor lauter Eifersucht in der' Hälfte Deines Traumes aufgewacht," spaßt er, als die Hanuma ihren Traum beendigte. „Bei meinem Glauben, ich bin nicht eifersüchtig,,. warum auch?..." Halil-Efendi erhebt sich, legt die Zigaretten, die er während der ganzen Dauer ihrer Unterhaltung gerollt, sorgfältig in die Zigarettenschachtel, um später bei der Arbeit alle fertig vorzufinden, — dann geht er, und die Hanuma geleitet ihn bis zur Hoftüre. Die Frau aber kommt abermals in den Garten zurück, setzt sich auf jenes Stühlchen, auf dem der Efendi gesessen und denkt an. gestrengt über etwas nach Jene zwei, drei Worte, die ihr Halil- Efendi im Spatz zugeworfen, als sie ihm ihren Traum erzählte. entzündeten in ihrem Kopfe eine Idee, die ihr bis jetzt noch nie gekommen war. Auch später bei der Hausarbeit, dann während einem gelegentlichen Besuch bei einer Nachbarin, sogar während ihres Mittagsschlafes konnte sie sich dieses so plötzlich gekommenen Gedankens nicht erwehren. Sie rauchte eine Zigarette um die andere, überdachte die Sache, endlich schien sie sich entschlosien zu haben. Vor Sonnenuntergang, als Halil-Efendi an die Haustüre klopfte, empfing sie ihn ganz ftöhlich, lietz ihn nicht einmal aus- ruhen, sondern kaum hatte er die Schuhe von den Füßen gezogen, schob sie ihm flink seine Pantoffeln hin und sagte: „Efend'm, schnell, schnell in den Garten, ich habe Dir wichtiges zu sagen." Die Sonne war schon hinter dem Giebel des Nachbarhauses versunken, erfrischende Abendluft legtd sich kühlend über jden Garten; die frischbegossenen Blumenbeete strömten milden Duft aus, und über die bunten Blumengefichtlein tropfte das Wasser wie helle Tränen. Der durchdringende Geruch des Flieders, dessen Gebüsch eine ganze Seite deS Gartenzaunes einnahm, überwand kräftig alle anderen Düste. Halil-Efendi setzt sich wieder auf das dreibeinige Stühlchen unter dem Nußbaum, und da er soeben aus der dicken Luft seiner Kanzlei kommt, atmet er in vollen Zügen diese abendliche Garten- luft ein, so daß er nicht ernsthaft auf Hatusch-Hanuma horcht, die neben ihm niedergekauert ist. um das, was sie den ganzen Tag gedacht, endlich auszusprechen, weit, weit ausholend. „Also," beginnt Hatusch-Hanuma, als sie ihm von sich, von ihm und von ihrem K'c'met fSchicksal) gesprochen...also, einen anderen Ausweg gibt es nicht. Lange genug waren wir Mann und Frau. Allah wollte uns nicht beglücken... machen wir ochterl't'), werden wir von heute ab Bruder und Schwester, so bis zum Jüngsten Gerichte. Ich werde Dir eine Frau finden... Ver- heirate Dich, zeuge Kinder, niemand wird Dir sie treuer behüten als ich. und.. Sie wollte noch weiter sprechen, aber Halil, der anfangs gar nicht einmal so aufmerksam hingehört hatte, drehte jetzt plötzlich den Kopf um und schaute seiner Hanuma in die Augen. „Auch ich habe schon daran gedacht. Hatuscha ", sagt er ruhig, ein Bein über das andere schlagend, und fährt nach einer kleinen Pause fort:„Auch ich habe schon daran gedacht, aber... verhüte Gott , daß ich mich jemals von dir trenne... ich kann nicht ohne dich..." „Du wirst nicht, Efend'm, ohne mich bleiben; wir werden achterl'k machen, ich bleibe somit im Hause... Wer auch sollte über deine Kinderchen wachen?" Halil-Efendi faßt sie bei der Hand, zieht sie näher und strei» chelt ihr das Geficht. „Ich kann nicht I Ich könnte mich nicht zurückhalten, eine Sünde vor Allah zu begehen. Was? Du solltest meine Schwester sein? Wenn ich aber dann sündigte?" Wie er sie so liebkoste, blitzten seine Augen hell auf, und selbst •) Verschwisterung bis zum Jüngsten Gericht. Wenn die Frau unfruchtbar bleibt, verschwistert sie sich mit ihrem Gatten und sie werden demnach„Bruder und Schwester", der Mann aber nimmt eine andere Gattin. Hatusch-Hanuma sah ein, daß auch fic nicht auf ewig'eine Schweste» bleiben könnte. Deshalb gab sie auch sofort ihrer Plan Wied«! auf, ließ aber nicht zu, daß Halil-Efendi dies bemerkte. Und von dieser Stunde an liebte Halil-Efenbi leine Hanuma noch viel inniger, was sie auch durch ihre©cht flheit vollauf verdiente. � t Fortsetzung folgt.)] Die Bmebuncf dee Hugee und der ftond« Die Erziehung deS Auges und der Hand, dieser beiden wichtigsten Werkzeuge des Geistes, ist bisher arg vernachlässigt worden. Die wertvollen Ideen Friedrich Fröbels sind in der Hauptsache nur dem Kindergarten zugute gekommen, ohne die Erziehung in Schule und Haus wirksam genug zu befruchten. Wenigstens sind die Schulen. in denen dos darstellende, werktätige Lernen eine Hauptgrundlage deS Unterrichts bildet, bei uns noch sehr selten. Auch nach Frübel haben namhafte Pädagogen diese Lücke in unserem Erziehungssystem der Allgemeinheit zum Bewußtsein zu bringen und unsere einseitige Geistesbildung durch eine werktätige, Auge und Hand bildende Er- ziehung zu ergänzen gesucht. Der Deutsche Verein für Knaben- Handarbeit ist seit reichlich einem Vierteliahrhundert nach dieser Richtung hin tätig und hat auch viele praktische Erfolge erzielt, aber zu einem wesentlichen Bestandteil unserer öffentlichen Jugend- erziehung ist die Werktätigkeit, dieses„schaffende Lernen", auch bis heute noch nicht geworden. Nach dieser Seite hin haben uns eine Reihe anderer Kulturstaaten weit überholt. An manchen Schulen der Bereinigten Staaten nimmt der HandfertigkeitSunterricht den dritten Teil aller Stunden ein. Erst vor kurzem wieder schrieb mir ein Deutscher, der in Denver und anderen amerikanischen Orten Einblick in den dortigen Schulbetrieb bekommen hat. daß er gestaunt habe über die Geschicklichkeit, Intelligenz, Ausdauer und Selbst- ständigkeit der amerikanischen Schuljungen in praktischer Arbeit. Ein Hauptgrund für das Nachbleiben Deutschlands auf diesem Gebiete ist die bei uns übliche Ueberschätzung des rein geistigen Studiums im Verhältnis zu praktischer Arbeit, das Vorurteil, daß mau nur auf einem ganz bestimmten Wege, durch die humanistische Schule hindurch, zur einzig wahren Bildung kommen könne. Dieses Vorurteil ist zwar von bedeutenden Männern, die nicht bloß die humanistische Geistesschulung, sondern auch die Bildungswerte an» derer Beschäftigungen gründlich kennen gelernt hatten, zahllose Male bekämpft und widerlegt worden, aber es ist heute noch lebendig. Ein zweiter Grund ist zu suchen in der weitverbreiteten An- schanung, die Werktätigkeit diene lediglich der Ausbildung der Hand» geschicklichkeit. Man steht ihr ja im großen und ganzen nicht un- freundlich gegenüber, steht in ihr sogar eine nützliche„körperliche Ausarbeitung" und ein wünschenswertes Gegengewicht gegen die vorwiegend sitzende Lebensweise und einseitig geistige Tätigkeit]im Schulunterricht. Damit ist bei vielen die erzieherische Bewertung der Werktätigkeit aber erschöpft. Daß sie auch eine ganze Menge geistige, allgemein bildende Werte enthält, also durchaus nicht bloß technische Fertigkeiten vermittelt, ist bei uns noch nicht so belannt, als man im Interesse der Jugenderziehung wünschen mutz. Wenn der Schüler zum Beispiel irgend einen Natu, gegenständ im Umriß oder flächig oder körperlich darstellen soll, so ist er ge- zwungen, ihn vorher viel genauer als sonst anzusehen und ihn in seinen wesentlichen Eigenschaften zu erfaffen; soust kann er ihn eben nicht richtig zeichnen, ausschneiden, malen oder formen. Jede flüchtige oder falsche Anschauung offenbart fich sofort in der Dar- stellung. So malt der Schüler die Pflaume zuerst stets falsch als ein ziemlich regelmäßiges Eirund. Run muß ihm der Bau der Pflaume bewußt gen, acht werden: der Kern ein spitzes Oval mit einer flachen und einer stark gekrümmten Seite. Dieser Kernform entspricht auch der äußere Bau. Sie kann leicht erkannt und berichtigt werden. Das ist in keinem einzigen anderen Unterrichtsfach so gut möglich. Händelt eS fich um die Her- stellung eines Werkzeugs oder häuslichen Gebrauchsgegenstandes, so müsien Lehrer und Schüler auch nachdenken über d,e gegenseitige Abhängigkeit von Zweck, Gestaltungsmaterial, Form, Farbe u. a. m. Trotzdem kommen noch technische und ästhetische Mißgriffe vor. Sie müssen erkannt und berichtigt werden. Es wird probiert und studiert, bis das Ziel endlich erreicht ist. Dabei werden eine ganze Menge Kräfte in Tätigkeit gesetzt, geübt und entwickelt. Der spekulative Verstand und die ästhetische Phantasie werden mächtig angeregt; das Auge wird empfänglicher für Formen und Farben und zum bewußten Sehen erzogen. Diese Art Werktätigkeit ist also nicht nur eine Schulung der Handgeschicklichkeit, sondern auch der praktischen Intelligenz und des guten Geschmackes. Damit ist eine Steigerung der Aussaffnngskrast und Ausdrucks- fähigkeit eng verbunden. Das BorstellungSleben wird vertieft und bereichert. Diese durch eig-ne, gestaltende Arbeit lpro- duktives Lernen) erworbenen Verstellungen sind viel klarer und hasten fester, wirken also auch viel tiefer auf das ganze Geistes-, Gemüts- und Willenslcben alS die durch bloße Anschauung und Belehrung, durch ein mehr auf- nehmende? s.rezeptiveS") Lernen angeeigneten. Der Wille wird auf ein klar bestimmtes, nicht zu fern liegendes Ziel gerichtet und