Sonne herein, längs auf den Tisch, quer über die Briefe.Sie kam durch das grüne Gezweigs des Apfelbaums daruhen,und sie zitterte vom Spiel der Blätter nun auf dem Tisch.Es war ein feines Kribbeln und Krabbeln in ihr, darüberdie Stäubchen tanzten. Und auf den weißen Briefen gab eseinen grünen Schein, ganz zart und fein, wie Perlmutter.Die Klar stand davor und starrte darauf und wußtenicht, sollte sie sich freuen oder traurig fein. Sie mußte nurimmer hinsehen und darüber denken. Aber was sie dachte,das wurde ihr nicht ganz klar. Schließlich sagte sie:„Ter Spitzbub, davon Hütt er vorher auch was sagenkönnen."Und dabei grub sich ein Lächeln in die Falten ihrer hartenBaut, die von Wind und Wetter gebräunt und gegerbt war.Als es schon um den Mund herum verglitten war, hielt sich'snoch in den vielen feinen Strahlen in den äußeren Augen-winkeln fest und schaukelte sich in einem leichten Spiel darin,wie die Sonne in Grashalmen, die am Rande des Schattensstehen.Im ersten Briefs erzählte der Philipp feine Verlobung.Im zweiten war die Verlobungsanzeige mit Goldrand ent-halten. Und immer dasselbe Wort, darüber die Klarstolperte: Kommerzienrat. Das war ihr gerade, wie wennes geheißen hätte: Hochamt. Mit der Orgel und der Dorf-Capelle. So fiel ihr das ins Ohr, so voll und überwältigend.Etwas Feines und— Reiches.Der Philipp sagte es ja selbst: seine Braut war reich.Und er sagte, die Mutter sollte dann ganz ihre Ruhe habenkönnen und sich nicht mehr zu sorgen brauchen.„Verrückt I" knurrte die Klar—„ich werd mich von anderLeut Geld füttern lassen. Ich schaff, so lang's geht, undgeht's nit mehr, ist immer noch Zeit. Und auch dann nit,meiner Seel nit!"Er schrieb, es hätte ja nicht groß Sinn, daß sie hin zurMutter zusammen kämen. Allein reisen, das verstoße gegendie guten Sitten, an denen man hier festhalte, und zu dreien,es hätte nicht gut Sinn. Aber sie möge kommen. Da sehesie ein Stückchen ander Welt und andere Menschen und sollteeinmal ein paar recht schöne Tage haben. Sie wollten danndie Verlobung zusammen feiern, und die Mutter sollte haben,was ihr Herz nur begehren möchte.Da war etwas darin, das ihr weh tat. Sie trat ansFenster und sah hinaus. Da war etwas darin, das war demallen hier fremd. Dem Garten und dem Feld und den Hügelnund der Eulenmühle da hinten, die in den Wiesen lag.Sie sah sich in der Stube um, die Bilder an der Wand,die alten Möbel. Sie sah an sich hinab.Nein, nein, da blieb etwas Fremdes, Schmerzendes. Dawar etwas, mit dem hatte sie nichts zu schaffen, da wollte siesich nicht hineinfinden. Aber es blieb nicht lange beimWehtun. Ihr Stolz wurde wach.„Wer was von mir will, soll zu mir kommen. Reiche Leutoder arme Leut— ehrliche Leut und ehrliche Händ.".(Fortsetzung folgt.))Das„moderne" Kairo»Von Sch eik Omar.Die Welt steht im Zeichen des Verkehrs. Es ist schon langefjer, daß jener als weitgereister Mann galt, der am MarkusplatzTauben gefüttert, oder gar in Florenz einen Winter zugebracht hat,und man mußte damals ein englischer Lord mit vielen Guineenim Sack, oder ein katholischer Priester mit starkem Glauben imHerzen sein, um sich bis nach Rom vorzuwagen. Unsere VäterHrten vom Vesuv und von Capri reden, wie man uns heute vonTokio und von Dokohama spricht;— nur staunten sie. währendwir uns sagen:„Ach was, da gehen wir mal selber rüber, uns dasansehen". Palermo, Malta und Alexandrien lagen für sie amEnde der Welt, dort wo diese mit Brettern verschlagen ist, undheute ist für uns Kairo sebst eine überlebte Sache. Ich bin mirganz klar darüber, daß ich keine Reisebeschreibung liefere, ichschreibe vielmehr für die Rubrik Nckrologic, zur Ehre eines teuerenVerblichenen— denn Kairo ist eine Grabrede wert.Wer Aegypten vor der englischen Okkupation gekannt hat, inden ersten Jahren dieser und in der letzten Zeit, der allein merktden Unterschied. Himmel I kam man sich zur Zeit Jsmael Paschasselbst verwegen vor, wenn man im Lande der Pharaonen vomSchiffe stieg. Das war eine Abenteurerpcriode, die etwas Großesund Phantastisches besaß. Ich war ein Kind damals, aber nochheute stehen die Erlebnisse klar vor meinen Augen. Der Khedivewar ein Kalif aus Bagdads Glanzzeit, sein Harcmsgebäude umgabder Zauber aus 1001 Nacht, und die Geschichten, die über ihn unddie. die ihn umgaben, im Umlauf waren, hätte eine Scheherezadenicht geheimnisvoller erdichten können. Die europäischen Ministerund Generalkonsuln waren noch große Herren, umleuchtet vonaller Glorie, die sie den Kapitulationen Franz I. verdankten, jeder>Kawasse und jeder Briefträger bildete sich noch ein, ein kleiner Bot-'schafter zu sein, und jeder„Franke"(es gab damals noch keinenUnterschied zwischen Europäern) war ein Herr. In den Straßen— selbst am Mcchmed-Ali-Platze in Alexandrien— stolperte manüber Orangen- und Zitronenschalen, über tote Katzen und Hunde,und über Unrat aller Art, aber man begegnete dafür Gestalten,die den Mamelucken glichen, die gegen Bonaparte gefochten. DerSuezkanal war damals noch im Kindesalter, und man zeigte sichdie Spekulanten, die dabei ihr Vermögen gemacht hatten. O, ichkönnte sie noch aufzählen, alle die Canailiopulos, die Crapulolidis,die Salandjiani, die Porcissis und alle die anderen. Seltsam genugsahen sie aus, alle diese auf einmal den Franken ftessenden Levan-tiner, die, um Arbeiter ftär das Werk Lesseps zu stellen, den Khe-diven, die Kompagnie und die Fellachen betrogen und dabei Milli»onen gemacht hatten. War das doch eine verrückte Zeit!Die zweite Periode Aegyptens dreht sich ausschließlich um dasSheaveards-Hotel und um Thomas Cook. Das eine ist vom an»deren unzertrennlich. Neben Thomas Cook verbleicht der Schrecken.den Arabi Pascha hinterlassen, verschwindet das Mitgefühl, dasman seinerzeit mit dem Gefangenen des Mahdis— heute BaronRudolf von Hatin Pascha— haben konnte, und zerrinnt das diplo-matische Verdienst Lord Cromers. Cook ist der wirkliche NachfolgerSesostris und Namses II. Aus den elenden, Eisenbahnwaggon ge-nannten Karren, die zwischen Alexandrien und Kairo verkehrtenund in einem fort mittewegs stecken blieben, weil Allah, scheint eS,dies so wollte, werden wie durch Zauberschlag Speise- und Schlaf«wagen, und stolz erhebt sich am Eingang des Ezbekieh-Gartens eingroßes Hotel und bald darauf wieder andere Hotels. Man bautihnen zuliebe eine Oper, die nie eine besondere Höhe erreicht hat.und ein Museum, das zu allerlei Ausgrabungen verpflichtet, andie sonst niemand je gedacht hätte. Kunterbunt werden dort alleMumien untergebracht, deren man habhaft werden kann, und da-mit schießen die Antiquitätenhändler wie Pilze auS der Erde—die ihre Waren, statt im Sande zu suchen, einfach fix und fertigaus Europa kommen lafjen; man kann alles kaufen, was nur dasHerz begehrt— echt naturlich— sogar Mumienschädel aus Papier-mache und ausgestopfte Krokodile aus Leder. Jetzt kommen auchdie Touristen: Lords Ducs und Carls aus Großbritannien—russische Großfürsten, österreichische Erzherzöge, deutsche Fürsten,ungarische Magnaten, französische Marquis, grantige Spanier,italienische Prinzipcs— Rothschilds, Erlangers, Bleichröders,Hirsche und Königswarters— und... amerikanische Eisenbahn-,Kupfer- und Schweine-Könige. Ihnen allen folgt die belle Otero,Guerrero, Lina Cavalieri, d'AIeuqon, oder andere ihresgleichen—und nun geht es hoch her in Kairo. Wieder ist das eine verrückteZeit. Ein Bojare aus dem Zarenreich gibt Feste am Nilstrand, beidenen Nymphen im Mondschein baden, wie sie schöner Georg EberSnie geträumt hätte— ein sibirischer Pelzhändler verspielt in einerNacht in einem großen Klub Millionen— ein englischer Lord ver-sucht sich mit seinen Gästen in den Ruinen von Karnak in derReproduktion antiker Szenen, die selbst die damals total blindeägyptische Polizei zwingt, die Augen zu öffnen, und die Hand aus-zustreckcn— es gibt Duelle, Entführungen, Skandale, Krachs—kurz: Aegypten steht auf der Höbe der Situation.— Allen diesenHerrschaften folgen mit den Jahren andere. Deutsche gelehrteProfessoren, mit großen Brillen, dicken„besseren Hälften" undblonden Töchtern, die alle Hieroglyphen studieren wollen— reichgewordene Metzgermeister, die den Grand-Scigneur'markieren—Tartarins aus Tarascon. die auf Löwen- und Krokodiljagd aus-ziehen und sich zum Schluß mit einem Rundgang durch den„Fisch-markt" begnügen, dem verrufenen Viertel Kairos. EhrenwerteSpießbürger jeder Schattierung, Abenteuercr und Falschspieler, dieden Kavalier spielen, Gesindel aller Art bis zu den schauerlichstenExistenzen. O, die Zeiten Jsmael Paschas sind längst vorüber.wo jeder Europäer, der nur wollte, ein Unterkommen fand. Sokannte ich einen ägyptischen Oberforstinspektor, der 20 Jahre langkeine andere Beschäftigung gehabt hatte, als allmonatlich sein40 Pfund betragendes Monatsgehalt zu beheben, denn bekanntlichgibt es in Aegypten keinen einzigen Baum!Cook hatte diesen Umschwung vorausgesehen, und die Pensionenschössen nach den großen Hotels aus der Erde. Dann kamen seineeigenen Karawanen. Man kennt sie ja, alle diese höchst ehrenwertenund ebenso lächerlichen Gestalten, die der Drang nach dem Ostenübers Mittelmeer führt. Sic glauben unter Menschenftessern zugeraten, fürchten Löwen zu begegnen und lassen sich in arabischenGewändern mit einer Beduincnflinte und zwei Dolchen photo-graphieren, wobei der ehrsamste Schneidermeister sich verpflichtetfühlt, ein grimmigeres Gesicht zu machen, als der grimmigsteZulukaffer. Ankunft in Kairo um 7 Uhr ftüh— Besuch desMuseums um 7,10 Uhr, der Alcazar-Moschee um 7,20 Uhr usw.über Ghizeh und Karnak Abfahrt nach Alexandrien zurück um7 Uhr abends....So hat sich denn auch das Straßenbild Kairo? bedeutend, undzwar in einem schlechten Sinne, demokratisiert, und dazu hattesich auch der Eingeborene sehr zu seinen Ungunsten verwandelt.und das obgleich der Acgypter von vornherein zu den wenigstsympathischen und wenigst würdigen Orientalen zählt. Die Hünen»gestalten der waschechten Mamelucken sind ganz verschwunden. Sie